Kommentar Uruguay: Tupamaro an die Front

Europa sollte sich von Uruguays Tradition direkter Demokratie inspirieren lassen. Dass das Ziel jedoch dieses Mal knapp verpasst wurde, ist bitter.

Ausgerechnet der 75-jährige "Pepe" Mujica sorgt in Uruguay für frischen Wind. Nach seinem klaren Vorsprung in der ersten Runde der Präsidentenwahl scheint der Sieg des früheren Stadtguerilleros in der Stichwahl Ende November nur noch eine Formsache zu sein. Auf Lateinamerika bezogen, bedeutet dies: Die rosarote Welle, die 1998 mit dem ersten Wahlsieg von Hugo Chávez in Venezuela einsetzte, ist noch lange nicht zu Ende. Als größtes Vorbild nennt Mujica Brasiliens Lula, doch auch zu den anderen linken Präsidenten des Subkontinents passt er recht gut.

Was allerdings die politische Kultur betrifft, ist das kleine Uruguay in mancherlei Hinsicht weiter als seine Nachbarn. So sind dem Personenkult enge Grenzen gesetzt: Nie erwog Staatschef Tabaré Vázquez ernsthaft eine Verfassungsänderung, die es ihm erlaubt hätte, sich der sofortigen Wiederwahl zu stellen. Auch seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge, den Wirtschaftsminister Danilo Astori, konnte der sonst recht autokratisch regierende Sozialdemokrat nicht durchsetzen - die Basis der Linksallianz Frente Amplio (Breite Front) entschied sich in der Vorwahl klar für den volksnahen, fortschrittlicheren Mujica.

Europa wiederum sollte sich von Uruguays Tradition direkter Demokratie inspirieren lassen. Regelmäßig kann das Wahlvolk über Referenden bei wichtigen Weichenstellungen mitreden. Am Sonntag hätten die UruguayerInnen das umstrittene Amnestiegesetz aus dem Jahr 1986 annullieren können, das den meisten Schergen der Militärdiktatur bis heute Straffreiheit garantiert.

Dass dieses Ziel knapp verpasst wurde, ist bitter. Mitverantwortlich war wohl die halbherzige Unterstützung durch die Regierungslinke - und die Tatsache, dass das Anliegen in den Medien von der Präsidentenwahl überschattet wurde. Einen Ausweg schlug Mujica noch in der Wahlnacht vor: Wahlen und Volksabstimmungen sollten künftig getrennt stattfinden.

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