piwik no script img

Reform der JobcenterScheidung wider Willen

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat einen Gesetzesentwurf zur Reform der Jobcenter vorgelegt. Die Argen sollen sich auflösen.

Trotz Reform - der Briefkasten könnte bleiben. Bild: dpa

Ursula von der Leyen (CDU) ist ihrem ersten großen Projekt als Bundesarbeitsministerin einen Schritt näher gekommen: Am Montag präsentierte sie in Berlin einen Gesetzesentwurf für die Neuorganisation der Jobcenter.

Geht es nach von der Leyen, sollen Arbeitslose künftig Hilfe und Betreuung wieder aus zwei Händen erhalten. Die Bundesarbeitsministerin reagierte damit auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte die existierenden Jobcenter als eine verfassungswidrige Form der Mischverwaltung bezeichnet und eine Neuregelung bis Ende 2010 angemahnt.

Seit 2005 werden die meisten Arbeitslosen in rund 350 Arbeitsgemeinschaften (Argen), einem Zusammenschluss aus Kommunen und den Arbeitsagenturen des Bundes, betreut.

Arbeitslose hatten so unter dem Motto "Hilfe aus einer Hand" in den Jobcentern nur mit einer Behörde zu tun, die Leistungen zum Lebensunterhalt, zu Unterkunft und Heizung und für Eingliederungsmaßnahmen oder für Unterstützung und andere Maßnahmen festlegte.

Nun will die Arbeitsministerin dieses Modell, das in den Kommunen, von Betroffenen und einer Vielzahl von Arbeitsmarktforschern als ein deutlicher Fortschritt empfunden wird, ein gutes Stück zurückdrehen.

Künftig müssen etliche Leistungen von Bund und Kommune wieder getrennt erbracht werden. "Für die Langzeitsarbeitslosen soll sich jedoch so wenig wie möglich ändern", unterstrich von der Leyen. So müsse jeder Arbeitslose auch künftig nur einen Antrag stellen und werde unter einem Dach betreut. Er erhalte jedoch zwei Bescheide - auf einem Stück Papier.

Um zu gewährleisten, dass Agentur und Kommune künftig eng zusammenarbeiten, sollen diese nach dem Entwurf auf freiwilliger Basis eine enge Kooperation vereinbaren.

Kritiker berfürchten, dass die Gesetzesreform vor allem eins mit sich bringt: Mehr Bürokratie und eine steigende Anzahl von Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide. So sollen künftig die Kommunen ermitteln, wie viel Geld Hartz-IV-Bezieher erhalten, doch die Agenturen müssen festlegen, wie hoch Einkommen oder Vermögen einer arbeitslosen Person sind. An den ermittelten Werten kann sich jedoch leicht der Widerspruch der Kommunen entzünden.

Kritik dürfte die Arbeitsministerin ernten, weil sie eine Grundgesetzänderung zur Lösung der Jobcenterfrage ausschließt. Eine Einigung auf eine solche Gesetzesänderung sieht die Ministerin jedoch als unrealistisch an. Man habe in den letzten zwei Jahren erfolglos versucht, eine solche Grundgesetzänderung hinzubekommen. Jetzt sei höchste Zeit für eine "pragmatische Lösung".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • R
    reflektor

    Ich begrüße es sehr, dass die Argen / JobCenter / Brutstätten der Menschenrechtsverachtung wegkommen.

    Meiner Ansicht gehört auch unbedingt ausgesprochen, wie hoch die wirkliche Arbeitslosenzahl ist, dass Arbeitsplatzabbau in der Natur der Sache liegt, dass nicht die Erwerbslosen verantwortlich für diese Entwicklung sind usw.

    Was der Kochbursche aus Hessen sich da neulich gewünscht hat, ist leider seit 5 Jahren Gang und Gebe.

    Die Sanktioniererei ob willkürlich oder nicht gehört ebenso abgeschafft.

    Ich hoffe, mit dem Urteil, welches am 9. Februar vom Bundesverfassungsgericht gesprochen wird, fällt der Druck von den Menschen und man lebt wieder gern in Deutschland.

  • G
    Gruch

    Wieso ist ein Arbeitsloser nach 12 Monaten ein Arbeitsloser zweiter Klasse? Und muss sich von einem anderen Amt beraten, fördern und bilden lassen? Die Arbeitsförderung gehört zur Bundesagentur.

     

    Sonst sollte man konsequent sein und spezielle Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime für Langzeitarbeitslose und ihre Familienangehörigen einrichten. Warum noch Wohngeld und Kindergeld auszahlen. Sperrt sie ins Ghetto und "helft ihnen aus einer Hand."

     

    Demnächst bitte in öffentlichen Parks und auf Gehwegen ein Seite für Langzeitarbeitslose/Geringverdiener abtrennen.

