Kurzkritik: die Übersee-Gastronomie
: Wenigstens gemütlicher Mainstream

Nach heftig langem Leerstand hat das Übersee nun wieder eine Gastronomie. Zwei Jahre nach dem Rausschmiss von Pächter Ulrich Mickan – vorausgegangen waren juristische Auseinandersetzungen mit dem Museum – kann man im Eingangsbereich des säulenbewehrten Prunkbaus wieder essen und trinken. Allerdings in durchwachsener Qualität.

Zumindest die Stichproben erweisen sich als nicht allzu stichhaltig: Spaghetti ohne jede Spannung (mit Tomaten und gehacktem Parmesan für 4,90 Euro), eine sahneträchtige Tomatensuppe (3,90 Euro) mit allzu durchweichten Croutons, aber besser gewürzt. Dann ein hervorragender Espresso (1,50 Euro).

Was bei Mickan bunt, eigen, bisweilen schrill war, ist nun freundlich gediegen: helle Hölzer, dunkles Leder, ein stilisierter Brennpaste-Kamin. Das ganze vor ockergelben Wänden, auf denen sich die ethnologischen Schwarz-Weiß-Fotografien gut machen. Die Sessel erweisen sich als amorphe Möbel mit bauchigem Boden und spirreligen Lehnen, ausgeglichen durch eine hervorragend feste Wandbank.

In der Lounge, wo zu Mickans Zeiten die „Blaue Karawane“ Asyl fand, werden nun „Dunhill-Zigarren von eigens geschultem Personal angeboten“, wie mitgeteilt wird. Und zwar auf einem „Schiffsdeck“-Parkett, unter dem per Glasaussparung der Meeresboden sichtbar wird. Wer „Carpe Diem Wellnessdrinks“ anbietet, hat eben nicht die 120.000 SchülerInnen vor Augen, die jährlich das Museum besuchen – auch wenn die den „Stresskiller“ aus Erdbeermark und Vanillesirup bestimmt lecker finden würden.

Henning Bleyl