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ÖkosündenWeihnachtsmärchen von VW

In Emden will der Volkswagen-Konzern 40 Hektar "Energiewald" pflanzen, in Braunschweig lässt er 90 Hektar alten Bäume abholzen - Umweltschützer sind empört.

Droht bald auch im Querumer Forst: Abholzung Bild: dpa

Die PR-Manager von VW sorgen gerne für ein grünes Wohlfühlklima. Deshalb lancieren sie Schlagzeilen wie diese: "VW-Werk Emden pflanzt Bäume für einen Energiewald". Durch Verheizen der Biomasse will der Konzern die "CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren". Nicht recht dazu passen will ein anderes Vorhaben der Autobauer: Demnächst lässt die Volkswagen AG für eine Startbahnverlängerung am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg 90 Hektar Wald abholzen - damit ihre Manager ohne Verspätung nach Asien brummen können. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und mehrere Bürgerinitiativen werfen dem Konzern Doppelmoral vor.

Konzernsprecherin Ines Roessler findet die Aufrechnung "echt ungerecht": Das eine habe mit dem anderen gar nichts zu tun. "In Emden handeln wir", sagt sie, für die Pistenverlängerung in Braunschweig sei dagegen "allein die Flughafengesellschaft zuständig" - an der VW 35, 6 Prozent der Anteile hält. Den Rest halten die Städte Braunschweig (42,6) und Wolfsburg (17,8) sowie die Kreise Gifhorn und Helmstedt (je 2 Prozent). Dort wohnt das Gros der VW-Arbeiter.

Für die Naturschützer geht es um das Überleben des Querumer Forstes, des größten zusammenhängenden Waldgebiet in Braunschweig. Das Areal umfasst 60.000 Bäume, eines teils über 200 Jahre alten Wald aus Eichen und Hainbuchen, der als FFH- und EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist.

Für die Betreibergesellschaft des Flughafens geht es vorgeblich um die Zukunft des Forschungsstandortes Braunschweig: Das am Flughafen ansässige Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) plant Experimente mit einem Airbus 320. Ohne Pistenverlängerung würden solche Forschungsvorhaben aus Braunschweig abgezogen, behauptet Reinhard Manlik, CDU-Ratsherr in Braunschweig und Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft.

Im ersten Raumordnungsverfahren war 2003 davon noch keine Rede. Damals begründete Braunschweigs Magistrat den Flughafenausbau mit "Touristik" und "Linienverkehr". Die Begriffe "Werksverkehr" und "Forschung" tauchten erst 2007 auf, im zweiten Planfeststellungsverfahren, das die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr abnickte.

In dem Dokument ist auch nachzulesen, wer wirklich von der Startbahnverlängerung profitiert: Demnach geht der Flugbetrieb in Braunschweig zu rund 80 Prozent auf das Konto von VW. Konzernsprecherin Roessler zufolge sind es nur "17 Prozent". Da kann Uta Ernst von der Bürgerinitiative nur lachen. Auf diese Zahl komme, wer "alle Privatflüge zum Beispiel mit dem Segelflugzeug" herausrechne.

Ein Klage der Naturschützer vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg wurde im Sommer abgewiesen - obwohl, laut Gerichtsprotokoll, ein VW-Vertreter auftrat und vortrug, dass die Pistenverlängerung für die Langstreckenflüge des Top-Managements unerlässlich sei. Schließlich könne man doch nicht in Hannover abfliegen - dort hat VW einen eigenen A 319 stationiert.

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12 Kommentare

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  • D
    dirk

    Die Flughafengesellschaft u.a VW argumentieren

    mit den Ausgleichsflächen die entstehen werden.

    Dass diese geschehen darf allerdings bezweifelt werden.

    Die Ersatzpflanzungen für den Querumer Forst stehen nach Auftauchen entsprechender Dokumente nämlich unter dreierlei Vorbehalt:

     

    1. Vorbehalt: Ersatz auf ca. 200 Teil-Kleinstflächen, verstreut über fünf Landkreise und Stadtregionen.

     

    Auf 30 Seiten Exceltabelle sind die Klein- und Kleinstflächen ausgewiesen worden, auf denen später Baumpflanzungen überhaupt möglich wären die Liste kann im BIBS-Fraktionsbüro Braunschweig angefragt werden und wird gern zur Verfügung gestellt);

     

    2. Vorbehalt: ein zeitlicher Vorbehalt wurde in der letzten Bezirksratssitzung Bienrode/Waggum/Bevenrode vom 3.11.2009 bekannt. Da wird wörtlich im Protokoll Herr Köhler vom Fachbereich Stadtplanung und Umweltschutz zitiert: "Die Umsetzung der Ausgleichsflächen für die Erweiterung des Flughafens soll 3 Jahre nach Maßnahmebeginn erfolgen."

