Venezuela wählt im Herbst: Chávez will noch elf Jahre regieren
Energieprobleme, ein gelähmter Staat und Personenkult um den Präsidenten: Venezuelas rechte Opposition wittert Chancen für die Wahlen im Herbst.
PORTO ALEGRE taz | Als Hugo Chávez vergangene Woche den 11. Jahrestag seiner Amtseinführung als Präsident Venezuelas feierte, deutete er wieder einmal an, wie er sich die Zukunft vorstellt: "Mir gefällt diese Zahl elf", sagte er in einer zweistündigen TV-Ansprache. "Ich bin 55, davon elf als Präsident... In elf Jahren bin ich 66 und, so Gott will, 22 davon als Präsident". An die elf darauffolgenden Jahre wolle er gar nicht denken, denn "77 und 33 wären dann doch zuviel, oder?"
Die Opposition hingegen träumt schon heute von einem Land ohne den Autokraten. "Venezuela ohne Esteban" heißt ihr neues Manifest, Esteban (Stefan) steht dabei für "este bandido", "dieser Verbrecher". Gegen den Satiriker Laureano Márquez, der den Text für die Zeitung Tal Cual verfasste, solle die Staatsanwaltschaft ermitteln, forderte die Informationsministerin.
Venezuela hat turbulente Wochen hinter sich. Am meisten leiden die Menschen unter der Energieknappheit, bis zu vier Stunden täglich wird der Strom abgestellt. 70 Prozent des Stroms stammt aus Wasserkraft, und wegen einer langen Trockenheit sind die Stauseen fast leer.
Statt der geplanten 20 Prozent habe man erst vier eingespart, gab Energieminister Alí Rodríguez am Samstag bekannt. Er kündigte an, man werde in weitere Kraftwerke investieren und mehr auf Windkraft und Energieeffizienz setzen. Experten aus Kuba, Argentinien und Brasilien sollen helfen.
Kurzfristige Lösungen sind aber nicht in Sicht. Stattdessen droht ein weiterer Einbruch beim Wirtschaftswachstum. Bereits 2008 schrumpfte das Bruttosozialprodukt um 2,9 Prozent, die Inflation lag bei 25 Prozent. Die im Januar dekretierte Abwertung des Bolívar führt bereits zu weiteren Teuerungen.
"Schlechtes Management und Planungsfehler sind nicht auf den Energiesektor beschränkt", sagt der linke Soziologe Edgardo Lander. In Behörden und Staatsbetrieben zähle politische Einstellung mehr als Kompetenz. "Die größte Schwäche des chavistischen Projekts ist die außerordentliche Konzentration der Entscheidungsgewalt auf eine Person", meint Lander.
Das Sendungsbewusstsein des Präsidenten nimmt unterdessen immer bizarrere Züge an: "Ich bin nicht ich, ich bin ein Volk, verdammt nochmal, und das Volk hat man zu repektieren", rief er neulich und forderte von seinen Anhängern "bedingungslose Loyalität".
Wie so häufig in Krisenzeiten treibt Chávez die Polarisierung Venezuelaslustvoll voran. So ließ er jetzt den oppositionellen Telenovelasender RCTV, dessen terrestrische Lizenz im Mai 2007 nicht verlängert worden war, aus dem Kabelangebot nehmen. Zahlreiche Protestdemonstrationen waren die Folge. In der Provinzhauptstadt Mérida wurden dabei ein Schüler und ein Student erschossen.
Auch im Kabinett rumort es. So trat Vizepräsident und Verteidigungsminister Ramón Carrizález zurück, "aus strikt persönlichen Gründen", wie es hieß. Die allerloyalsten Minister müssen gleich mehrere Jobs meistern. So bleibt der neue Vize Elías Jaua Landwirtschaftsminister und leitet zugleich die kürzlich verstaatlichte Supermarktkette Éxito.
Gute Voraussetzungen also für die Opposition, die bei den Parlamentswahlen im September geschlossenener denn je antreten will. Das Bündnis reicht von den lange mit Chávez verbündeten Sozialdemokraten von "Podemos" bis an den rechten Rand des Parteienspektrums.
Edgardo Lander hingegen setzt auf eine "weniger personalistische Führung" und auf weniger Konformismus innerhalb des linken Lagers. Chávez müsse seiner Basis, die in den so genannten Gemeinderäten organisiert ist, endlich mehr Spielraum geben, fordert der prominente Intellektuelle fast verzweifelt, "davon hängt die unmittelbare Zukunft ab". Nichts spricht dafür, dass sich der Präsident von solchen Appellen beeindrucken ließe.
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