piwik no script img

Eltern reagieren auf Kindergelderhöhung"Die Regierung betrügt unsere Kinder"

Die jüngste Erhöhung des Kindergelds war überflüssig, kritisiert eine Elterninitiative. Nun spenden sie den Differenzbetrag, um die Kitas und Schulen ihrer Kinder zu verbessern.

Die Kindergelderhöhung spenden – gut oder schlecht? Bild: naliaschwarz/photocase

taz: Herr Mittler, Sie verwenden die 20 Euro, die Ihnen die Regierung jetzt jeden Monat als erhöhtes Kindergeld schenkt, nicht für Ihre eigene Familie, sondern spenden es der Kita Ihrer Tochter. Warum?

Daniel Mittler: Die Kindergelderhöhung ist unsinnig, die meisten Eltern haben das Geld nicht nötig. Gleichzeitig fehlt es aber in den Kitas und Schulen an allen Ecken und Enden. Und diejenigen, die es wirklich brauchen - Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel -, haben gar nichts davon, weil es ihnen von den anderen staatlichen Leistungen wieder abgezogen wird.

Betrügen Sie nicht Ihre Tochter?

Nein, die Regierung betrügt unsere Kinder. Die 4,2 Milliarden Euro erhöhtes Kindergeld fehlen bei der Bildung. Aber genau da gehört das Geld hin. Auch für die Zukunft meiner Tochter.

Sie haben Ihre Aktion im Internet bekannt gemacht. Haben sich schon Eltern gemeldet?

Der Aufruf stand kaum im Netz, und schon hatten wir Briefe und Kommentare von Eltern aus der gesamten Bundesrepublik. Die geben jetzt die 20 Euro an Kitas, Schulen und andere Kinderprojekte in ihrer Umgebung. Aber auch Organisationen, die sich für Kinderrechte einsetzen, wie der Kinderschutzbund und das Berliner Kita-Bündnis, profitieren von unserer Aktion.

Welche Wirkung wird Ihre Aktion haben?

Wir wissen, dass wir damit das generelle Problem, dass der Staat unsinnige Geschenke verteilt, statt sie in Bildung zu investieren, nicht lösen können. Uns kommt es daher auf den symbolischen Akt an: Wir sagen Nein zu einer unsinnigen Politik. Und wir zeigen, dass es uns ernst ist, indem wir das Geld nicht für uns behalten. Wir wollen politischen Druck ausüben. Es muss eine Wende in der Familienpolitik geben: Weg von der Geldverteilung per Gießkannenprinzip und hin zu sinnvollen Investitionen.

Wie können Eltern bei Ihnen mitmachen?

Einfach auf unsere Homepage kindergeld-richtig-investiert.de gehen, einen Leserbrief schreiben und per Kommentar sagen, wohin das Geld gehen soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • JM
    Jürgen Müller

    Soweit ich weiß investieren die skandinavischen Länder den selben Prozentsatz ihres BIP wie die BRD in "Bildung" und deren Institutionen, allerdings DIREKT. In D. kriegen die Eltern das Geld in die Hände, wodurch es oft falsch ausgegeben wird, desweiteren sind alle Bildungseinrichtungen chronisch unterfinanziert.

    Das Geld sollte der Staat direkt in die "Bildung"(Kita, Kindergarten, Schule, Hochschulen, Forschung) investieren, was in Deutschland als DDR 2.0 aufgefasst werden würde, weil der Einzelne im Vergleich zum bösen Staat ja so super mit Geld umgehen kann und es ganz ganz sicher schön für die Bildung seiner Kinder und nicht für hohlen Konsum ausgeben wird..

     

    mfg

  • HK
    Hausmeister Krausse

    Steuern "senken" im Bund, Abgaben und Gebühren erhöhen in der Kommune. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, das Familien mit Kindern ab einer bestimmten Einkommensgrenze davon profitieren werden.

