Erziehung soll Klauen verhindern

Richterbund und Lehrerverband fordern mehr Prävention bei Jugendkriminalität: Ein neues Modell soll Eltern beibringen, wie sie ihre Kinder richtig erziehen. Landesregierung unterstützt den Vorschlag

VON GESA SCHÖLGENS

Eltern sollen ihre Kinder vor Kriminaliät schützen. Das fordern der Deutsche Richterbund (DRB) und der Lehrerverband Bildung und Erziehung NRW (VBE). Gestern stellten sie in Düsseldorf ihr Konzept „Modellregion für Erziehung“ vor, das von der schwarz-gelben Landesregierung unterstützt wird.

Verhaltensauffällige Kinder sollen in Großstädten mit Hilfe von Erziehern, Lehrern und der Jugendhilfe identifiziert werden. Auf freiwilliger Basis soll ihren Eltern und Erziehern in – möglichst kostenlosen – Kursen beigebracht werden, wie Kinder konsequent und positiv erzogen werden. „Erste Erfahrungen wurden in Köln und Braunschweig gewonnen“, berichtete Jugendpsychologe Manfred Döpfner von der Uni Köln.

„Schon im Kindes- und Jugendalter weist jeder Vierte Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität, Ängste und Depressionen auf“, sagte DRB-Landeschef Jens Gnisa. Häufig würden verhaltensauffällige Kinder nicht mehr korrigiert und mündeten dann in einen „Kriminalitäts-Kreislauf“. Die Gründe lägen in der Familie, so VBE-Landeschef Udo Beckmann. „Familien müssen daher in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden.“ Auch der Informationsaustausch zwischen Schule, Polizei und Jugendämtern müsse verbessert werden. So solle künftig die Polizei Infos über mehrfach aufgefallene Minderjährige an Schulleiter weitergeben. Dies ist laut Richterbund aus Datenschutzgründen aber bisher nicht machbar. Für schwere Fälle forderte das Aktionsbündnis mehr Angebote zur „Intensiv-Erziehung“ in geschlossenen Einrichtungen.

Auch die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) des Landes NRW begrüßte die Erziehungsoffensive. Es sei aber wichtig, die Beratung freiwillig zu machen. „Man darf die betroffenen Eltern nicht dazu verdonnern. Statt dessen sollte man mehr auf sie zugehen und einen angenehmen sozialen Rahmen für die Gespräche schaffen“, sagt Carmen Trenz, AJS-Expertin für Kinder- und Jugendkriminalität. Einen ähnlichen Ansatz gebe es bereits in Holland mit dem so genannten „Sozialen Frühwarnsystem“, das derzeit auch in Gelsenkirchen getestet wird. Auch hier sollen gefährdete Kinder und Jugendliche rechtzeitig entkriminalisiert werden, indem Kindergärten, Schulen und Soziale Dienste besser zusammenarbeiten und Betroffene unterstützen. Die Eltern seien mit der Erziehung der Kinder meist völlig überfordert, so Trenz. Arbeitslosigkeit, Sucht oder Probleme in der Partnerschaft verschlimmerten die Situation zusätzlich.

Die Expertin kritisiert, dass die Maßnahmen der Landesregierung häufig zu repressiv seien: „Bei straffälligen Kindern sind besonders individuelle Diagnosen und Therapien erforderlich“. Vom Jugendarrest hält Carmen Trenz nicht viel: „In der Regel werden die Täter nur weggesperrt und es fehlt eine pädagogische Betreuung, etwa in Form eines Sozial- oder Anti-Aggressionstrainings“.

Es müsse außerdem klar unterschieden werden zwischen Gelegenheits- und Intensivtätern, so Trenz. „Die große Mehrheit der Kinder frisst mal was aus“. Bei Bagatelldelikten wie etwa „Schwarzfahren“ müssten Eltern und Pädagogen mit dem Kind reden und ihm signalisieren: „Das ist nichts Dramatisches“, dabei aber durchaus die Konsequenzen der Tat aufzeigen.

Die Landesregierung kündigte an, die Beratung von Familien mit Erziehungsproblemen zu verbessern. Die hohen Einschaltquoten von Erziehungssendungen wie „Super Nanny“ zeigten, „dass die klassischen Beratungseinrichtungen viele Eltern nicht oder nicht mehr erreichen“, sagte Generationen-Minister Armin Laschet (CDU). Die TV-Sendungen konzentrierten sich jedoch nur auf das Versagen der Eltern und blendeten gesellschaftliche Ursachen für kindliches Fehlverhalten meist aus.

Auch die Grünen im Landtag halten Prävention für sehr wichtig. „Der falsche Weg ist jedenfalls, einzusperren statt vorzubeugen“, so Andrea Asch, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Grünen. Zudem müssten Jugendsozialarbeit, Jugendberufshilfe und offene Angebote im Freizeitbereich ausreichend finanziell ausgestattet werden. Gerade hier werde aber zunehmend gespart.