piwik no script img

Gewalt gegen PolizeiHarte Strafen nicht nur für Steinewerfer

Nachdem das Bundesinnenministerium angekündigt hat, den rechtlichen Schutz für Beamte schnellstmöglich zu verbessern, fordern die Grünen, Polizeigewalt im gleichen Maße zu ahnden.

Mit bis zu fünf Jahren soll Gewalt gegen Polizisten in Zukunft bestraft werden. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach der Ankündigung des Bundesinnenministeriums, gemeinschaftlich ausgeübte Gewalt gegen Polizisten mit Steinen oder Brandsätzen härter bestrafen zu wollen, hagelt es Kritik von den Grünen. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, bezeichnete das Vorhaben als "wirkungslos", während der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Hans Christian Ströbele, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte verlangt. Zudem fordert Katharina Spieß, Referentin für Polizei- und Menschenrechte bei Amnesty International, das Ministerium auf, "die Gewalt von Poilzeibeamten mit derselben Konsequenz zu verfolgen".

Mit der Ankündigung wollte das Ministerium signalisieren, sich so schnell wie möglich für die Rechte von Polizeibeamten einsetzen zu wollen. Auf Vorschlag der deutschen Polizeigewerkschaft soll der zweite Abschnitt des Paragraphen 113 des Strafgesetzbuches um zwei Punkte erweitert werden: Der Widerstand gegen die Polizei soll, wenn er "mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs" oder "mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich" ausgeführt wird, mit bis zu fünf Jahren bestraft werden können. Bisher waren es nur zwei.

Der Ministeriumssprecher begründete die Änderung damit, dass Polizeibeamte und andere Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe würden. Tatsächlich stieg die Zahl der Widerstandshandlungen bundesweit im Jahr 2008 auf 28.272 Fälle, 1.490 mehr als im Vorjahr. Wie eine Sprecherin der Polizei erklärt, werden allein in Berlin jeden Tag durchschnittlich neun Fälle registriert, bei denen sich Personen der Polizei durch Anwendung von Gewalt widersetzt hätten. "Daher begrüßen wir die Ankündigung de Maizières", so die Sprecherin.

Als "hilflos" bezeichnet Benedikt Lux hingegen den Vorstoß des Innenministeriums. Er kenne keinen Fall, bei dem Richter Angriffe mit Stöcken, Steinen und Brandsätzen zu mild bestraft hätten. Das meint auch Christian Ströbele und fügt hinzu, dass im Falle von Brandsatzangriffen sowieso ein anderer Strafparagraph greifen würde: "In Berlin drohte einem Demonstranten wegen einem Brandsatzwurf lebenslängliche Haft", erklärt der Abgeordnete. Er gibt außerdem zu bedenken, dass Gerichte in harmloseren Fällen sehr selten das gesetzlich vorgegebene Höchststrafmaß umsetzen würden. Eine Erhöhung des Strafmaßes sei daher nicht mehr als "blinder Aktivismus".

Sinnvoller fände Katharina Spieß von Amnesty International, wenn sich das Bundesministerium dafür einsetzen würde, rechtswidrige Gewaltanwendung von Polizisten zu unterbinden und "unparteiisch, unabhängig, umfassend und unmittelbar" zu ermitteln.

Wichtig sei auch die Ursachenforschung für Gewalt gegen Polizisten, zum Beispiel bei Demonstrationen. Dort geht sehr häufig Gewalt von Polizeibeamten aus. Die Polizei dürfe hier so wenig wie möglich den Anschein erwecken, nicht an Recht und Gesetz gebunden zu sein, erklärt Lux und sagt weiter: "Wer sie als staatliche Prügeleinheit sieht, wird kein Vertrauen zur Polizei entwickeln". Das weiß auch Demonstrationsbeobachter Ströbele und fordert deshalb, dass sich das Ministerium für "eine Kennzeichnung von Polizeibeamten" einsetzen oder zumindest dafür sorgen sollte, dass diese ihre Dienstummer rausgäben, wenn sie danach gefragt würden. Das verlangt selbst der Polizeipräsident von Berlin, Dieter Glietsch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

17 Kommentare

 / 
  • A
    Alex

    Klar, daß die Steinewerferpartei das nicht toll findet :-)

  • D
    Debbus

    "Das weiß auch Demonstrationsbeobachter Ströbele und fordert deshalb, dass sich das Ministerium für "eine Kennzeichnung von Polizeibeamten" einsetzen oder zumindest dafür sorgen sollte, dass diese ihre Dienstummer rausgäben, wenn sie danach gefragt würden. Das verlangt selbst der Polizeipräsident von Berlin, Dieter Glietsch."

