Wildlife im Busch, Luxus am Beach

Welches Land hat schon beides: kilometerlange Traumstrände und wilde Tiere in unberührter Natur? Das südostafrikanische Land Mosambik will diesen strategischen Vorteil nutzen und den Tourismus zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige ausbauen. Am liebsten einen Tourismus für Reiche

von CONSTANZE BANDOWSKY

Schnell zischt das Motorboot über das Wasser. Es rast an Sportyachten und Fischerbooten vorbei, lässt den Palmen umsäumten Strand von Pemba schrumpfen, die Hotels, Häuser und Hütten. Weiße Schaumkronen tanzen über das Türkis des Indischen Ozeans, besprühen die erhitzten Körper in der tropischen Mittagssonne. Im Osten erstreckt sich das offene, tiefblaue Meer, am nördlichen Horizont zeichnet sich ein feiner Landstrich ab – das Horn des Teufels, a ponta do diablo, der Eingang zu einer der größten Buchten der Welt. A Baia de Pemba, die Bucht von Pemba, die fast so groß ist wie der Bodensee, gilt als eines der zahlreichen Naturwunder Mosambiks.

Wie aus einer anderen Welt gleiten die Dhaus über die Bucht. Perlmuttglänzende und umbrafarbene Dreiecke über dunklen Holzrümpfen. Mystische Objekte längst vergangener Zeiten, als Araber und Portugiesen hier emsigen Handel betrieben. Von nahem offenbaren die einfachen Boote jedoch ihre wahre Schäbigkeit, ihre Löcher, Flecken und viel zu dicht gedrängte Menschen, die von einem Ufer zum anderen wollen.

In das Fischerdorf Londo zum Beispiel, das zwischen Mangroven und scharfkantigen Felsen am nördlichen Ufer auftaucht. Eine Ansammlung kleiner Lehmhütten mit Palmdächern, bewacht von einem mächtigen Baobab. Der König aller afrikanischen Bäume speichert in seinem Stamm Wasser zum Überleben. Die Einwohner von Londo müssen ihr Trinkwasser jedoch aus der Distrikthauptstadt Pemba holen. Die Zivilisation hat die Landzunge noch nicht erreicht. Aber sie ist auf dem Vormarsch.

Wenige Kilometer weiter öffnet sich hinter einer Klippe eine Badebucht: feinster Muschelsand unter anthrazitfarbener Steilklippe, seichte Wellen über Korallenformationen. Acht Sonnenschirme aus Palmwedeln spenden Schatten auf der frisch angelegten Terrasse. Darum reihen sich hübsche Pavillons mit Strohdächern. Bald wird die Luxuslodge Londo ihre ersten Gäste empfangen. Ein holländisches Pärchen leistet im unerschlossenen Norden der Bucht von Pemba Pionierarbeit. Wenn Wasser- und Stromleitungen gelegt sind, werden andere Anbieter folgen.

„Mosambik verfügt über ein enormes Potenzial“, sagt René Breuer. Zum Sonnenuntergang sitzt der Marketingdirektor des Touristikunternehmens Rani Africa in der Niassa-Bar des Pemba Beach Hotels. Unter Elefanten-, Löwen- und Antilopentrophäen gönnt er sich einen Rotwein. „Wenn man das Geld hier gut anlegt, kann eigentlich nichts schief gehen.“

Rani Africa hat in Mosambik vier ausgezeichnete Standorte gesichert. Wie das Pemba Beach Hotel liegen alle am Indischen Ozean. Mit einer Safari-Logde am Viktoriasee im benachbarten Tansania bedient die internationale Gruppe alle Träume des großen Afrika-Abenteuers: kolonialer Flair, Exotik, Sport und Wellness, kombiniert mit Großwildsafari, Hochseeangeln oder Whale Watching.

Luxustourismus ist das Stichwort. Ein Urlaubsparadies für Wohlbetuchte, das Arbeitsplätze und Infrastruktur schafft, die Ursprünglichkeit und Exotik des Landes jedoch nicht anrührt. Eine fragwürdige Entwicklungsstrategie für ein Land, das zu den ärmsten Ländern gehört, in dem Aids und Analphabetismus extrem hoch sind und das von Dürre und Überschwemmungen geplagt ist.

Doch auch die Regierung in Maputo sieht die Zukunft des Landes im Tourismus. Sie will alle Segmente der Branche bedienen. Das Ökosystem des Landes und die kulturelle Vielfalt sollen dabei gesichert bleiben. Ein Balanceakt, der Weitsicht, Besonnenheit und eine Absage an die Korruption voraussetzt.