     

    3. Vorbehalt: ein finanzieller Vorbehalt, der überhaupt jegliche Ersatzpflanzung unwahrscheinlich werden läßt. Es taucht in einem Landtagspapier der CDU-Fraktion eine sog. Ersatzzahlung auf. Demnach rühmt sich CCDU/FDP in Niedersachsen, "die Möglichkeit einer Ersatzzahlung" geschaffen zu haben: "Der Landtag hatte die Möglichkeit einer Ersatzzahlung geschaffen, wenn bei Baumaßnahmen oder anderen Eingriffen in Natur und Landschaft ein Ausgleich oder Ersatz in der Natur nicht möglich ist."

     

    (Pressemitteilung David McAllister vom 18.05.2009)

     

    Da im einzelnen auch "zu hohe Kosten" als Grund an anderer Stelle genannt ist, dürfte im Falle der Abholzung des Querumer Forstes nicht nur ein ganzes Wald-Biotop, sondern auch die Wahrscheinlichkeit irgendwelcher "Ersatz-Bäume" sehr unwahrscheinlich sein.

  • S
    Silke

    Ich bezweifle, dass die Verantwortlichen für das anstehende Wald-Massaker jemals selber wirklich den betroffenen Wald aufgesucht haben: ein regelrechter Urwald, große alte Eichen und Buchen, moosbewachsen, verwunschen, tote Bäume dazwischen, im Frühling voller Maiglöckchen; bewohnt von Spechten, Fledermäusen, Dachsen, Siebenschläfern, Amphibien und vielem mehr. Heute habe wir dort vor einem Baum gestanden, in dem im Sommer eine Siebenschläferfamilie gewohnt hat; die halten jetzt Winterschlaf, vermutlich im Boden darunter. All diese Tiere werden also in ca. 10 Tagen der Vernichtung preisgegeben, zermalmt, ihr Lebensraum unwiderbringlich zerstört. Was können wir unseren Kindern Wertvolleres bewahren, als die Natur, von der wir alle abhängen, der sprichwörtliche Ast auf dem wir sitzen. Auch VW-Manager haben Kinder. Was für eine Welt wollen sie diesen hinterlassen, was zählt und hat Bestand? Man kann es eigentlich nicht fassen, das so eine Wahnwitzigkeit in einer Zeit, in der Klimaschutz, Waldschutz und die Bedeutung von Wald für Klima und CO2-Reduktion immer bedeutender werden, tatsächlich durchgezogen wird! Haltet ein und stoppt den Wahnsinn!!!

    Eindrücke vom betroffenen (Noch-)Wald unter http://picasaweb.google.de/Wolfgang.Buechs/FlughafenBraunschweigWolfsburg60000BaumeSollenFurVWDLRFallenSBraunschweigerZeitung#

  • M
    Marion

    Mich wundert doch sehr, wie still Lungenfachärzte und Selbsthilfegruppen von Lungenerkrankten und deren Angehörige bleiben bei einem Verlust eines solchen Waldgebietes. Die Luft in Braunschweig und Umgebung ist nicht mehr besonders gut. Es gab auch schon Fälle von Smog-Alarm in Braunschweig. In Gifhorn hingegen ist die Luftqualität noch erträglich. Es muß ja nicht gleich ein Luftkurort Braunschweig sein, eine weitere Verschlechterung unserer Atemluft sollten wir uns jedoch nicht gefallen lassen, oder möchte jemandt demnächst mit einer Sauerstoff-flasche herumlaufen. Das treibt im übrige die Kosten für die Krankenkassen in die Höhe. Aber vielleicht macht das alles ja gar nichts, da es eh nur ums schnöde Mammon geht.

  • J
    Jürgen

    Entgegen allen offiziellen Beteuerungen zum Schutz der Umwelt sollen in Braunschweig Anfang Januar 2010 in einem Natura-2000-, Vogelschutz- und FFH-Gebiet 60.000 Bäume einer beabsichtigten Verlängerung der Start- und Landebahn des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg zum Opfer fallen.

     

    Nutznießer dieses Vorhabens ist die Volkswagen AG, die statt vom benachbarten Flughafen Hannover von Braunschweig aus mit eigenen Flugzeugen zu gelegentlichen non-stop Ultralangstreckenflügen starten möchte.

     

    Der NABU hat gegen das Vorhaben erfolglos geklagt. Da das Anliegen der Volkswagen AG offenbar wenig vermittelbar erschien, hatte das Gericht - wie in ähnlichen Fällen - ein überwiegendes öffentliches Interesse und dazu Forschungsflüge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Standort Braunschweig, in seiner Klageabweisung angeführt.

