Die Nüchterne

Niemand kann Antje Niewisch-Lennartz Geltungsdrang vorwerfen. Zwar hat die künftige niedersächsische Justizministerin manchmal als Richterin Aufsehen erregt, 2008 sogar mal bundesweit: Da führte sie den Vorsitz im ersten Verfahren zur Gewalttäter-Sport-Datei – und musste deren Rechtswidrigkeit feststellen.

Aber das lag an der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts Hannover. Und abgesehen von ihrem Engagement als Vizebürgermeisterin des Stadtbezirks Misburg-Anderten, der Friedbert Pflüger, Lena Meyer-Landrut sowie Zement hervorgebracht hat, überließ die 60-Jährige das politische Feld bislang ihrem Ehemann. Und der, Hans-Albert Lennartz, ist ein echter Grünen-Promi: Eng mit Jürgen Trittin, war mal Landeschef und zeitweilig hannöverscher Regierungspräsident. Seit 2009 ist er Asse-Geschäftsführer.

Freunde nennen ihn einen Netzwerker – Feinde einen Filzokraten. Erstmals wurde der Vorwurf laut, als seine Frau 1993 einen Referentinnen-Job beim Landesdatenschutzbeauftragten bekam. Dabei war daran nur auffällig, wie überqualifiziert Antje Niewisch-Lennartz war. Sie war ja schon Richterin in Kassel und zuvor Geschäftsführerin des Studentenwerks gewesen. Alles achtbar – und unspektakulär. Bis Montag hat sie gar ohne eigenen Wikipedia-Eintrag gelebt. Das ist nun vorbei, schon in der Nacht zu Dienstag tobte im Netz ein kleiner Krieg über die enzyklopädische Bedeutung ihrer Staatsexamens-Noten von 1979.

Das Justizministerium gilt als glanzlos. So konnte sich der scheidende Minister Bernd Busemann (CDU) erst in den letzten Tagen seiner Amtszeit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen – indem er sein Auto beschickert in eine Polizeikontrolle lenkte. Dass er dem Land bedenkliche Einrichtungen wie einen Privatknast ans Bein gebunden hatte, blieb dagegen unbemerkt. Mit den erheblichen Risiken jener Bremervörder Anstalt befasst sich fortan eine nüchterne Juristin. Fraglos eine gute Nachricht.  BES