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Kultusminister wollen Sonderschulen retttenElternwille gegen Kinderrecht

Die Kultusminister wollen Sonderschulen retten - per Elternwahlrecht. UN-Konvention gibt Kindern aber Recht auf allgemeine Schule.

BERLIN taz | Seit vielen Jahren fordern Eltern von Kindern mit Handikaps das Recht, über den Lernort ihrer Kinder selbst zu entscheiden - vergeblich. Die UN-Konvention hat nun Bewegung gebracht. Jetzt sind selbst konservative Schulminister wie Nordrhein-Westfalens Barbara Sommer (CDU) bereit, nachzudenken: "Wir müssen grundsätzlich dazu kommen, ein Elternrecht auf die Wahl des Förderortes für ihr Kind zu etablieren - entweder eine Förderschule oder eine allgemeine Schule in zumutbarer Entfernung. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel."

Solche Ankündigungen erfolgen just zu einem Zeitpunkt, da es nach Meinung von Juristen längst um etwas ganz anderes geht. Nicht mehr das Wahlrecht der Eltern steht im Mittelpunkt - sondern das Recht des einzelnen Kindes, in der allgemeinbildenden Schule gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung lernen zu können. Viele Experten leiten aus der UN-Behindertenrechtskonvention ab, dass die Bundesländer verpflichtet sind, schrittweise ein inklusives Bildungssystem zu entwickeln. Die Konvention begründe aber zusätzlich ein subjektives Recht auf gemeinsames Lernen - das unmittelbar gilt und gerichtlich einklagbar ist. Das hängt damit zusammen, dass der Ausschluss aus dem allgemeinen Schulsystem aufgrund von Behinderung eine Diskriminierung darstellt.

Davon ist die Konferenz der Kultusminister (KMK) weit entfernt. Die Juristen in der KMK kommen in ihrem Gutachten zu der Feststellung, dass Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskommission gar keine unmittelbaren subjektiven Rechtsansprüche begründet. Die Länder hätten demnach relativ große Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung ihrer sogenannten Staatenverpflichtung.

Die UN-Konvention kann nach ihrer Ratifizierung aber auch nicht mehr ignoriert werden. Daher scheint es innerhalb der KMK Verständigungen darüber zu geben, dass das Elternwahlrecht, ausgehend vom Grundsatz der Selbstbestimmung, zumindest mittelfristig anerkannt werden soll.

Die Vorteile für die Bewahrer des alten Systems liegen bei dieser Lösung auf der Hand. Um den Eltern ein Wahlrecht zu garantieren, muss das Förderschulsystem aufrechterhalten werden. Das kommt auch Schulministerin Sommer entgegen, die gerne feststellt, dass es mit ihr kein Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch geben wird. Da man ja nur so den äußerst heterogenen Förderbedürfnissen der Kinder gerecht werde. Schon seit Jahrzehnten gibt es aber wissenschaftliche Beweise dafür, dass Förderschulen für Kinder mit Entwicklungsproblemen im Bereich des Lernens, des Verhaltens und der Sprache wegen ihrer lernschädlichen Wirkung möglichst umgehend auslaufen sollten. Dennoch bleiben sie als modernisierte Kompetenz- oder Förderzentren in ganz Deutschland erhalten.

Steuern lässt sich der Elternwille auch über die ungleichwertige Ausstattung der Förderorte. Genau diese Situation haben wir derzeit in allen Bundesländern. Deshalb gibt es Eltern, die zwar die gemeinsame Unterrichtung in der allgemeinen Schule wollen - aber dennoch die Förderschule wählen müssen, weil die Bedingungen einer umfassenden Versorgung für Kinder mit schwerwiegenderen Beeinträchtigungen dort besser sind. Die KMK hat zwar schnell schulformbezogene Bildungsstandards verbindlich eingeführt - um das gemeinsame Lernen hat sie sich aber nie gekümmert. Abgesehen davon, dass sie die Abschlüsse von Förderschülern ab diesem Jahr künstlich aufwertet.

Es gibt in allen Bundesländern einen großen Sanierungs- und Ausbaubedarf für den Gemeinsamen Unterricht. Innerhalb der KMK scheint sich auch die Meinung durchzusetzen, dass bei der vollständigen Freigabe des Elternwillens ein verbindliches Beratungsangebot durch die zuständige Schulbehörde sichergestellt werden muss. Dass damit auch Einschränkungen des Elternwahlrechts einhergehen, zeichnet sich ab. Als Hebel für staatliche Interventionsrechte bietet sich das "Kindeswohl" an.

Der Staatssekretär des Schulministeriums in Mecklenburg-Vorpommern deutete im Rahmen des Kongresses der Lebenshilfe jüngst in Offenbach an, dass in der KMK-Diskussion über das "Kindeswohl" auch die Rechte nichtbehinderter Schüler eine bedeutende Rolle spielten. Mit anderen Worten: Kann man es "normalen" Kindern zumuten, zusammen mit Behinderten zu lernen? Man darf gespannt sein, welche konkreten Einschränkungen damit einhergehen.