    Also die 20 € KG spenden um irgendwie auf politisches "Versagen" aufmerksam zu machen halte ich für unbrauchbar bzw. ist eine Kapitulation vor dem Hintergrund, das Politik nicht mehr für die Menschen da ist, sondern der Mensch für die Ziele der Politik. Welche Ziele fragt da wer?

    Banken spielen mit Risiken an den Weltbörsen, wo nach dem nächsten Crash keiner mehr fragt, ob Du noch die 20 € mehr KG für dein Kind erhältst.

    Politiker spielen systemrelevant mit und pumpen Unsummen u.a. in Landesbanken, die zweckentfremdet Geld in zwielichtige Projekte geschleust haben. Die Frage die zu stellen wäre ist, für wie lange wir ein politisches System noch unterstützen, das uns erzählt, wieviel doch seit Jahren für Bildung ausgegeben wird, wir aber intuitiv feststellen, das wir tagtäglich auf frei gewählte, schamlose Art und Weise anusgezehrt werden.

  • J
    Jojo

    Hat Mal jemand daran gedacht , dass Kinder besonders in der Krippe und im Kindergarten die Chance haben auf ca. das gleiche Ausgangsniveau für die Grundschule zu kommen? Es ist immer schwieriger in der Grundschule mit dem Unterricht zu beginnen, da die meisten Grundschüler (sprachlich aber auch in in sozialen Kompetenzen(z.B.: Fähigkeit in einer Gruppe zu lernen))gar nicht Unterrichtsfähig sind.

    Krippe und Kindergarten sind demnach gerade für Geringverdiener und Kinder ausländischer Mitbürger die oft einzige Chance auf eine Art Chancengleichheit. Deshalb bin ich auch dafür das Geld in Krippe, Kita und Schule zu stecken.

  • H
    harri

    Ich weiß auch nicht so recht... Wer sich keine Kinder leisten kann, sollte wohl keine kriegen...so stürbe die Kinderarmut wohl ziemlich schnell aus...oder?

  • T
    Tanja

    Den Kommentar von Bernhard muß ich zustimmen. Bei 4 Kinder und nur einhauptverdiener kann man die 80 Euro sehr gut brauchen.Reichen tut es wirklich trotzdem nicht. Wir investieren privat für unsere Kinder von dem verdientes Gels meines Mannes. Die Politik sollten nicht die Reichen noch mehr unterstützen und die Hartz4 Empfänger gehen leer aus. Es sollte umgegkehrt sein. Die reichen sollten locker auf ein Teil des Kindergeldes verzichten können und man muß es den hartz4 empfänger nicht anrechnenen.

  • I
    iBot

    "Nun bezahlen wir ihnen schon die Musikschule und die Leihinstrumente, bezahlen Beiträge für zusätzliche kulturelle Angebote im Stadtviertel und für Schulausflüge und -feiern, geben Geld für diverse Fördervereine"

     

    Um die hoch feinsinnige Ironie aufzugreifen: Das klingt ja absolut, als wären die 20 Euro pro Kind mehr im Monat essentiell überlebenswichtig. Ein Glück, dass Leute, die's so schwer wie Sie haben, unterstützt werden.

  • TH
    Thomas Hilbert

    "Die Kindergelderhöhung ist unsinnig, die meisten Eltern haben das Geld nicht nötig."

     

    Genau so ist es! Durch unsere drei Kinder droht das Konto nun vollends zu platzen. Nun bezahlen wir ihnen schon die Musikschule und die Leihinstrumente, bezahlen Beiträge für zusätzliche kulturelle Angebote im Stadtviertel und für Schulausflüge und -feiern, geben Geld für diverse Fördervereine, auch sind zahnärztliche Behandlungen nicht immer kostenfrei, sie bekommen gutes Essen und glücklicherweise muss die Kleidung wachstumsbedingt nicht länger als ein Jahr halten ..., und trotzdem bleibt Ratlosigkeit ob der jüngsten Geldschwemme.

     

    Wohin damit?

