piwik no script img

Kinderbetreuung 2.0Die Community passt auf

Auf einer neuen Internetplattform können sich Eltern kostenlos gegenseitig Kinderbetreuung organisieren. Der Rückgriff auf die eigene Familie oder bezahlte Babysitter entfällt.

Glückliche Mütter: Das verspricht zumindest die Website. Bild: screenshot/sitter-team.de

Wer einen Kommilitonen zum Lernen sucht, findet ihn im StudiVZ. Wer den lockigen Spanier von der Party gestern Abend wiedersehen möchte, kontaktiert ihn bei Facebook. Nur für Eltern, die eine Vertrauensperson suchen, die auf die Erstgeborene aufpasst, gab es im Internet bislang nicht viele Möglichkeiten. Seit wenigen Tagen ist nun eine Internetplattform online, die Abhilfe verspricht: Auf www.sitter-team.de sollen sich Eltern gegenseitig und kostenlos Kinderbetreuung anbieten.

Die erste war die Spielgruppe. So nennen sich zwei Mütter aus Köln-Nippes, die das deutschlandweit erste sogenannte Sitter-Team gegründet haben. Sie haben das Profil der anderen Mutter gelesen, wo die Eltern beispielsweise angeben, was sie mit ihrem Kind am liebsten machen, wenn die Sonne scheint und wenn es regnet. Daraufhin haben sie sich im echten Leben getroffen – und passen jetzt gegenseitig auf ihre Kinder auf. Auf der Website koordinieren sie Termine, lassen ausrechnen, wer das nächste Mal mit Aufpassen dran ist und wer schon Überstunden geschoben hat.

Hinter der Website stehen zwei Männer und drei Kinder. Claudius Kohrt und Stefan Schmidt haben im Juni die Firma Admunda gegründet, die für das Projekt verantwortlich ist. Schmidt, 35, ist Vater eines Einjährigen und für die Technik zuständig. Kohrt, 33, Onkel von zwei Kleinkindern, kümmert sich um die Vermarktung und die Öffentlichkeitsarbeit. Beide arbeiten außerdem selbstständig als Berater.

„Meine Schwester hat mir erzählt, wie sehr es ihr Spaß macht, Mutter zu sein“, sagt Kohrt. „Doch sie war nur noch Mutter, Freunde und Beruf kamen zu kurz.“ Kohrts Schwester habe häufig teure Babysitter bezahlen müssen. Von Bekannten aus Berlin mit dem selben Problem hörte er von einer interessanten Lösung: Hier übernahm die Hausgemeinschaft Sitter-Dienste und sprang somit ein für die Verwandtschaft der jungen Familien, die oft weit weg von Berlin wohnte. Ein gutes Netzwerk, fand Kohrt – und Netzwerke organisieren sich heute im Internet. „Klar kann ich auch jemanden zufällig auf dem Spielplatz kennenlernen“, sagt Korth. Aber er wolle sich nicht auf den Zufall verlassen.

Stattdessen besuchte er die Spielplätze der Republik und klebte kleine Plakate für seine Website. Mit Erfolg – die Mitgliederzahl kletterte bereits über 500, die User kommen aus 79 deutschen Städten. Korth und Schmidt haben das Portal komplett selbst finanziert. „Uns geht es nicht primär darum, Geld zu verdienen“, sagt Korth. „Mit dieser Website wird man nie reich.“ Langfristig soll sich das Projekt über Anzeigen finanzieren, bisher ist die Seite noch werbefrei. Der Service soll auf jeden Fall kostenlos sein, betont Kohrt: „Seiner Oma bezahlt man ja auch nichts, wenn sie auf die Enkel aufpasst.“ Kohrt ist überzeugt von seinem Projekt und das strahlt er auch aus – wenn er auf der Straße Eltern sieht, drückt er ihnen einen Flyer in die Hand. Die Resonanz sei positiv: „Seitdem die Seite online ist, habe ich wahnsinnig nette E-Mails bekommen.“

Nicht erfreut über das neue Portal sind dagegen die etablierten Kinderbetreuer. „Als Konkurrenz sehen wir dieses Angebot aber nicht“, wiegelt Wolf Heisig ab, der Geschäftsführer der Kölner Mary-Poppins-Agentur. Seine Firma vermittelt professionelle Babysitter, bürgt für eine qualitativ hochwertige Betreuung und nimmt den Kunden alles Organisatorische ab. Dementsprechend kostet eine Stunde zwischen 7 und 9 Euro.

Krabbelgruppen und Tagesmüttern wolle Kohrt auch nicht das Wasser abgraben, versichert er. Er sehe in ihrer Website eher eine Ergänzung. Aber was ist mit der Nachbarstochter, die bisher als lukrativer Nebenjob auf das Kind aufgepasst hat? „Auch die Tochter wird irgendwann 16 und hat samstagsabends vielleicht keine Zeit mehr“, sagt Kohrt. Er selbst habe übrigens leider noch keine Kinder. Sollte sich das ändern, ist zumindest schon für die Betreuung gesorgt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!