Angola ist ein Reiseziel

Eine Rundreise im Geländewagen durch den Südwesten Angolas, das touristisch noch kaum erschlossen ist, durch Wüsten, Berge und Busch. Ein Land, das den Schrecken hinter sich lässt

VON CHRISTIAN NITSCHE

Fast 30 Jahre Bürgerkrieg, Minenfelder, Marburg-Virus – es gäbe viele Argumente, um von einer Reise nach Angola abzuraten. Aber auch viele, die dafür sprechen: Seit drei Jahren herrscht Frieden, Millionen von Minen sind geräumt, Gefahrenzonen gekennzeichnet. Vom Marburg-Virus, das in der nördlichen Provinz Uige über 300 Menschen das Leben gekostet hat, gibt es laut WHO seit Juli keine Berichte mehr über Todesfälle. Im Südwesten findet der Reisende aufgeschlossene Menschen, schöne Dünenlandschaften und ein ungewöhnlichen Fischreichtum an der Küste.

Wer sich nicht zwei Tage mit tiefen Schlaglöchern plagen mag, spart sich die Jeep-Fahrt von Namibia nach Angola und fliegt direkt nach Lubango, in die Hauptstadt der Provinz Huila. Aus der Luft wirken die aneinander gereihten Flachbauten an den Hügeln des Hochlandes wie ein blaugrau getüpfeltes Tuch. Touristen trifft man hier weder im Straßenrestaurant „Tirol“ noch im holzvertäfelten, weitläufigen Speisesaal des Grande Hotel da Huila, wo der Ober in weißem Hemd und Krawatte zwischen Ölgemälden höflich eine Auswahl portugiesischer Weine präsentiert.

Zweihundert Kilometer sind es von hier zur Küste auf einer Straße ganz ohne Schlaglöcher! Ein kurzer Anstieg über die Berge, dann geht der Blick plötzlich eine Steilwand hinab, gleitet entlang von Serpentinen zu spitzen Hügeln und hinunter zu einer im Dunst schemenhaft wirkenden, hunderte Meter tiefer liegenden Ebene. Auf der Weiterfahrt wird die Buschlandschaft zu einer kargen Wüste.

Am Rande der Hafenstadt Namibe erwarten uns lange Sandstrände. Das Wasser ist überraschend warm. Wenn man Glück hat, trifft man Raymond, einen jungen Südafrikaner. Der Blondschopf ist immer barfuß unterwegs und macht gerade Einkäufe für die „Flamingo Lodge“ seines Vaters Ricco, das einzige Camp südlich von Namibe.

Auf dem Weg dorthin beginnt der eigentliche Abenteuerurlaub: Nur mit einem Geländewagen, Vierradantrieb und niedrigem Reifendruck sind die 50 Kilometer über die flachen Dünen zu schaffen. Vor neun Jahren, erzählt der 22-jährige Südafrikaner, habe sein Vater hier zunächst Zelte aufgebaut und Freunde kamen zum Fischen. Mittlerweile hat sich die Schönheit und der Fischreichtum dieses Küstenstreifens herumgesprochen: Delfine schlagen Saltos, Robben schieben sich aus der Brandung, Schildkrötenpanzer säumen den Strand. In nur einer Stunde ziehen Sportfischer aus Kapstadt drei Haie und einen Mantarochen aus dem Wasser: Essen gibt es genug. Zwei riesige Walfischrippen bilden das Tor zum Restaurant, jeden Abend feiern die Sportfischer ihren Fang, jeden Abend „all you can eat“.

Als die Sonne versinkt, führt uns Raymond in eine rot glühende Sandsteinschlucht. Leichtsinnig ärgert er eine Sidewinder-Schlange. Sie beißt zu. Der Finger schwillt an. Zwei Tage liegt Raymond desorientiert in seiner Hütte. „Im Zoo kann man mit Schlangen spielen, da gibt es ein Gegengift. Aber doch nicht hier in Angola“, schüttelt Vater Ricco den Kopf.

Als die Ebbe einsetzt, brechen wir auf. Hinter Tombua tauchen wir ein in die Dünenlandschaft des Iona-Nationalparks. 150 Kilometer Fahrt, direkt am Strand entlang. An einigen Stellen bleibt für die Autos nur ein fünf Meter breiter, von der Flut geebneter Streifen, dann erheben sich die steilen, 30 bis 40 Meter hohen Dünen. Pelikane und Robben schauen den Wagen hinterher. Im flachen Wasser schwimmen Tintenfische zwischen Bänken riesiger Muscheln: Das Abendessen ist greifbar!

Bis zur Kunene-Mündung glättet sich die Wüste, um sich auf der anderen Flussseite wieder haushoch aufzutürmen. Wer es bis hierher geschafft hat, folgt am Kunene entlang den Autospuren ins Landesinnere und wird gebannt vom Blick über die gesperrte Skeleton-Coast Namibias: ein Horizont voller Dünen. Vereinzelt huscht ein Springbock über das Wüstenplateau. Wie in Zeitlupe ändert sich die Landschaft. Der Duft des Grases eilt den honiggelben, kniehohen Halmen voraus, durch die sich die schmalen Wegspuren dann hindurchschlängeln. Weit in der Ferne der erste Schatten spendende Baum, vage Umrisse einer Berglandschaft. Zeitlosigkeit – bis die Sonne in den Rückspiegel gleitet.

Über dem Lagerfeuer brutzelt der Fang aus dem Atlantik. Die Flammen sind kilometerweit sichtbar, aber nirgendwo ein Mensch. Am Fuße der ersten roten und schwarzen Bergmassive heißt es für Passagiere aus Lubango umkehren. Wer weiter fährt, taucht wieder ein ins Buschland. Das Navigationssystem versichert, der Weg sei richtig. Der halb volle Akku des Satellitentelefons und die verbliebenen drei Wasserkanister geben ein Gefühl der Sicherheit. Erst in Iona kündigen Kühe nach stundenlanger Fahrt die erste Siedlung an.

Die Autos klettern schroffe Hügel hinauf, immer wieder kippt der Wagen vornüber in den Schlund eines trockenen Flussbettes, um gleich darauf wieder über Felsklötze hinaufzukriechen. Zur Grenze nach Namibia sind es zwei Tage Bergetappe. Das Land ist zerfurcht von schmalen Kunene-Zuläufen. Die Geländewagen graben sich durch Flussbette und weiter auf engen Sandwegen immer tiefer in den Busch, vorbei an graugrünen Tümpeln, in denen Frauen baden und ihre farbenfrohen Tücher auf dunklen Steinblöcken schrubben. Die grollenden Ruacana-Fälle kündigen die Grenze an. 120 Meter jagt das braun-grüne Wasser fast senkrecht die Felsen hinab.

Angola ist ein Reiseziel. Auch wenn Angolas Wirtschaft immer noch unter den Folgen des Bürgerkrieges leidet. Mehr als die Hälfte der Bürger ist arbeitslos, fast drei Viertel leben unterhalb der Armutsgrenze. Doch dank seiner Bodenschätze – vorrangig der Ölvorkommen – gelang dem Land während der letzten Jahre ein großer wirtschaftlicher Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum Angolas ist momentan das größte in Afrika.

Was hatte Ricco, der Südafrikaner, gesagt: „Man darf keine Angst haben vor diesem Land.“ Er hat Recht. Wer von allen guten Geistern verlassen ist, sollte nach Angola fahren. Er wird viele von ihnen hier wieder finden.