Kinderschutz: Der Bezirk klingelt drei Mal

Der Bezirk Mitte startet sein Baby-Begrüßungsprogramm. Besuchen will man alle jungen Eltern. Wie man mit denen umgeht, die sich entziehen, ist noch unklar.

Besuchen lassen will das Bezirksamt Mitte alle Neugeborenen und ihre Eltern - von der Mütterberatung. Bild: dpa

Wer im neuen Jahr ein Kind bekommt und im Bezirk Mitte gemeldet ist, könnte sehr bald Besuch vom Bezirksamt bekommen. Im Rahmen des in Hamburg einmaligen Baby-Begrüßungsprogramms suchen Mitarbeiter der Mütterberatung junge Familien mit einem Willkommensbrief auf. "Dann gibt es ein nettes Gespräch und die Eltern werden darüber aufgeklärt, welche Angebote es gibt", sagt Bezirksamtssprecher, Lars Schmidt. Danach könnten die Eltern selbst entscheiden, ob sie weiteren Kontakt mit den Beratern möchten.

Hintergrund des Programms ist der Fall des verhungerten Babys Lara im März 2009. Es war nicht der erste Tod eines vernachlässigten Kindes in Hamburg, allerdings schlug dieser besonders hohe Wellen. Der für die Betreuung zuständige Allgemeine Soziale Dienst (ASD) wurde in den darauf folgenden Monaten scharf kritisiert, gegen die verantwortliche Sozialarbeiterin wurde ermittelt.

Um der Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern vorzubeugen, bedient sich das Bezirksamt Mitte deshalb einer Idee aus dem nordrhein-westfälischen Dormagen. Dort wurde vor drei Jahren das so genannte Baby-Begrüßungspaket "Willkommen im Leben" eingeführt. Alle Eltern, die der Beratung zustimmen, werden dabei von Mitarbeitern des Jugendamtes über Themen wie Betreuung, gesundheitliche Vorsorge oder Elternzeit informiert. Seitdem habe sich nicht nur das Image des Dormagener Jugendamtes zum Positiven gewandelt, teilt die Behörde mit. Auch die Zahl der Kinder, die aus ihren Familien genommen wurden, sei stark gesunken.

Weil dem Wort Jugendamt ein gewisses Stigma anhaftet, soll die Mütterberatung die ersten Hausbesuche übernehmen. "Natürlich machen sich die Mitarbeiter auch ein Bild von der Wohnung", sagt Sprecher Lars Schmidt. Nur wenn dieser Eindruck besorgniserregend sei, würde das Jugendamt eingeschaltet.

Drei Versuche unternehmen die Berater, um die Eltern zu Hause anzutreffen. Wie das Bezirksamt mit Familien umgeht, die vergeblich besucht wurden, kann die Behörde noch nicht sagen. Auch nicht, was mit jenen Eltern passiert, die - aus Angst oder Scham - einen Hausbesuch ablehnen. "Wie es im Einzelnen umgesetzt wird, werden wir dann sehen", sagt Schmidt.

Die Sozialbehörde wartet solange mit Interesse auf die ersten Ergebnisse des Programms vom Bezirk Mitte. "Wir werden das beobachten", sagte Sprecher Rico Schmidt am Montag. "Grundsätzlich gibt es bereits ganz ähnliche Angebote in der Stadt", sagte er. So richten sich beispielsweise das Projekt "Frühe Hilfen in Altona" oder das Willkommenspaket des Hamburger Kinderschutzbundes ebenfalls an junge Familien. Die Sozialbehörde frage sich zudem, wie der Bezirk das nötige Personal für die Hausbesuche aufbringen will.

Laut dem Bezirksamt Mitte sollen die Mitarbeiter der Mütterberatung von so genannten Asklepios-Rückkehrern unterstützt werden. Das sind ehemaligen städtische Angestellte, die auf alle Bezirke verteilt würden. "Dadurch können wir das Programm kostenneutral durchführen", sagt Lars Schmidt.

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