NRW-Genossen wählen Merkel

Angela Merkel nimmt auch letzte Hürde: Mehrheit der SPD-Bundestagsabgeordneten aus NRW wird CDU-Chefin bei der morgigen Kanzlerwahl unterstützen. Sogar Parteilinke loben jetzt die Frontfrau

VON KLAUS JANSEN

Angela Merkel muss morgen keinen Putsch der Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen fürchten. Die Mehrheit der 54 SPD-Abgeordneten der größten Landesgruppe im Bundestag will bei der Kanzlerwahl für die CDU-Chefin stimmen. „Es ist ausgeschlossen, dass alle Abgeordneten Merkel wählen, aber es wird deutlich weniger Abweichler geben als bei Kiesinger“, so Bochums SPD-Abgeordneter Axel Schäfer. Dem Kanzler der ersten großen Koalition hatten 1966 noch 107 Stimmen aus dem Regierungslager gefehlt.

10, 15, 20 – wie viele Genossen gegen Merkel stimmen werden, ist noch offen. „Ich kenne einige Kollegen, die sich nicht überwinden können“, sagt der Mülheimer Abgeordnete Anton Schaaf. Da Merkel sich bei der Wahl aber satte 139 Abweichler leisten kann, hält Schaaf Gegenstimmen nicht für dramatisch: „Sie wäre auch dann nicht beschädigt, wenn vierzig Stimmen fehlen“, sagt er. Wie er sich selbst verhalten wird, lässt er offen.

Seit Tagen wird über mögliche SPD-Abweichler bei der Kanzlerwahl spekuliert. Die Motivlage der anonymen Sozialdemokraten, die Merkel nicht unterstützen wollen, ist differenziert. Die einen verübeln der CDU die geringe Unterstützung für den SPD-Mann Wolfgang Thierse bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten, andere sind unglücklich mit der großen Koalition – und wieder andere „stellen schlicht Frau Merkels Fähigkeiten in Frage“, heißt es in der SPD-Landesgruppe. Hinzu kommt: Da Merkel auch in den eigenen Reihen Abtrünnige zu befürchten hat, könnte die SPD nach der geheimen Abstimmung mit dem Finger leicht auf bayerische CSU-Machos oder frustrierte Merkel-Opfer wie den Sauerländer Friedrich Merz zeigen. Auch in der NRW-CDU gärt Unzufriedenheit, weil sich der Verband bei der Postenvergabe benachteiligt fühlte.

Die meisten Genossen warnen jedoch davor, die unübersichtliche Lage in der CDU auszunutzen, um Merkel zu schwächen. „Seit der Sache mit Franz Müntefering wissen alle, dass man vorsichtig sein muss“, sagt der Hagener Parlamentarier René Röspel. Denn falls Merkel nicht gewählt werde, sei das den Bürgern nicht zu vermitteln. Röspel will trotz Bedenken für Merkel stimmen: „Es gibt einen klaren Parteitagsbeschluss. Und die Kanzlerwahl ist keine Gewissensfrage, in der man von der Fraktionsdisziplin abweichen sollte.“

Wie Röspel denkt der Mainstream der NRW-SPD. Michael Müller, Noch-Fraktionsvize und künftig Staatssekretär im Umweltministerium, sieht die Zahl der Abweichler „eher bei zehn als bei dreißig“. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hätten SPD und CDU nicht nur inhaltlich viel erreicht, auch das Klima zwischen den Parteien habe sich verbessert, sagt er. Die „emotionale Mauer“ zwischen den langjährigen Gegnern sei weg.

Mehr noch: Andere SPDler haben für Merkel Sympathie entwickelt. „Ich habe jetzt einige Male persönlich mit ihr gesprochen und gemerkt, dass sie in der CDU zu denen gehört, mit denen man am Besten zusammenarbeiten kann“, sagt der Kölner Abgeordnete Karl Lauterbach. Auch wenn das nichts daran ändere, dass er die CDU weiter für eine „unsympathische Partei“ halte, werde er für Merkel stimmen: „Es wird ein glattes Wahlergebnis geben.“

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers traut den neuen Merkel-Fans offenbar nicht so ganz. Der CDU-Landeschef forderte die SPD gestern zu einem geschlossenen Votum für Merkel auf.