Nachtflüge: "Die Lebensqualität geht verloren"

Mit Demos und Klagen wehren sich Anwohner gegen den Lärm des Flughafens Leipzig-Halle - noch vergeblich. Trotzdem rät Aktivist Peter Richter den Brandenburgern, nicht aufzugeben.

taz: Herr Richter, 103 Flüge von 22 bis 6 Uhr soll es in Spitzenzeiten von dem künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) geben dürfen. Der Bürgermeister einer Anrainergemeinde hat bereits eine Klage angekündigt. Was raten Sie?

Peter Richter: Ich rate auf jeden Fall zur Klage. Denn der Flughafen BBI ist ja eigentlich vom Bundesverwaltungsgericht mit einem Nachtflugverbot belegt worden. Aber momentan versuchen Flughafenbetreiber bundesweit das Nachtflugverbot aufzuweichen.

Der Flughafenbetreiber bezeichnet die Regelung als "Hemmschuh".

Das ist klar, die wollen so viel wie möglich die Flugzeuge in der Luft haben. Um wirtschaftlich zu sein, brauchen sie drei, vier, fünf Starts und Landungen pro Flugzeug in 24 Stunden, je nach Flugdistanz. Solange eine Maschine am Boden steht, verhindert das einen Gewinn.

Wie viel Ausdauer müssen die Betroffenen bei dem Kampf gegen Fluglärm mitbringen?

Ich habe in betroffenen Gebieten Leute kennengelernt, die kämpfen schon 30 Jahre gegen Fluglärm. Wir sind jetzt im sechsten Jahr.

Lohnt der Kampf überhaupt oder sollten sich Betroffene besser schnell nach einem neuen Wohnort umsehen?

Das ist einfach gesagt. Aber gerade im Fall BBI haben Leute, die jetzt betroffen sind, vor 20 oder 10 Jahren ihr Häuschen gekauft - und da haben sie von den Planungen noch nichts gewusst. Die haben einen Kredit aufgenommen und werden jetzt das Haus nicht los. Wo sollen sie hin? Und vor allem wie? Ich wohne direkt in der Einflugschneise, das sind 13 bis 15 Kilometer vom Flughafen entfernt. Die Flugzeuge fliegen hier inzwischen 600 und 800 Meter hoch. Die Lebensqualität geht komplett verloren.

Inwiefern?

Draußen sitzen kann man nicht, teilweise sind Unterhaltungen im Haus nicht möglich. Ich finde einfach keinen Käufer, der hier hin will. Gerade die Geräusche der lauten Frachtmaschinen sind nicht auszuhalten. Die würde BBI auch gerne aufnehmen, da man sich riesige Dimensionen an Gewinnen verspricht.

Beim Flughafen Leipzig-Halle haben Sie den Kampf gegen die Nachtflüge verloren. Klagen gegen BBI werden ebenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Warum sollte das Gericht dann anders entscheiden?

Es steht zu befürchten, dass das Gericht dem Land recht gibt und die Nachtflüge zulässt.

Was können die Anwohner dann noch tun?

Sie können immer wieder Protestbriefe schreiben. Sie sollten ihre Politiker, die sie gewählt haben, in die Pflicht nehmen. Sie müssen sich auf alle Fälle zusammenschließen, um stark zu sein. Wir klagen derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht. Außerdem kann man Lärmmessungen durchführen. Wir haben zum Beispiel 22 Lärmmessstationen privat angeschafft. Das hat uns ermöglicht, die aberwitzigen Messungen des Flughafens, wo ganze 800 Flüge im Monat "verschwanden", aufzudecken. Bei den Messungen wurden besonders laute Flüge einfach herausgerechnet, da man annahm, es könnte gar nicht sein, dass Flüge so laut sind. Wir können nur auf das neue Europa hoffen, dass die EU-Kommission einigen Sachen einen Riegel vorschiebt. Mittlerweile gibt es schließlich eine Reihe von Studien, auch von der Weltgesundheitsorganisation, die Fluglärm als sehr schädlich einstufen.

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