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Über 200 Tote bei Unruhen in NigeriaArmee besetzt Provinzhauptstadt Jos

Schwere Kämpfe zwischen christlichen und muslimischen Milizen fordern über 200 Tote in der zentralnigerianischen Stadt Jos. Das Militär rückt ein, die Gewalt breitet sich ins Umland aus.

Jos brennt: Straßenszene, 17. Januar. Christen und Muslime machen sich gegenseitig verantwortlich. Bild: reuters

NAIROBI tazAls gestern Hundertschaften der nigerianischen Armee das Zentrum von Jos besetzten, herrschte zum ersten Mal seit Sonntag Ruhe in der 500.000 Einwohner zählenden Hauptstadt des zentralnigerianischen Bundesstaates Plateau. Die Schüsse hätten aufgehört, berichtet Pfarrer Pandang Yamsat, der der Kirche Christi vorsteht, mit drei Millionen Mitgliedern eine der größten Kirchen der Region. Die Rauchfahnen aus angesteckten Kirchen, Moscheen und Häusern seien verschwunden. "Die Lage in Jos selbst hat sich etwas beruhigt", so Yamsat. "Aber bevor die Armee kam, war es sehr, sehr schlimm."

Genaueres war auch drei Tage nach Ausbruch der jüngsten religiös motivierten Unruhen in Nigeria nicht bekannt. Fest steht: Muslimische und christliche Jugendliche haben sich gegenseitig umgebracht in einem der Blutbäder, für die das einst als Kurort gegründete Jos berüchtigt ist. Vor gut einem Jahr starben bei Gewalttaten 200 bis 700 Menschen, 2001 mehr als 1.000.

Diesmal ist die Opferzahl unklar. 151 tote Muslime sollen seit Sonntag zur Zentralmoschee der Stadt gebracht worden sein, berichtet Human Rights Watch. Die Kirchen in der Stadt berichten ihrerseits von 65 toten Christen. Im Universitätsklinikum wurden 50 Verletzte behandelt. "Gut neunzig Prozent der Verletzten haben Schusswunden, der Rest ist mit Messern oder Pfeil und Bogen verletzt worden", sagt Dabit Joseph, einer der Ärzte. Obwohl die Ärzte rund um die Uhr arbeiten, müssen zahlreiche Verletzte abgewiesen werden.

Während die Menschen im Zentrum von Jos angesichts der Truppenstationierung wieder aufatmeten, wurden aus den Außenbezirken und umliegenden Ortschaften neue Ausschreitungen gemeldet. In Pankshin, gut 100 Kilometer entfernt, berichteten Bewohner von brennenden Regierungsgebäuden. In den umliegenden Bundesstaaten wurde die Polizei in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Der Middle Belt, wie die Region zwischen dem muslimischen Norden und dem christlichen Süden Nigerias genannt wird, ist eine Region latenter Spannungen zwischen den großen Religionsgemeinschaften. Kreuzzüglerisch anmutende Missionsbewegungen sind in Jos ebenso zu Hause wie islamistische Kampfgruppen. Oft genügt der geringste Anlass, um Gewalt hervorzurufen.

Welchen Anlass es diesmal gab, war gestern noch unklar. Muslime sprachen von einem grundlosen Angriff auf einen muslimischen Mann, der sein in den letzten Unruhen zerstörtes Haus wiederaufgebaut habe. Auf einmal seien christliche Jugendmilizen erschienen und hätten ihn vertreiben wollen, sagte der Mann, Alhaji Kabir Muhammad. Pfarrer Pandang Yamsat hingegen spricht von einem gezielten Angriff von Muslimen auf Christen nach der Sonntagsmesse. "Das war geplant, unsere Jugendlichen haben sich nur verteidigt", so Yamsat. "Die Muslime wollen das Land allein regieren, aber das geht nicht, es gehört Christen und Muslimen gleichermaßen." Er warnt: "Je gewalttätiger die Muslime werden, desto gewalttätiger werden wir Christen."

Nicht alle teilen diese Analyse. Der Muslim Shamaki Gad von der Menschenrechtsliga in Jos macht soziale Spannungen verantwortlich. "Frühere Ausschreitungen sind nie aufgeklärt worden, niemand wurde verhaftet - deshalb gibt es ein Gefühl der Straflosigkeit", so Gad. "Weil auch die versprochenen Reparationen vom Staat nie geflossen sind und die Leute arm und hoffnungslos sind, gehen sie aus Frust erneut auf die Straße." In dieser Analyse ist sich der Muslim Gad mit dem katholischen Erzbischof von Jos einig. "Die Auseinandersetzungen haben sehr wenig mit Religion zu tun", so Ignatius Kaigama. "Religion wird instrumentalisiert, um ethnische und politische Interessen durchzusetzen."

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