Alle Bundesländer stehen nach der Ratifizierung der Konvention vor schulrechtlichen Änderungen. Ob in den Schulgesetzen das Recht des Kindes auf gemeinsames Lernen mit nichtbehinderten Kindern oder das Recht der Eltern auf Wahl des Förderortes steht, ist alles andere als egal. Davon hängt ab, ob es wirklich erste Schritte hin zu einem inklusiven Schulsystem geben kann, das am Ende vollkommen barrierefrei für alle Kinder mit und ohne Behinderungen gestaltet ist. Oder ob nur eine kosmetische Anpassung an die UN-Konvention vorgenommen wird.

Die Autorin hat zum Thema das Buch veröffentlicht: " ,Ich schäme mich ja so!' Die Sonderschule für Lernbehinderte als ,Schonraumfalle'". Bad Heilbrunn 2007. 29,80€

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2 Kommentare

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  • JZ
    Jörg Zain

    Sie haben nichts, aber auch garnichst gelernt....

    Leben Sie schön weiter mit Ihren Ideologien!

  • BF
    B. Ferrier

    Langsam kann ich es nicht mehr hören! Unsere Tochter (heute 16) hat sich an der Förderschule Lernen super entwickelt. Das hätte sie an einer allg.bildenden Schule niemals geschafft, weil die Pädagogen nie so auf sie hätten eingehen können, geschweige denn die anderen Kinder sie so akzeptiert hätte, wie sie ist. Sie ist in der ersten Klassen so schlimm gemobbt worden, dass sie schon psychisch krank wurde! Erst der Wechsel hat uns gerettet. 2,7 Stunden Förderunterricht pro Kind pro Woche ist ein Witz, der nicht geholfen hat! Diese Zeit wird dem enormen Förderbedarf niemals gerecht!!!! Dazu kommen die viel zu großen Klassen, die es den Kindern mit Wahrnehmungsstörungen unmöglich macht, sich zu konzentrieren. Ich sage heute: wir sind Gott sei Dank "aussortiert" worden, denn danach hat die Hilfe angefangen, die ihr heute die Chance und die Selbstsicherheit auf ein selbstständiges Leben gibt!!!!! Was hat sie davon, wenn sie im Unterricht etwas "aufschnappt", aber gar nichts davon versteht? Die Eltern, die heute Inklusion fordern, sind engagierte Eltern, die sich für ihr jeweiliges Kind einsetzen. Was nicht heißt, dass wir das nicht getan haben. Aber wir haben eingesehen, dass unsere Tochter etwas Besonderes ist und das Besondere braucht! Und das sollte sie auch bekommen: es war die erstklassige HILFE !!!!

    Leider sind an der Förderschule viele Kinder, deren Defizite aus Vernachlässigung entstanden sind. Ich bin der Meinung, dass diese Kinder nicht an Förderschulen gehören!

    Aber die Kinder, die im kognitiven Bereich beeinträchtigt sind, brauchen eine andere Förderung!!!! Bitte denken Sie auch daran, Kindern mit z.B. Down Syndrom sieht man von weitem ihr Handicap an. Sie werden von der Gesellschaft nicht überfordert! Lernbehinderte (IQ ca. 70) Kinder sehen aber ganz "normal und gesund" aus. Von ihnen wird immer zu viel erwartet werden, dass sie aber so nicht leisten können, so sehr sie sich auch anstrengen. Diese andauernden Misserfolge zermürben. Aggressionen gegen andere oder sich selbst sind die Folgen.

    Die Förderschule hat das Leben von unserer Tochter und auch unser Familienleben gerettet.

    Wir hatten Fachpädagogen für die gesamte Schulzeit zur Verfügung!!!! Denn auf einmal standen wir nicht mehr hilflos daneben.

    Sie war vorher suizidgefährdet!!! Durch Mobbing von den s.g. netten, „normalen“ Kindern und deren Müttern!!!!! .... und das war für mich die schlimmste Erfahrung: „Was macht dein Kind hier? Das ist doch zu doof! Die lernt doch sowieso nichts! Das hindert mein Kind am Lernen!“ die Aussage von Erwachsenen!!! Und deren Kinder waren nicht besser, so dass unsere Tochter nach Hause kam: „Mama, die anderen Kinder sagen alle, ich wäre doof. Langsam glaube ich das.....“

    Und unsere Erlebnisse sind keine Einzelfälle!

    Da muss sich noch viel ändern, wenn Inklusion erfolgreich werden soll .... Für mich ist es ein Traum von einigen wenigen, die sich mit der Behinderung ihrer Kinder nicht „abfinden“ können! Unsere Kinder sind nicht „normal“ und werden es auch nie sein! Aber wir können ihnen helfen, das Leben zu meistern.

    Die Gesellschaft nimmt kein Rücksicht. Die ist nur an der eigenen Karriere interessiert.

    Wer mit Behinderung nichts zu tun hat, beschäftigt sich nicht damit!!!!!

     

     

    Danke, an alle Politiker, die diesen Förderort FÖRDERSCHULE nicht sterben lassen wollen.

    Noch mehr lesen? Dann auf www.akschulzukunft.npage.de