  • S
    steffi

    ja die politiker - sooo weit weg von der basis - und all die anderen kommentare die es dazu so gibt....

    wenn die "arge" doch eigene personalpolitik machen dürfte - alle angestellten das gleiche geld für gleiche arbeite erhalten würden - das gute steuergeld für effektive bildung ausgegeben werden dürfte - am besten schon ab geburt bei den sozialschwachen - ja dann könnte der wasserkopf auch mal was bewegen.....es gibt nicht genug arbeit? komisch - sogar ich als alleinerziehende finde arbeit aber ein junger mann nicht????? also bitte - das die ü40 jährigen probleme haben bei der suche nach arbeit ist bekannt und klar - aber arbeit für junge gibt es immer - aber sie lohnt sich nicht. der junge mensch hat mehr geld wenn er schwarz arbeiten geht bzw. auf 400 basis (auch so ne tolle erfindung) und die grundsicherung in der tasche hat. aber pfui - das darf man ja nicht laut sagen - wir haben angeblich keine faulen arbeitslosen - und doch - wir haben mindestens 60 % davon......schaut euch mal genau um.....

  • HK
    Hardy Klag

    Dieser ganze Hart IV Müll gehört abgeschafft und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt. Es ist doch eine Tatsache, das es erstens nicht genug Arbeit gibt und zweitens diese Schnüffelbürokratie Unsummen von Geld kostet. Da kann man auch ein bedingungsloses Grundeinkommen finazieren.

  • H
    Hans

    "Hilfe aus einer Hand" - das hört sich ja gut an, war aber von der ersten Minuste gegen die Vorgaben des Grundgesetzes. Und da sollte sich der Leser nun wirklich fragen, warum eine historische Mehrheit, so ein Gesetz und so eine Behörde beschloße hat?

    Und da scheint sich eine Antwort abzuzeichnen, die eben weitaus anders ist, als die hier von der taz angeführte "Hilfe aus einer Hand": Es ging wohl darum, die Gunst der Stunde für ein Gesetz zu nutzen.

    Die Hilfe aus einer Hand wurde bislang in keiner einzigen seriösen Studie positiv bewertet. Dafür haben unseriöse Wissenschaftler, Politiker und allerlei anderes buntes Volk radiiert, wie erfolgreich doch Gesetz und Behörde sei.

    Der Grund liegt hierbei wohl eher im Ausmaß des Scheiterns, als in der Realität: Wenn ein Gesetz als Reform verkauft wird, dann aber scheitert und scheitert, dann ist es für die Politiker eben unertraeglich. Für die SPD ist es das ja auch bis heute. Tatsaechlich haette schon in 2006 und 2007 nachgebessert werden muessen.

    Spaetestens ab 2010 kann niemand behaupten, die Behörde, das Gesetz und die Arbeitslosen muessten nur besser zusammen finden, dann wäre alles super. Nach fünf Jahren ist dieses Gesetz einfach gescheitert.

    Weder sinkt die Arbeitslosigkeit durch massenhafte Vermittlung, noch wirkst sich der geschaffene Billiglohnsektor positiv aus, die Armut nimmt zu, 8,1 Millionen Menschen erhalten Leistunge und das mit steigender Tendenz. Dazu noch 1-EURO-Jobs und Discounter-Maßnahmen ohne Wirkung - das ist auch eine der größten Verschwendungen in der Geschichte der Arbeitsmarktpolitik. Im Prinzip ist alles besser als der Status Quo und da ist die illegale ARGE schon ein Zeichen für mangelnde Sorgfalt und schlechtes Gesetzemachen. Im Anbetracht der damaligen historischen Mehrheit wirft das kein gutes Licht auf die beteiligten Parteien, allen voran Horst Seehofer als Unionsverhandler und natuerlich auf den ehemaligen Superminister Wolfgang Clement.

  • C
    Contra

    Der Artikel tut gerade so, als sei die bisherige Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und Kommunen von reinster Harmonie und Freude geprägt gewesen. Tatsache ist aber: Die Zusammenarbeit funktioniert in der Regel eher schlecht als recht. Konnte es auch nicht, weil die Arbeitsagentur es seit eh und je als ihre Hauptaufgabe betrachtet hat, die Arbeitslosenstatistik zu fälschen. Und nun versucht sie, die dezentralen kommunalen Strukturen in bewährter zentralistischer Manier auf Linie zu bringen. Was dabei rauskommt, ist bestenfalls Realsatire (wird aber leider auf dem Rücken der Sachbearbeiter und Langzeitarbeitslosen ausgetragen, wie die zunehmende Prozessflut erkennen lässt). Ob die angestrebte Reform wirklich etwas bringt, wird sich zeigen. Im Grunde hätte die CDU besser ihr altes Projekt weiterverfolgen sollen. Sie wollten die Argen ja vor nicht allzu langer Zeit ganz auflösen. Das wäre deutlich besser gewesen - aber anscheinend hat hier der Mut gefehlt. Aber wer braucht eigentlich die Zentrale in Nürnberg?

  • W
    www

    der ganze harz müll ist doch die rienste katastrophe! für die betroffenen hat es sich allgemein verschlechtert.

    eine komplette rückführung von harz4 wäre richtig!

    das haupt problem ist jedoch wirklich das nicht zwischen arbeitslosenhilfe, sozialhilfe oder auch anderen leistungen unterschieden wird!

     

    der artikel ist an sich auch iene katastrophe!

  • V
    Volker

    Bei uns in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) ist das schon immer so: Lebensunterhalt von der Arbeitsagentur Unterkunft vom Kreis. Hat sich mittlerweile eingespielt und funktioniert bestens.