der rechte rand
: Ein Dorf wehrt sich gegen Rechts

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

„Rolf Schulze, 50“, „Patricia Wrigth, 23“, und „Jana Georgi, 14“. Drei von insgesamt 131 Menschen die seit 1990 durch Neonazis getötet wurden. Auch die Namen der anderen Getöteten hatten SchülerInnen der Haupt- und Realschule Dörverden mit schwarzer Farbe auf Holzschilder geschrieben. LehrerInnen, Eltern und SchulfreundInnen demonstrierten am Sonntag mit den Erinnerungstafeln gegen das Neonazizentrum „Heisenhof“ bei Dörverden – zusammen mit rund 700 Menschen, überwiegend AnwohnerInnen der 800-Seelen-Gemeinde in Niedersachsen. Sie waren trotz des nasskalten Wetters dem Aufruf des „Bündnisses für Toleranz und Demokratie“ gefolgt, das zum vierten Mal zum „Sonntagsspaziergang“ zum „Heisenhof“ eingeladen hatte. Im Juli 2004 hatte der Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger die ehemalige Militäranlage gekauft.

Der Sonntagsspaziergang zeigte eindrücklich, dass die DörverdenerInnen sich nicht damit abgefunden haben, dass ihr Ort ein Anziehungspunkt für Neonazis werden soll. Die SchülerInnen beispielsweise hatten ihre Schilder bei Projekttagen in der Schule hergestellt. „Damit die Namen nicht bloß Namen bleiben, haben wir uns auch mit den Lebenswegen auseinandergesetzt“, erzählte ein Lehrer der Haupt- und Realschule. An anderen Schulen der Region finden regelmäßig Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu Neonazismus und Nationalsozialismus statt – meistens von SchülerInnen selbst vorbereitet. Ein weiteres Zeichen setzen die HandwerkerInnen und BauunternehmerInnen der Region: Sie verweigern Leistungen für den Ausbau des Zentrums. Und als der Landkreis Verden befürchtete, Rieger wolle auch noch die Verdener Stadthalle erwerben, spendeten BürgerInnen spontan über 235.000 Euro. Mit dem Geld konnte ein Verein das Gebäude erwerben.

Auch die Behörden bemühen sich, den Aus- und Umbau des „Heisenhofes“ zu erschweren. „Mit allen rechtsstaatlichen Mitteln“ wolle man „das Treiben unterbinden“, sagte Dörverdens Bürgermeister Rainer Herbst (CDU) auf der Kundgebung vor Riegers Anwesen. „Geben Sie die Liegenschaft auf“, forderte Herbst den Neonazi auf, „Sie sind hier unerwünscht.“ Der hat sich bisher allerdings unwillig gezeigt und muss nun wegen einer verbotenen Wohnnutzung ein Zwangsgeld von 10.000 Euro zahlen.

Wie wichtig es ist, sich gegen die Rechten zur Wehr zu setzen, machten SchülerInnen deutlich. Eine Schülersprecherin berichtete, dass die Rechten in der Region schon jetzt „anders denkende, gekleidete und aussehende“ Jugendliche bedrohten. Zuletzt hatte Mitte August ein Heisenhofer einen 17-Jährigen angegriffen. Mittlerweile gingen auch Kinder und Jugendliche zu dem Hof, wo sie freundlich aufgenommen würden, berichtete Bündnis-Sprecher Michael Müller. Der Verdener Landrat Peter Bohlmann folgerte daraus, dass „nur zusammen die Entwicklung zu einem bundesweit bedeuteten rechten Zentrum verhindert werden kann“.

Diese Einigkeit von Verwaltung, AntifaschistInnen und BürgerInnen ist mittlerweile ein Vorbild für die Stadt Pößneck in Thüringen. Dort hatte Rieger fast zeitgleich mit dem „Heisenhof“ eine große Hotelanlage erworben. Ein derart breites Bündnis gegen Rechts fehle noch, sagt Frank Hofmann von der Aktion „MenschMachWas“. Die Stadtverwaltung schaue aber nach Dörverden. Per Bauauflage habe sie bisher immerhin den Ausbau verhindern können.