Das Land der Kontraste – mit diesem Motto wirbt die zaghaft entstehende Tourismusbranche um Besucher aus aller Welt. Mit seiner 2.700 Kilometer langen Küste und den vorgelagerten Inseln verfügt Mosambik über traumhafte Strände und spektakuläre Tauchgründe. Im unerschlossenen Landesinnern herrschen wilde Natur und exotische Tiere. Hinzu kommen historische Sehenswürdigkeiten aus der portugiesischen Kolonialzeit und die kulturelle Vielfalt der Völker. Diese Schätze will Tourismusminister Fernando Sumbana nutzen, um das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land zur wirtschaftlichen Blüte zu bringen.

Mit der Kombination Busch und Beach will er Mosambik zu einem der begehrtesten Urlaubsziele der Welt machen. Wer bisher nach Mauritius, Botswana oder auf die Seychellen flog, soll hier sein neues Urlaubsparadies entdecken. Der grenzenlose Friedenspark Limpopo im Dreiländereck Südafrika, Simbabwe und Mosambik zählt zu den großen Hoffnungsträgern der Regierung. Pemba im äußersten Norden des Landes ist eine von 26 strategischen Zonen des nationalen Entwicklungsplans. Nur 240 Kilometer von der Grenze zu Tansania entfernt, ist sie gerade für Europäer schneller erreichbar als die Hauptstadt Maputo gut 2.000 Kilometer weiter südlich. Auch die Region Quelimane in der Mitte der mosambikanischen Küste soll langfristig erschlossen werden.

Mannshoch steht das Schilf im sumpfigen Sambesidelta. Die Halme knistern, wenn der Einbaum sie zur Seite drückt. Das Wasser plätschert leise vom Paddel. Bootsmann Joazinho Guente hält inne. „Dort ist ein Krokodil“, flüstert der Bootsmann und zeigt mit dem Kinn voran. Ein Schatten huscht vom Ufer ins Wasser, Stromlinien glitzern auf der Oberfläche. Plötzlich erscheint eine breite Schneise im hohen Gras, die Spur eines Flusspferdes. Wer in seine Nähe kommt, muss um sein Leben fürchten. Doch der Fluss ist nah. Nur wenige Meter entfernt öffnet sich das Schilf und gibt den Blick frei. Der Sambesi fließt breit und träge auf das Meer zu. Pelikane kreisen. Eine Herde Hippos tanzt in der Ferne auf einer Sandbank. Das Sambesidelta gehört zu den unerschlossensten und ärmsten Regionen des Landes. Das ehemalige Hafenstädtchen Chinde ist nur per Boot zu erreichen.

Verfallene Kolonialbauten erinnern an die einstige Pracht britischer Herrschaft. Heute leben die Menschen von dem, was Acker und Fluss hergeben. Was übrig bleibt, verkaufen sie drei Tagesreisen per Kanu entfernt in Marromeu, einem sauberen Ort mit Verkehrsschildern, Strommasten und Landepiste. Die moderne Zuckerfabrik kurbelt die Wirtschaft der Umgebung an. Rund 6.000 Menschen haben hier Arbeit gefunden und konnten damit dem Kampf ums Überleben entfliehen. Die südafrikanischen Ingenieure hingegen vertreiben sich ihre Freizeit mit Schnellbooten auf dem Sambesi oder mit der Jagd im Büffelreservat Marromeu südlich der Flussmündung. Abenteuerfahrten auf dem Strom, über den David Livingstone mit seiner Expedition ins Innere des Kontinents gelang, bleiben Zukunftsmusik, sind aber nicht undenkbar.

Das Reisebüro Zambézia Travels in Quelimane nördlich des Deltas bietet bereits die Besichtigung der Zuckerrohrfabrik an. Ausflüge an den Stausee Cahora Bassa gehören ebenso zum Programm wie der Besuch des Gorongosa-Nationalparks oder der Insel Mosambik, die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden ist. „Der Süden ist fest in südafrikanischer Hand“, sagt Mario Bonifazi, Geschäftsführer von Zambézia Travels in Quelimane. „Gerade an der Grenze sind die Strände voll mit Campern und Billigurlaubern. Ab Beira gibt es fast nichts mehr, weil die Infrastruktur fehlt.“ Diese Lücke will Bonifazi mit Gruppen- und Individualreisen schließen. Durch seine langjährigen Erfahrungen als Entwicklungshelfer bei der Deutschen Welthungerhilfe führen seine Touren auch in Flüchtlingslager und zu Hilfsprojekten.

Humanitäre Hilfe statt Großwildsafari steht auf seinem Programm, aber internationale Großinvestoren werden die unberührten Strände in der Mitte des Landes bald für sich entdecken. Vorher muss jedoch die Brücke über den Sambesi wieder aufgebaut werden, müssen die Lehmpisten durch ein stabiles Straßennetz ersetzt werden. „Der Tourismus kommt mit den Straßen“, meint Bonifazi und hofft, dass der Staat beim Aufbau der Branche die Fehler anderer Destinationen vermeiden wird.