"Tatort" aus Hannover: Sniper, ick hör dir trapsen

Mord und Medienkritik: Kommissarin Charlotte Lindholm hat es mit einem Sniper zu tun. Und Passanten, die per Handy den Tatort filmen. (So 20.15 Uhr, ARD)

Schöner Titel: "...…es wird Trauer sein und Schmerz". Bild: ndr/marc meyerbröker

Jeder stirbt für sich allein: Diese Aussage hat im Zeitalter von Handyfilmchen und Videoseiten im Netz ihre Wahrheit eingebüßt – jedenfalls wenn man diesem "Tatort" glaubt, in dessen Mittelpunkt ein Internetfilm über einen tödlichen Verkehrsunfall steht. Auf das Youtube-Dokument stößt Ermittlerin Lindholm (Maria Furtwängler) bei ihren Untersuchungen zu einer Reihe von Sniper-Morden. Die grob gepixelten Bildern, die eine Massenkarambolage auf der Autobahn zeigen, dokumentieren die traurigsten Auswüchse menschlicher Sensationsgier: Alle gaffen, niemand hilft.

So ist es auch, wenn die Ermittlerin die Tatorte betritt, an denen der Sniper seine scheinbar wahllos ausgesuchten Opfer hingerichtet hat: Da hängt dann schon immer eine Traube von Passanten rum, die mit dem Handy die Crime-Scene checken. Doch wer die Welt ständig als Setting für sein eigenes Videos sieht, der kann schon mal den Überblick zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlieren.

Homevideo kills Humanity? Ein großes Thema haben der Regisseur Friedemann Fromm ("Die Wölfe") und die Krimiautorin Astrid Paprotta ("Feuertod") mit ihrer ersten gemeinsamen "Tatort"-Produktion angepackt. Doch die Verknüpfung der Sniper-Morde mit der Medienkritik geht nicht wirklich auf, und das am Ende ausgerechnet die Produzentin der Sensationsvideos nach dem Motto !die Geister, dich ich rief" ins Fadenkreuz des Scharfschützen gerät, ist eine riskante moralische Zuspitzung.

Dabei geht der Film so gut los: Als LKAlerin Lindholm nämlich dem Braunschweiger Dezernatsleiter Kohl (grandios unsympathisch wie eh und je: Felix Vörtler) vor die Nase gesetzt wird, murrt dieser nur ironisch: "Und sie denken sich jetzt ins Gehirn des Snipers rein?"

Umso besser, dass anfänglich gerade auf die übliche Sniper-Folklore verzichtet wird. Statt importierten Profiler-Sprech zu rezitieren, sondiert Lindholm lieber die sozialen Zusammenhänge. Schade nur, dass schließlich dann doch die aus US-Serienkillerthrillern bekannten Zitatbotschaften auftauchen und die Kamera ständig wackelnd aus der Heckenschützenperspektive Unruhe verbreitet. Damit auch der Blödeste sagen kann: Sniper, ick hör dir trapsen.

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