Kanzler-Abschied im Regen

Die Bundeswehr verabschiedet Gerhard Schröder mit einem Großen Zapfenstreich in Hannover. Das Zeremoniell ist in etwa so überflüssig wie die Truppe nach dem Ende des Kalten Krieges selbst

Ein letztes Mal reckt er die Hände zur „Schröder-Faust“ in die Höhe

aus Hannover Kai Schöneberg

Hoffentlich hat der Kanzler warme Socken an. 300 Soldaten und 700 Gäste schlottern, als beim Großen Zapfenstreich die ersten eisigen Regentropfen fallen. Auch die müden Schröder-Augen werden feucht – vor Rührung, als das Stabsmusikkorps „My Way“ spielt. Sieben Jahre hat er es auf „seine Art“ getan, die Geschicke der Republik geführt: Brioni-Kanzler, Agenda-Kanzler, Friedens-Kanzler. Genau dagegen und gegen das „pseudoreligiöse Relikt aus dem Zeitalter von Monarchie und Faschismus“ demonstrierten 100 Friedensbewegte an diesem Samstag in Hannover.

Die Feldjäger haben das Neue Rathaus zur militärische Sperrzone erklärt. Das Areal ist völlig abgesperrt, Sichtblenden behindern die Sicht auf die Zeremonie, Soldaten begleiten Journalisten sogar auf die Toilette. Ein Demonstrationszug musste in 400 Metern Entfernung vom Rathaus defilieren, der beantragte Lautsprecherwagen war verboten worden. Die Polizei stellte Gasdruckfanfaren, Sirenen und ein Megafon „sicher“. Und dennoch waren während der Zeremonie – der feierlichsten, die die Bundeswehr zu bieten hat – Pfiffe zu hören. Es habe „einige Platzverweise und eine Ingewahrsamnahme“ gegeben, sagt ein Polizeisprecher. Ansonsten sei der Protest „reibungslos“ verlaufen.

Wozu ein Großer Zapfenstreich? Fackelträger, Ehrenformationen, Yorkscher Marsch, Trommelwirbel, Nationalhymne und Gedöns. Vielleicht ist die in Variationen seit 1838 bestehende Ehrung von Persönlichkeiten, die sich um die Truppe „verdient“ gemacht haben, genauso überflüssig wie die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges. Der Schröder hat doch nicht mal gedient!

Immerhin: Am Fernsehen verfolgten 7,3 Millionen Zuschauer die Bundeswehr-Show. Ein kleines Zeichen für den Klimawandel nach sieben Jahren Rot-Grün setzte Doris Schröder-Köpf. Hatte sich Uralt-Kanzler Kohl vor sieben Jahren in Speyer noch den Choral „Nun danket alle Gott“, Beethovens „Ode an die Freude“ und den Reitermarsch des Großen Kurfürsten gewünscht, beantragte sie neben „My Way“ die „Moritat von Mackie Messer“ aus der Dreigroschenoper und „Summertime“ von George Gershwin für die Kanzlerdämmerung. Nur „In the Ghetto“ von Elvis Presley hatten die Marschmusikanten vom Barras angeblich nicht in petto. Was wird sich mal die Merkel wünschen?

Drei Tage vor der Vereidigung der neuen Kanzlerin war die gesamte Schröder-Possy nach Hannover gekommen, um Tschüss zu sagen. Müntefering, Steinmeier, Eichel, Schmalstieg, Zypries, aber auch notorische Gerd-Fans wie Esther Schweins, Katja Ebstein, Ottfried Fischer, der „Scorpions“-Chef Klaus Meine und natürlich Kanzler-Freund Götz von Fromberg, der jetzt Hannover 96 regiert. Nicht vergessen: Schröders Mama Erika Vosseler und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die den Gerd vor versammelten Kameras umarmte.

Schröder-Show, der Abspann. Nach einer knappen Stunde Frieren reckt der Bundeskanzler unter dem Applaus der Gäste noch einmal die Hände zur „Schröder-Faust“ in die Höhe, setzte sich in eine Limousine und fährt zum Kanzler-Endessen mit 40 geladenen Gästen im „Roma“. Bald will er Memoiren schreiben, Malen, wieder als Anwalt arbeiten. In Berlin hat sich Schröder bereits ein neues Büro angemietet.

Es ist das Wochenende der Elogen. Schröder lobt sich auf einer Veranstaltung der Arbeiterwohlfahrt selbst, Bundespräsident Horst Köhler lobt seine „bleibenden Verdienste um Deutschland“. Nur Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sieht in Schröder bloß einen „Zwischenkanzler, der letztlich für das gescheiterte Experiment einer rot-grünen Bundesregierung steht“. In den 90er-Jahren hatte Wulff herbe Wahlschlappen gegen Schröder eingefahren.