IM SPREEWALDBAD
: Wie Schiffe

Alles schön undeutlich ohne Kontaktlinsen

Föhnen im Spreewaldbad: 5 Cent. Bevor man in den Genuss dieses billigen Gebläses kommt, hat man mehrere Abläufe durchschritten. Man hat eine Eintrittskarte gekauft, musste in Straßenschuhen durch die Zone gehen, die man nach dem Ablegen der Straßenkluft, dem Anlegen einer Badetracht und dem Münzeinwurf erneut, aber nun barfuß durchstreift, um über ein unwirtliches Treppenhaus ins Parterre zu kommen, wo sich Duschen, Saunen und eben das Bad befindet.

Das Spreewaldbad ist keine Schönheit, nicht innen, nicht außen, aber besser als sein Ruf. Es mag kurz komisch sein, dass die Dealer am Eingang des Görlitzer Parks oder die Touris auf dem Spreewaldplatz durch die verbutzten Scheiben den Halbnackten beim Staksen Richtung Becken zugucken. Aber man gewöhnt sich schnell daran. Man gewöhnt sich auch an den Anblick der anderen Halbnackten, Kinder, Mütter, Männer mit Bierbauchansätzen, junge Frauen mit Tätowierungen, Männer mit Brusthaar, junge Männer ohne. Wölbungen, Rundungen, Ausbuchtungen, Formen, Unförmigkeiten. Eine gelbe Mutter. Ein Menschenschwarm.

Unter Wasser sehen sie aus wie Schiffe. Alles ist so schön undeutlich ohne Kontaktlinsen. Die meisten Schwimmenden halten sich an die Abläufe, sind sehr diszipliniert, sie ziehen einsam ihre Bahnen, wenden wie im Unterricht gelernt, sehen zu, dass sie niemandem begegnen im Wasser, und wenn, dann umschwimmen sie weiträumig.

Ich hingegen bin Kurzstreckler. Ich haste eine Bahn lang, manchmal zwei, dann muss ich verschnaufen. Und wieder von vorn. Ich glaube, ich schaffe insgesamt trotzdem mehr als die meisten.

Nach einer Dreiviertelstunde laufen die Abläufe rückwärts ab. Duschen, Treppe, Barfuß, Badehose, Münzentnahme, Ankleiden. Und endlich sitzt man unter dem Föhn. 5 Cent. RENÉ HAMANN