     

    Das DLR hatte angegeben, bis zu sechs Forschungsflüge pro Jahr zu planen, für die eine längere Startbahn benötigt werde. Auch diese Flüge können jedoch vom benachbarten Flughafen Hannover aus durchgeführt werden.

     

    Letzten Endes würden DLR und VW mit der Startbahnverlängerung ein wenig mehr Bequemlichkeit gewinnen. Dem steht der Verlust von 60.000 und teils über 200 Jahre alten Bäumen in einem "alten" Eichen- und Hainbuchenwald gegenüber.

     

    Die Verantwortlichen lernen weiterhin nichts dazu und beuten aus, wo sie nur können!

  • KK
    Kritischer Konsument!

    Auch hier zeigt sich wieder: Profit vor Nachhaltigkeit und Verstand!!! Betonieren wir doch einfach den Rest Grün, der dummerweise in unserem Land noch übrig ist zu und erzählen dann unseren Kindern, dass wir leider nichts dafür können, dass es keine Wälder mehr gibt, in denen wir spielen können. Das passiert dann in Zukunft eben nur noch auf der Video-Konsole...

    Schade, dass meistens auch die großen Medien dieses Spiel mitspielen, oder hat schon jemand einen vw-kritischen Bericht in der Tagesschau gesehen oder im Spiegel gelesen?

  • B
    Bruno

    Den VW-Managern sollte klar sein, dass die Vernichtung eines ganzen Waldes nicht geräuschlos zu machen sein wird. Jeder fallende Baum (insgesamt 60.000!) wird auch eine Kaufentscheidung beeinflussen.

  • LW
    Los Wanderos

    Typisches Verhalten. Umweltschutz? Natürlich, gerne, immer! Nur nicht dann, wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind. Und das gilt nicht nur für VW, sondern auch für Braunschweig. Damit das Forschungsvorhaben und entsprechende Gelder und Prestige nicht gehen, wird halt ein Quadratkilometer (!) alter Wald weggesägt.

  • W
    Wilma

    Günter Damme, Umweltschutzbeauftragter von VW:

    .....Wir haben uns als Leadership Unternehmen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet,

    z.B. dass wir das Thema Artenschutz mit in unsere Prozesse einbeziehen, in unseren

    aktiven Umweltschutz im Unternehmen, dass wir an unseren Standorten z.B. Risikoanalysen durchführen, wo eventuell Arten durch uns gefährdet sein könnten und dann Maßnahmen ergreifen, daß dies nicht geschieht.......

    www.volkswagen.de/vwcms/master_public/vi...nschaftsaufgabe.html

     

    Ja, liebe VW Verantwortlichen: jetzt könnt Ihr beweisen, dass das nicht nur leere und werbewirksame Worthülsen sind!

  • A
    Axel

    Ich bin wirklich ziemlich enttäuscht von Volkswagen! Solche Tricksereien hätte ich dem Konzern nicht zugetraut.

    Beim nächsten Autokauf werde ich mich daran erinnern!

  • R
    Ravenbird

    Da sieht man mal wieder wo die Glocke hängt! Einmal mehr werden private und wirtschaftliche Begehrlichkeiten über den Naturschutz gestellt. Wieder einmal wird auf die Natur, die Grundlage unseres Lebens, keinerlei Rücksicht genommen. Und die Gerichte und Kommunen befördern ein solches Vorgehen auch noch! Pfui!

  • J
    Juergen

    Volkswagen hätte die Möglichkeit, sofort etwas zu tun, um diesen Frevel am der Natur zu verhindern! VW könnte sich öffentlich für die Erhaltung des Waldes (Querumer Forst) einsetzen, um ihren Anspruch als "Umweltweltmeister" gerecht zu werden.

    Das würde VW zum Thema "Ökonomie und Naturschutz" wieder deutlich glaubwürdiger machen!

    Also liebe VW-Verantwortliche nutzt Euren Einfluss bei der Flughafengesellschaft und stoppt diese Katastrophe.

  • T
    Tommy

    Überumweltschutz redet man ja nur weil es "in" ist und gut aussieht. Das bei großen Konzernen Geld und Macht immer an erster Stelle kommen und Umweltschutz nur aus PR Gründen recht weit hinten auf der Lsite steht, sollte sowieso jedem klar sein. Ich versteh auch nciht wieso die Manager nicht mit nem Learjet nach Asien fliegen, sondern gleich ein Airbus brauchen. Nur weil man dann unterwegs nochmal tanken muss? Ist doch n Witz