Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Der erste abendfüllende Farbfilm Japans entstand 1950 in Fujicolor, einem chemischen Umkehrfilm vergleichbar den bereits zuvor entwickelten Verfahren von Agfa und Eastman-Kodak. Doch so ganz ausgereift war das alles damals noch nicht, weshalb „Karumen kokyo ni kaeru“ (Carmen kehrt in die Heimat zurück) auch fast ausschließlich aus Außenaufnahmen besteht. Innen bekam man die Farben nicht hin. Die vergnügliche musikalische Satire erzählt von einem Clash der Kulturen: Die Striptease-Tänzerin Carmen macht gemeinsam mit einer Kollegin Urlaub in ihrem Heimatdorf und mischt dabei die traditionell geprägte Welt des provinziellen Örtchens gehörig auf. Das schlägt sich natürlich auch in der Farbdramaturgie nieder: Die gedeckten Grün- und Brauntöne des Spätsommers in einer ländlichen Gegend kontrastieren mit den satten Rots und Gelbs der Kleider der beiden schrillen jungen Damen. Allerdings verliefen auch die Aufnahmen in der Natur nicht ohne erhebliche Probleme: Anfang September verwelkte das Laub derart rasch, dass – wie sich die Hauptdarstellerin Hideko Takamine später erinnerte – die Bäume immer wieder mit grüner Farbe besprüht werden mussten. Zu sehen ist Keisuke Kinoshitas heiterer Film, der die Amerikanisierung der japanischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Schippe nimmt, in einer umfangreichen Retrospektive der Werke des Regisseurs, die im Arsenal noch bis Ende des Monats läuft. ((OmenglU) 19. 2., Arsenal 2)

Von einem Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Sphären erzählt auch Aleksander Sokurow in „Alexandra“ (2007): Eine alte Frau (Galina Wischnewskaja) besucht ihren Enkel in einem russischen Militärcamp im tschetschenischen Krisengebiet und registriert dabei sehr konzentriert die dortige Atmosphäre. Es ist die Routine von jungen Männern, deren Leben allein aus Waffen und Langeweile besteht. Aber auch sie beobachten Alexandra sorgsam, denn sie erscheint ihnen als Botschafterin aus einer Normalität, die sie entbehren und fast schon nicht mehr kennen. In ausgewaschenen Farben und mit einer sehr sorgfältig durchkomponierten Tonkulisse inszeniert Sokurow einen Kriegsfilm ohne Kampfhandlungen: Hier zeichnet sich der Krieg in der Seele der Menschen ab. Dabei ist das gegenseitige Verstehen von Menschen mit einem ähnlichen Lebenshintergrund eigentlich ganz einfach: Als Alexandra am Ende wieder nach Hause fährt, stehen einige tschetschenische Frauen, die sie beim Besuch auf einem Markt kennen gelernt hat, am Bahnhof und winken zum Abschied. Doch im Gegensatz zu Alexandra werden sie in ihren Ruinen bleiben müssen. ((OmU) 14. 2, 17. 2., 21. 2., Kino Krokodil)