Nach Einknicken vor Rechten: Oldenburg lässt Antifa-Vortag doch zu
Weil die NPD einen Vortrag der Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke stören wollte, sagte die Stadt die Veranstaltung ab. Erst auf Druck der Öffentlichkeit nimmt sie sie wieder ins Programm.
Die Stadt Oldenburg hat es am Montag gerade noch geschafft, mit der Revision einer Entscheidung eine Blamage abzuwenden. Das Ergebnis: Die Stadt, die derzeit verkrampft an ihrem Image als weltoffene Metropole feilt, muss sich nun doch nicht nachsagen lassen, die rechtsextreme NPD bestimme ihren Veranstaltungskalender.
Am frühen Nachmittag verschickte das Pressebüro eine dürre Mitteilung darüber, dass der für Mittwoch angekündigte Vortrag "Ohne Frauen funktioniert gar nichts mehr in der Szene" der vielfach ausgezeichneten Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke "wie geplant" durchgeführt werde, allerdings nicht im Stadtmuseum, sondern im Kulturzentrum PFL.
Bis zu dieser Mitteilung hatte es so ausgesehen, als sei der nicht besonders aktive NPD-Unterbezirk mächtig genug, die Stadt mit einer auch noch vergleichsweise sachten Ankündigung nervös zu machen.
ist Diplom-Politologin und recherchiert und schreibt als freie Journalistin über Rechtsextremismus.
Von der rechten Szene wird sie wegen ihrer Arbeit unverhohlen bedroht und wurde auch schon körperlich angegriffen.
Sie hat nachgewiesen, dass die neue Rechte immer stärker versucht, junge Familien und Frauen für ihr menschenfeindliches Weltbild zu gewinnen.
Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2007 mit dem "Leuchtturm"-Preis des Netzwerks Recherche und dem Preis "Das unerschrockene Wort" des Bundes der Lutherstädte.
Morgen spricht sie um 20 Uhr im Oldenburger Kulturzentrum PFL über rechtsextreme Frauen.
Die der Linkspartei nahe stehende Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte Andrea Röpke, die auch für die taz arbeitet, zu einem Vortrag über Frauen in der rechtsextremen Szene eingeladen. Das städtische Frauenbüro war Mitveranstalter, das Stadtmuseum stellte seinen Veranstaltungssaal zur Verfügung, der Vortrag sollte im Rahmen einer derzeit laufenden Ausstellung zum Frauenwahlrecht stattfinden.
So weit schien alles klar zu sein – bis die Rosa-Luxemburg-Stiftung darüber informiert wurde, dass Stadtmuseum und Frauenbüro Andrea Röpke wieder ausgeladen hatten.
Das hatte eine Gesprächsrunde am Freitag vereinbart, in der ein Vertreter der Oldenburger Polizei, die Büroleiterin des Oldenburger Oberbürgermeisters Fritz Schwandner und die Leiterin des Frauenbüros beisammen saßen – und die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Hauptveranstalterin nicht geladen war.
Anlass für die Gesprächsrunde war "eine gewisse rechts-links-Problematik", wie es Oldenburgs Polizeisprecher Markus Scharf ausdrückt, der sich konkret nur an eine Aufforderung der Oldenburger NPD erinnern kann, Röpkes Vortrag mit Hilfe einer in der Szene erprobten "Wortergreifungsstrategie" zu stören.
Die NPD hatte ihre "Kameradinnen und Kameraden" auf ihrer Internetseite dazu aufgerufen, "sich in neutraler Kleidung unter die Besucherinnen zu mischen und die Veranstaltung in unserem Sinne zu beeinflussen".
Und die Linken? Hinweise auf etwaige Gegeninitiativen hatte Scharf gestern nicht, nur "im Hinterkopf" habe er davon etwas mitbekommen. Die Polizei habe daraus aber nicht die Empfehlung abgeleitet, die Veranstaltung abzusagen, sagt Scharf. Sie habe lediglich Eingangskontrollen empfohlen, um störwillige Besucher erst gar nicht in den Saal zu lassen.
Scharf habe den Anwesenden aber auch versichert, dass die Polizei die Veranstaltung schützen werde, sollte sie stattfinden. Warum die Stadt den Vortrag dann kurzerhand absagte und so Gefahr lief, der NPD ein Vetorecht zuzubilligen, konnte am Montag nicht geklärt werden – der städtische Pressesprecher war wie so oft nicht zu sprechen, und mehr als die vierzeilige Mitteilung gab es von Seiten der Stadt nicht.
Andrea Röpke, die erst unlängst vom Bund der Lutherstädte mit dem Preis "Das unerschrockene Wort" ausgezeichnet worden war, fand die Absage "verwunderlich". Sie ist es gewohnt, dass Rechtsextremisten versuchen, ihre Vortragsabende zu stören, hat aber "Abende schon unter wesentlich prekäreren Sicherheitseinschätzungen ausgerichtet".
Sie selbst würde aber nie einen Vortrag absagen, auch weil sie sich fragt, welche Symbolik davon ausgeht – eine Frage, die man sich am Freitag in Oldenburg offenbar nicht gestellt hat.
Erst als mehrere Medien recherchierten, sich Oldenburger Ratspolitiker empört über den Schlingerkurs der Stadt äußerten und sich Vertreter der Kirchen sowie des Oldenburger Bündnisses gegen Rechts darum bemühten, den Vortrag auch ohne Beteiligung der Stadt stattfinden zu lassen, soll Oberbürgermeister Schwandner nach Informationen des NDR interveniert haben. Seitdem darf Röpke wieder in Räumen der Stadt über die rechte Szene referieren.
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