     

    Verlangt Dieter Glietsch die Pflicht zur Nennung der Dienstnummer oder fordert er dies und die Kennzeichnung von Polizeibeamten?

     

    Ist etwas unglücklich formuliert.

  • P
    Pat

    Ist ein Mensch eigentlich ein besserer Mensch wenn er eine Uniform anhat? Wieso muss ich mich von jedem Spinner rumschubsen und beleidigen lassen, den Damen und Herren Freund-und-Helfer aber darf so etwas nicht zustoßen. Das erinnert mich an den guten alten George Orwell. In Animal Farm hieß es doch, "All animals are equal. But some are more equal than others." Für das Grundgesetz der Animal Farm Deutschland schlage ich also folgende Änderung vor: "Alle Menschen sind gleich. Aber manche sind gleicher als andere."

  • A
    Antiheld

    Ich veurteile Gewalt, doch sollte sich doch die Frage gestellt werden warum es zur Anwendung von Gewalt gegen Polizisten kommt. Ich bin der Meinung, das es beim Widerstand gegen die Polizeigewalt in 90% der Fälle nicht darum geht die PolizistIn zu schädigen sondern darum einer drohenden Strafe für eine andere Tat zu entkommen. Während der Tat denkt doch niemand an die Höhe der Strafe sondern nur daran, ob sie überhaupt geahndet wird bzw zu verbüßen ist, daher sollten Strafen erst einmal konsequent durch gesetzt werden, bevor sie weiter erhöht werden.

    Die Forderungen sind rein populistisch um bürgerliche WählerInnen zu besänftigen, dass die Regierung etwas gegen den jugendlichen Terror etwas tut.

  • P
    PuuhBaerFfm

    das ist doch wieder eine der üblichen Nebelkerzen aus dem rechtskonservativen Regierungslager.

     

    Warum tragen eigentlich Polizeibeamte/innen in Deutschland kein Namensschild an ihrer Uniform - so wie es Soldaten/innen auch müssen???

     

    Solange Polizeibeamte/innen in Deutschland anonym sind, wird sich nichts an deren Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen gegenüber sog. Krawallmachern ändern, sie könnten ja sonst rechtlich belangt werden...

  • K
    kjh

    Das höhere Strafen nicht helfen, ist mehrfach untersucht worden.

    Wie währe es denn das Problem an der Wurzel zu Packen.

    Warum gehen denn die Leute auf die strasse? Aus Langeweile? Nein. Weil die Politik sich mehr um sich selbst kümmert als um das Volk. Weil die großen Parteien immer mehr Kohle von arm nach reich schaufeln. Weil der Steinewerfer keine andere Möglichkeit sieht, Aufmerksamkeit zu erregen.

    Wie währe es mit Bildung unabhängig vom Einkommen?

    Wie währe es mit einer Polizei, die für den Bürger da ist und ihn nicht bekämpft?

     

    Stelle dir vor, jeder Polizist ist identifizierbar, und wird genauso zur Rechenschaft gezogen wie jeder andere Bürger.

     

    Was währe, wenn Deutschland keine Bananenrepublik ist?

  • CK
    Christian Koenig

    Hallo,

    mich würde interessieren, ob es eine Begründung gibt, dass Polizeibeamte nicht gekennzeichnet sind oder ihre Dienstnummer nicht rausgeben.

    Weiß jemand mehr?

  • SF
    Stefan Frings

    Es wirk schon wie ein natürlicher Reflex wenn Grüne (insbesondre Herr Ströbele mit seiner speziellen Vergangenheit) ihre schützenden Arme um Gewalttäter und Terroristen ausbreiten. Ich bin einfach nur angewiedert.

  • Q
    "widerständler"

    Mein Widerstand:

     

    Ich wurde von einem Polizeibeamten ohne Grund und Vorwarnung zu Boden gerissen und mit 6 (!) Beamten "fixiert" und mit Handschellen gefesselt. Der Dreistigkeit nicht genung: im Nachhinein behauptet der Beamte Schmerzen erlitten zu haben.

