Gen-Pflanzen: "Damit kann man werben"
Die nordfriesische Insel Pellworm setzt ein Zeichen und erklärt sich zur gentechnisch freien Zone - eine Selbstverpflichtung ohne bindenden Charakter.
Die Bauern auf der Insel Pellworm sind sich einig: Genveränderte Pflanzen kommen ihnen nicht auf die Felder. 31 Haupt- und 23 Nebenerwerbsbetriebe, darunter sieben Ökolandwirte, verpflichteten sich Anfang des Jahres, kein Saatgut aus den Genlaboren zu verwenden. Die Landtagsfraktion der Grünen und der BUND gratulierten, und auf der Insel freut sich Silke Zetl-Marcussen, Biobäuerin und Dozentin der Beruflichen Schule in Husum: "Wir haben ein Zeichen gesetzt."
Allerdings: Schleswig-Holstein war vor einigen Jahren deutlich weiter. Das Land gehörte dem europäischen Verband gentechnikfreier Regionen an - als einziges deutsches Bundesland. Im September 2005 teilte der damalige Agrarminister und heutige CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher den Austritt aus dem Bündnis mit: Es sei schließlich nur ein Netzwerk mit informellem Charakter.
Das Problem liegt bei der EU: Deren Gremien hatten 2001 eine "Freisetzungsrichtlinie" erlassen, die es Mitgliedstaaten verbietet, den Anbau genveränderter Pflanzen zu untersagen. Nur auf freiwilliger Basis und damit rechtlich unverbindlich können sich Landwirte zusammentun und ihren Verzicht auf das gentechnisch veränderte Saatgut erklären. Zurzeit gibt es in Deutschland 191 Regionen oder Initiativen, in denen sich Landwirte dazu verpflichtet haben. Dabei ist eine Region ein zusammenhängendes Gebiet und eine Initiative ein Bündnis von Bauern, deren Felder nicht aneinandergrenzen. In Schleswig-Holstein gibt es vier, in Niedersachsen drei und in Mecklenburg-Vorpommern zehn dieser Zusammenschlüsse beiderlei Typs.
Silke Zetl-Marcussen betont dennoch, wie wichtig das Logo "Gentechnikfrei" gerade auf einer Insel sei: "Da es ein geschlossener Raum ist, kann tatsächlich nichts kontaminiert werden." Über 90 Prozent der Nutzfläche auf Pellworm unterliegen der Selbstverpflichtung. Nur einige Nebenerwerbslandwirte unterschrieben nicht - genveränderte Pflanzen bauen aber auch sie nicht an. Faktisch ist Pellworm gentechnikfrei, "und das freut auch unseren Kurdirektor, damit kann man werben", sagt Zetl-Marcussen.
Der Verein "Ökologisch wirtschaften", dem Zetl-Marcussen angehört, hatte den Anstoß zur Selbstverpflichtung gegeben, aber der Pellwormer Bauernverband war von Anfang an dabei: "Es war einfach, die Kollegen ins Boot zu holen", sagt die Dozentin. Sie weiß aber auch, dass der Erfolg der Kampagne vor allem darin liegt, dass es sich für Landwirte nicht lohnt - und gesetzlich kaum möglich ist - genveränderte Pflanzen anzubauen. Zwar gibt es bundesweit einige wenige Versuchsfelder, auf denen verschiedene Pflanzenarten angebaut werden, etwa die stärkereiche Gen-Kartoffel "Amflora", aber tatsächlich genutzt wurde nur genetisch veränderter Mais, etwa der Sorte Mon810 des Herstellers Monsanto. Den Anbau dieser Pflanzen, die gegen den Schmetterling Maiszünsler immun sind, hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) im vergangenen Jahr verboten.
Gentechnik-Gegner argumentieren nicht nur mit den schwer absehbaren Folgen für Natur und Nahrungsketten durch veränderte Pflanzen, sondern auch mit den wirtschaftlichen Folgen für Landwirte: Erstens lehnt die überwiegende Zahl von Verbrauchern genmanipuliertes Essen ab, zweitens wächst die Abhängigkeit von den Produzenten des Saatgutes.
Auf Landesebene gibt es immer wieder Vorstöße, ganz Schleswig-Holstein zur gentechnikfreien Zone zu erklären, zuletzt debattierte das Parlament im September über diese Frage. SPD, Grüne und SSW sprachen sich dafür aus, die CDU lehnte den Antrag ab: "Gentechnikfreie Regionen haben nur deklaratorischen Charakter."
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