Anschlag auf Togos Fußballteam: Alles eins, alles Afrika
Der Anschlag auf die Nationalmannschaft von Togo in Angola, bei dem drei Teammitglieder getötet wurden, wirft viele Fragen auf. Leider nicht unbedingt die richtigen.
Danny Jordaan, der Cheforganisator der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, hatte nach dem Angriff auf den Bus der togolesischen Fußballnationalmannschaft vor dem Afrika-Cup in Angola kritische Fragen zu beantworten. Zum Beispiel diese: "Welchen Einfluss hat die Attacke auf die WM in Südafrika?" Die Frage ist ziemlicher Unsinn, ebenso gut könnte man den peruanischen Botschafter fragen: "In Mexiko soll das Essen scharf sein. Sollte man als jemand, der scharfes Essen nicht verträgt, in Peru Urlaub machen?"
Jordaan reagierte durchaus angemessen, mit einer Gegenfrage: "Stellen Sie dem deutschen Organisationskomitee Fragen nach dem Kosovokrieg?" Die Antwort lag schon in seiner Frage: Natürlich stellte diese Frage vor der WM in Deutschland 2006 niemand. Man sollte sehr vorsichtig damit sein, Südafrika nach dem Vorfall beim Afrika-Cup gefährlich zu reden. Weil in der umkämpften angolanischen erdölreichen Provinz Cabinda, die doppelt so weit von Johannesburg entfernt ist wie Berlin vom Kosovo, Rebellen für die Unabhängigkeit kämpfen und das Fußballturnier, das dort ausgetragen wird, für ihre Zwecke instrumentalisieren, indem sie den Bus einer teilnehmenden Mannschaft angreifen, soll während der WM in Südafrika irgendetwas passieren, was nicht unabhängig davon ohnehin passieren würde, falls es passiert?
Wer immer dem Reflex, einen Zusammenhang herzustellen, erliegt, kann nicht lange nachgedacht haben. Solch irrwitzige Thesen werden nur deshalb überhaupt diskutiert, weil Afrika so mit starren Bildern beladen ist: Hunger, staubige Straßen, Kriminalität, Holzschmuck, Massai, und im Sonnenuntergang sagt der Trommel spielende Löwe dem Kindersoldaten gute Nacht. Und wenn es eh alles eins zu sein scheint, werden eben auch Sicherheitsprobleme im Rahmen einer Fußballgroßveranstaltung schlichtweg als gesamtafrikanisches Problem wahrgenommen. Der Reflex, Afrika zu homogenisieren, ist offenbar einfach nicht aus der Welt zu schaffen.
Der Präsident des Fußballweltverbands Fifa selbst, Josef Blatter, hat ihn ständig bedient, als er im Rahmen der Vorbereitungen der WM in Südafrika immer wieder die Planungen in Zweifel zog. Die Stadien, zum Beispiel, drohten angeblich nicht fertig zu werden. Und nun? Sie stehen längst und leuchten. Blatter folgte diesem Reflex auch jetzt, als er nach dem Überfall von Cabinda betonte: "Ich habe vollstes Vertrauen in Afrika und bin sicher, dass der Kontinent eine Fußball-WM organisieren kann." Der Kontinent? Wird nicht nur in Südafrika gespielt?
Die ganze Diskussion über den Zusammenhang von Cabinda und Südafrika ist aufgeblasen. Es ist eine Mediendebatte, und dass sie jetzt geführt wird, liegt daran, dass es nun einen Anlass für eine Frage gibt. Das ist journalistisches Proseminar: "Wenn Sie einen Artikel schreiben wollen, warten Sie auf einen Anlass dafür." Angola ist der schlechte Anlass, mal wieder über Sicherheit in Südafrika zu spekulieren.
Doch was dieses Thema - Sicherheit in Südafrika - betrifft: Die Verbrechensrate ist tatsächlich, unabhängig von Angola, bemerkenswert. Aktuell kursiert zum Beispiel diese Zahl: Die Zahl der Morde ist von März 2008 bis März 2009 zwar um 3 Prozent auf 18.000 Fälle gesunken, doch damit ist die Anzahl pro 100.000 Einwohner immer noch fast 20-mal höher als in Deutschland.
Zahlen sind, so abstrakt und zusammenhangslos sie oft in die Welt kommen, konkret genug, um sich vorstellen zu können, was alles passieren könnte. Und je häufiger solche Zahlen zitiert werden, desto stärker werden sie Teil des Bildes von Südafrika. Die Medien des Landes selbst quillen ja über von statistischen Daten, der Frage, wie ernst sie zu nehmen seien, und von Interviews mit Verbrechensopfern.
Kriminalität ist so Teil der südafrikanischen Erzählung geworden, wie es in einer ethnologischen Studie von 2006 heißt: In Südafrika selbst sei die Beschäftigung mit Kriminalitätsstatistiken eine "öffentliche Obsession" geworden, die es schwierig mache, zwischen der Realität und der Statistik zu unterscheiden. Es gebe die Tendenz, zu ignorieren, wer von der Kriminalität vor allem betroffen sei: "die Leute in den Townships". Nicht Touristen auf Luxustour durch die Nationalparks und nicht Fußballnationalmannschaften.
Das heißt nicht, dass man als WM-Tourist in Südafrika unvorsichtig sein muss. Das heißt nur, dass Zahlen Idioten sein können und man ihnen nicht unbedingt vertrauen darf. Ebenso wenig wie ihren alten Kumpels: den absurden Assoziationen. Wie der Assoziation, es gebe einen Zusammenhang zwischen der WM und Cabinda.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod