Neues Smartphone von Palm: Das Nicht-iPhone-iPhone

Bislang gilt Apples iPhone als Branchenprimus bei den Smartphones. Palms Pre, seit kurzem endlich in Europa erhältlich, will das ändern. Ob es gelingt, zeigt der taz.de-Test.

Der Palm Pre: Liegt gut in der Hand. Doch bei besonders ressourcenintensiven Anwendungen wie dem Surfen macht er gerne mal Denkpausen. Bild: dpa

Wer nach einem Smartphone mit modernem Betriebssystem sucht, hat aktuell zwei Alternativen, wenn es nicht ein Nokia-Handy oder ein Business-Gerät mit Windows Mobile- oder Blackberry-Betriebssystem sein soll: Apples iPhone oder ein Modell mit der Google-Software Android. Seit wenigen Wochen ist nun eine dritte Alternative in Deutschland auf dem Markt: Der Pre von Palm. Das Gerät des einstigen Palmtop-Herstellers, in den USA schon seit Monaten zu haben, wurde nun endlich auf europäische Technik (UMTS) angepasst.

Die grundlegende Bedienung des Pre erinnert stark an das iPhone und seine "Multitouch"-Oberfläche, die mehrere Berührungen gleichzeitig erfassen kann. Icons werden auf einen Antipper hin geöffnet, in Karten-, Bilder- oder Webseiten-Darstellungen navigiert man mit dem Finger und kann durch die bekannte "Kneif"-Geste ("Pinch") beliebig zoomen. Beim Pre kommt noch ein so genannter Gestenbereich hinzu, den man unter dem Bildschirm findet. Dieser ist ebenfalls berührungsempfindlich und wird unter anderem für eine "Zurück"-Geste, das Aufrufen einer Statusleiste und das Entsperren des Handys verwendet. Außerdem existiert noch der zentrale "Center"-Knopf.

Fährt man den Bildschirm nach oben, zeigt sich, was von Palm als Vorteil gegenüber dem iPhone gepriesen wird: Eine richtige in Hardware gegossene Tastatur. Die hat zwar recht kleine Knöpfe, lässt sich aber nach einiger Eingewöhnung gut bedienen. Ob sie wirklich notwendig ist, sei aber dahingestellt - viel iPhone-Besitzer haben sich längst mit dessen Bildschirmtastatur angefreundet.

Weniger erfreulich beim Pre ist dagegen die Verarbeitungsqualität, die nicht an die des iPhone herankommt. Die das ganze Gerät überziehende Klavierlack-Optik sorgt für viele Fingerabdrücke, es gibt diverse scharfe Kanten (besonders bei aufgeklappter Tastatur) und das ansonsten verbaute weiche Plastik für die Anschlussleiste wirkt billig. Außerdem kann man sich beim Öffnen des USB-Anschlusses (zum Aufladen und zur Synchronisation notwendig) leicht die Fingernägel abbrechen.

Gut gelungen ist dagegen die grundlegende Form des Pre: Er liegt gut in der Hand und ist trotz Tastatur nicht zu dick, wenn auch insgesamt rundlicher als das iPhone. Minuspunkte gibt es für die Platzierung der Kamera - die liegt genau dort, wo man seinen Daumen am liebsten platziert. Als positives Merkmal gegenüber dem iPhone bleibt noch anzumerken, dass der Pre eine austauschbare Batterie besitzt, die sich hinter einem eher umständlich zu öffnenden Deckel auf dem Rücken des Geräts befindet.

Doch wichtiger als alles Hardware-Geplänkel ist die Software des Pre. Hier hat Palm ein ganz neues Betriebssystem entwickelt, das auf Internet-Standards aufsetzt. Damit soll es besonders einfach sein, Anwendungen zu entwickeln. Tatsächlich hält sich allerdings das Angebot im für die Software-Verteilung zuständigen "App Catalog" in Grenzen - derzeit sind es höchstens einige Hundert Anwendungen, während Apple kürzlich die 100.000er Marke knackte. Die Bedienoberfläche des Pre ist ansonsten gefällig: Im Gegensatz zum iPhone lassen sich mehrere Anwendungen gleichzeitig starten und über ein System so genannter Karten ansteuern. Insgesamt hat man bei der Bedienung aber das Gefühl, öfter klicken zu müssen als beim iPhone.

Die auf dem Pre enthaltenen Standard-Anwendungen wie Google Maps, Web-Browser oder YouTube können mit ihren iPhone-Pendants mithalten. Gut gelungen ist auch die Integration sozialer Netzwerke: Man kann seine Kombination an zentraler Stelle bündeln, was Palm "Synergy" nennt. Im Versuch stellte sich allerdings heraus, dass man einmal eingestellte Accounts nicht so schnell wieder los wird und an jeglicher Stelle im Gerät löschen muss.

Die Hardware-Ausstattung hinkt dem iPhone etwas hinterher. So bietet der Pre mit 8 GB (nutzbar: 7 GB) nur halb so viel Speicher wie das Apple-Gerät und auch der Prozessor rödelt an mancher Stelle ganz schön. So gönnte sich der Pre besonders bei ressourcenintensiven Anwendungen wie dem Surfen gerne einmal Denkpausen. Eher problematisch ist außerdem die Batterielaufzeit. Da der Pre ständig Verbindung ins Netz hält, um nach neuen Mails oder anderen Neuigkeiten zu fragen, leert sich der Akku nach gut einem Tag. (iPhones neigen besonders bei Spielen und "Push"-Diensten allerdings zu einem ähnlich starken Stromverbrauch.)

Der Palm Pre wird in Deutschland derzeit vom hiesigen Exklusivpartner O2 sowie im Webshop des Discounters Simyo angeboten. Während man bei O2 derzeit 481 Euro los wird, die man ohne Vertrag über 24 Monate abstottern kann, verlangt Simyo aktuell 460 Euro. Sehr löblich ist dabei, dass sowohl O2 als auch Simyo das Smartphone im Gegensatz zum hier zu Lande an T-Mobile geketteten iPhone ohne Simlock verkauft - man kann das Handy also nach dem Erwerb mit einem Provider seiner Wahl nutzen, indem man einfach die entsprechende Karte einschiebt.

Potenziellen iPhone-Dissidenten, denen der hohe Preis des Pre wenig zusagt, haben unterdessen demnächst eine weitere Alternative. In den USA gibt es ab November auch noch ein Einsteigergerät mit WebOS von Palm: Den Pixi. Das Beginner-Smartphone hat einen etwas kleineren Touchscreen mit geringerer Farbauflösung, eine ständig sichtbare Tastatur und lässt die WLAN-Funktion weg. Dafür dürfte der Pixi, der in einigen Monaten auch in Europa erwartet wird, deutlich weniger als der Pre kosten - wie viel, ist noch unklar. Dass O2 ihn in Deutschland genauso anbieten wird wie seinen großen Bruder, gilt als sehr wahrscheinlich.

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