     

    U.a. dadurch kommen solche Statistiken zusammen. Das die meisten Verfahren eingestellt werden spielt aber keine Rolle.

     

    Die ganze Aktion kostet mich jetzt Zeit, Geld und Nerven. Derweil darf die Polizei weiter prügeln, beleidigen und alles was man als "normaler" Mensch ja eigentlich nicht darf.

     

    (jaja, "ohne Grund" blabla, die Polizei ist immer gut und macht IMMER alles richtig. Das glaubt ihr solange bis es euch selber passiert oder ihr es beobachtet!)

  • HL
    Hans Lotus

    Die Grünen zeigen mal wieder ihr wahres Gesicht: Bei linken Kriminellen kennen sie nichts, die werden gnadenlos unterstützt.

     

    Die "Grünen" sind keine Partei, die auf dem Boden des GG steht.

  • D
    demo109

    nein, wieso sollten den polizisten eindeutig gekenzeichnet sein???

    dann können sie ja nicht mehr grundlos zu schlagen...

    soviel zum thema "freund und helfer"

  • JG
    Jürgen Gojny

    Die hysterischen Reaktionen der Pseudolinken sind seltsam. Wenn das Innenministerium nun nicht zur Verbesserung des Schutzes der Polizeibeamten vor Gewalttätern geschritten wäre, hätten dann die Pseudolinken auch die Ahndung angeblicher polizeilicher Gewalt gefordert??? Im Umkehrschluß heißt das nichts anderes, daß die Pseudolinken Gewaltattacken auf die Polizei hinzunehmen bereit sind, oder mehr noch, sie begrüßen und fördern. Damit wären Ströbele und Konsorten a priori Gewalttäter. Staatsanwaltschaft, bitte übernehmen!

  • F
    Flo

    Wenn sich die Polizei nach wie vor nahezu alles erlauben kann, werden sich die Herren Beamten in einigen Jahren die Zustände von heute zurück wünschen...naja die weitere Entwicklung wird garantiert nicht pazifistisch verlaufen.^^

     

    PS:

    Hier noch was zum schmunzeln für alle dies noch nicht kennen:

    http://www.youtube.com/watch?v=gjpn9Mn1DD0

  • T
    taktloss

    Was? Wie? Das ist doch absurd?! Polizisten können gar kein Unrecht begehen, das sind doch Polizisten!

  • L
    Lavalampe

    Im aktuellen Stern ist zum Thema Gewalt in Fußballstadien auch ein schöner Fall beschrieben. Dort stachelten Polizisten Fußballfans auf anstatt de-eskalierend zu wirken. Auf anfragen nach ihren Dienstnummern gaben sie alle die selbe (gefälschte) Dienstnummer an.

     

    Solch ein Fall macht doch deutlich, dass die Dienstnummer auf die Schultern und den Rücken eines Polizisten gehört, sodass diese eindeutig identifizierbar sind. Die Polizie hat das Recht einzelne Demonstranten rauszugreifen, wenn ihnen Gewalt droht. Die Demonstranten haben dieses Recht nicht, sondern müssen die rechtsstaatlichen Wege gehen. Ohne eine Identifizierung des aufstachelnden Polizisten ist dies aber wirkungslos.

     

    Ich selbst kenne einige Vollpfosten, welche bei der Polizei sind. Wenn die in einer Demo für Sicherheit sorgen sollen, dann tuen mir die Demonstranten echt leid...

  • GC
    Great Chain of being

    Wie immer sind es - wenn man der taz Glauben schenkt- nur die Grünen, die sinnvolle Vorschläge aus der Oppositioen heraus machen.

     

    Wer hat denn gleich nochmals die Otto-Schily-Kataloge abgenickt?

     

    Die Grünen?

  • VB
    Victor Becker

    Hm, klar...das raufschrauben des Strafmaßes verhindert jegliche Gewalt. Genauso wie die Todesstrafe in den USA die Mordrate senkt....halt moment...da stimmt was nicht...

     

    Wichtiger wäre die Kennzeichnungspflicht. Die Namen der Beamten zu zeigen wäre wirklich zu gefährlich, gibt genug Trottel die einen Polizisten dann besuchen würden...oder seine Familie.

    Aber zumindest die Rausgabe der Dienstnummer oder eine exakte Kennzeichnung durch anonymisierte Zahlenkombinationen sollte drin sein...