  • H
    Heinz

    @ Andrea

     

    Ja toll, dann landet dein Geld auf dem schweizer Nummernkonto, wo auch schon das verschwundene SED-Parteivermögen geparkt ist.

  • KF
    Karina Franke

    So ein Unfug! Genau das will der Staat ja, dass Eltern immer mehr für die Bildung ihrer Kinder zahlen. Dabei wird andersherum ein Schuh draus: Von gut gebildeten Kindern profitiert die gesamte Gesellschaft, also auch die Kinderlosen - denn irgendwer muss ja auch für deren Rente einmal arbeiten. Daher sollten alle Bildungseinrichtungen - von der Krippe bis zur Uni - gebührenfrei sein.

     

    Im Moment kann ich die 40 Euro mehr für zwei Kinder gut gebrauchen, wobei das Kindergeld lange nicht reicht, um die Bildungskosten meiner Kinder - Kita, Spielzeug, Bücher - zu begleichen, von den Kosten für den Lebensunterhalt einmal ganz abgesehen.

     

    Beste Grüße

     

    Karina Franke

  • A
    Andrea

    Ich spende die zusätzlichen 20 Euro der Linkspartei, weil ich keine Almosen verteilen will, sondern die politischen Verhältnisse ändern möchte. Spenden bringen überhaupt nichts, weil der Status Quo dadurch erhalten bleibt!

  • KW
    K. Winter

    Herr Schnauder spricht mir aus der Seele - jahrelang haben wir uns beklagt, dass niemand den funktionierenden und systemtragenden Teil der Gesellschaft unterstützt und entlastet - nun passiert das und es gibt wieder Gejammer.

     

    In Deutschland gibt es scheinbar nur einen Konsens, wenn Supermanager und Harz IV Empfänger unterstützt werden...

  • B
    bernhard

    also meine kleine familie können die zwanzig euro mehr kindergeld gut brauchen.wir sind halt nicht so

    reich.aber ich kann irgendwie nicht verstehen warum

    reiche familien ,die wo überhaupt nicht darauf angewiesen sind,kindergeld bekommen.da sollte man eine einkommensgrenze abstecken,und das eingesparte

    geld in schul-und kitaprojekte stecken.

  • A
    Amos

    Es ist schon traurig, das der Bürger der"Tigerente"

    zeigen muss, wie vernünftige Politik gemacht wird.

  • M
    Micha

    Aus 2005: Das deutsche Steuer- und Sozialsystem diskriminiert in erheblichem Ausmaß die Familie. Zu diesem Fazit kommt eine Studie der Robert Bosch Stiftung.

     

    Wird jetzt mal was getan (Erhöhung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes) kommt direkt jemand mit der Sozialkeule. Wenn Eltern das Geld spenden ist dies absolut in Ordnung und lobenswert. Aussagen, dass die meisten Eltern die Erhöhung nicht brauchen, sind angesichts steigender Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren in den Kommunen Quatsch. Auch nach der Erhöhung deckt das Kindergeld nur einen Teil der Kosten für den Nachwuchs.

  • US
    Ulrich Schnauder

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    So sieht das aus, wenn Menschen aus der gehobenen Mittelschicht sich nicht vorstellen können, dass es auch eine Welt jenseits der eigenen gibt. Könnte es nicht sein, dass auch Familien mit niedrigen Einkommen und mehreren Kindern einmal etwas erleben wollen, was jenseits der pädagogisierten Wirklichkeit in Schule und Kindergarten liegt, z.B. gemeinsam Essen zu gehen oder eine kleine Reise zu machen? Für Mittelschichtseltern offenbar alles kein Problem. Und die anderen, deren Leben kann man sich einfach nicht vorstellen. Statt diese überhebliche Spendenaktion zu promoten, wäre es sinnvoller, dafür zu kämpfen, dass Hatz IV-Empfängern das zusätzliche Kindergeld nicht von Ihren Arbeitslosenbezügen abgezogen wird.