Energie: Bei den Gasgenossen klingelt es
Die Bremer Energie-Genossenschaft wird derzeit von Kunden überlaufen, denen die SWB gekündigt hat. Obwohl der Genossen-Preis fürs Gas nicht wirklich günstiger ist
Bei der Bremer Energiegenossenschaft klingelt alle paar Minuten die Tür oder das Telefon. "Wir haben seit ein paar Tagen rund um die Uhr zu tun", sagt Michael Großer, einer der beiden Geschäftsführer der Energie-Genossenschaft. "Ich habe keine Zeit, die Zahl der Beratungsgespräche zu zählen, und dazu kommen ja noch die Mails mit den Bestellungen, die wir jeden Tag bekommen und die auch bearbeitet werden wollen." Grund für den Ansturm sind die 4.000 Kündigungsschreiben, die die SWB an alle herausgeschickt hat, die Widerspruch eingelegt haben gegen eine der Gaspreiserhöhungen der letzten Jahre. "Wir sind zu zweit hier im Büro und mussten alle Verwaltungsarbeiten zurückstellen, die nicht dingend sind", sagt Großer.
Vor der Tür steht Petra M. "Ich habe einmal im Jahr 2005 einen Widerspruch eingelegt, aber bis heute immer den geforderten Preis voll gezahlt", sagt sie. Die SWB habe ihr 2005 mit einen Formbrief geantwortet und seitdem nichts mehr von sich hören lassen zum Thema Widerspruch, warum auch. "Ich hatte das mit dem Widerspruch schon fast vergessen, da kam diese Kündigung." Auf die telefonische Nachfrage, was das denn solle, erhielt sie von der SWB die Auskunft, man könne sich nicht die Arbeit machen, bei jedem, der Widerspruch eingelegt hat, zu überprüfen, ob der volle Betrag gezahlt worden sei oder nicht. "Das hat mich so wütend gemacht, dass ich jetzt hier stehe und zur Genossenschaft wechseln will", sagt Petra M.
Fünf Minuten später steigt Arthur Z. vor dem Kontorhaus in der Schlachte 45 vom Fahrrad. Er hat seit einigen Jahren den Rechnungsbetrag um die Summe gekürzt, die die SWB bei den Preiserhöhungen aufgeschlagen hatte. Zu den Klägern gehört er nicht, aber er will wechseln.
So preiswert bekommt er wohl nie wieder Gas. Den verärgerten SWB-Kunden, die in diesen Tagen bei der Energie-Genossenschaft Rat suchen, ist klar, dass das Gas dort nicht billiger ist, obwohl das doch eigentlich der Gründungsgedanke der Genossenschaft: Wenn die SWB willkürlich die Preise anheben kann, dann müsse man das Gas auch preiswerter anbieten können. "Mich irritiert das", sagt eine interessierte neue Kundin, die auf dem Flur auf einen Beratungstermin wartet. Und sie hofft, dass Berater ihr das erklären kann und auch den Sinn der zwei Tarife der Genossenschaft.
Egal ob man bei den Gasrechner-Portalen www.verivox.de und bei www.benergie.de 20.000 oder 40.000 Kilowattstunden eingibt - die Rechnung fällt für die Genossenschaft zwar etwas günstiger aus als die des SWB-Grundtarifs, aber schon der "gas24"-Internet-Tarif der SWB liegt ein paar Euro im Jahr unter dem der Genossenschaft. Und dann gibt es noch den "spar gut"-Tarif der Genossenschaft, der sogar teurer ist als der normale SWB-Tarif.
Berater Michael Großer hört das nicht gern. "Wir haben immer versucht, preiswerter als der örtliche Versorger zu sein und das ist uns bisher gelungen", beharrt er. Mit ihrem teuren Tarif biete die Gasgenossenschaft auf 12 Monate stabile Preise - und trage das Risiko einer Preiserhöhung an der Gas-Börse, deswegen ist das etwas teurer.
Immerhin hat die Genossenschaft dazu beigetragen, der SWB die Preiserhöhungen schwerer zu machen. Und wenn man unterstellt, dass die große SWB das Gas mit Mengenrabatt billiger einkauft als die kleine Energie-Genossenschaft, dann kann man sich schon Fragen, wo dieser Preisvorteil bleibt.
Wie hoch der Mengenrabatt sein könnte, darüber mag Großer nicht spekulieren. Und er versteht, dass die SWB sich nicht in die Karten gucken lässt: "Kein Kaufmann tut das." Rund 1.000 Mitglieder hatte die Gasgenossenschaft vor dem Ansturm. Aktuelle Zahlen will Großer nicht nennen, da lässt er sich nicht in die Karten gucken. Jedenfalls steigt die Zahl derzeit täglich.
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