Wenn und hätte

Beinahe wäre der 1. FC Köln gegen Schalke 04 als Sieger vom Platz gegangen – aber eben nur beinahe

KÖLN taz ■ Uwe Rapolder ist ein leidenschaftlicher Kartenspieler. Doppelkopf, Poker, Skat – „ich spiele alles“, hat er einmal gesagt, und fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Zockerherz gelegentlich auch beim Aufstellen seiner Kölner Mannschaft durchschlägt. Da hatte er nach Monaten des Experimentierens endlich eine stabil wirkende Grundformation, nämlich die 3-4-3 gefunden, die Mannschaft hatte in dieser Aufstellung stark verbessert gewirkt in den vergangenen beiden Partien, und doch hatte Rapolder sich für die Begegnung mit Schalke 04 wieder zu einem Experiment hinreißen lassen: 4-3-3 mit Innenverteidiger Alpay Özalan im defensiven Mittelfeld als Lincoln-Störer und mit dem in Köln äußerst schlecht beleumundeten Roland Benschneider links in der Viererkette. Prompt hatte man in der Halbzeit den Eindruck, der Trainer habe sich gehörig verzockt.

In der ersten Hälfte dieses Spiels, an dessen Ende ein 2:2 stand, „haben wir fast nicht stattgefunden“, stellte selbst Rapolder später ratlos fest. „Um das zu erklären, brauche ich noch ein paar Tage“, sagte er, in jedem Fall sei er in der Kabine laut und deutlich geworden. Denis Epstein, ein Nachwuchsspieler, der verblüffend ähnlich spielt und auftritt wie Lukas Podolski, wurde eingewechselt, Alpay rückte zurück in die Viererkette – und das Spiel wurde ein anderes: Die Kölner drehten den 0:1-Rückstand (Kuranyi, 32.) durch einen Treffer Benschneiders (47.) und einen von Epstein (57.). Zwei Rapolder-Trümpfe, mit denen kaum jemand gerechnet hatte, hatten gestochen.

Rapolders Blatt schien plötzlich aufzugehen, man hatte sich eine Führung und eine komfortable Kontersituation erarbeitet, doch dann kam diese eine Szene, auf die ein Trainer nun wirklich keinen Einfluss hat: Der Marokkaner Youssef Mokhtari lief nach 70 Minuten auf Christoph Heimeroth zu, der den verletzten Frank Rost im Schalker Tor ersetzte, neben ihm Matthias Scherz und Lukas Podolski. Selbst ein schlecht getimter oder ungenauer Querpass hätte die beiden allein vor das leere Tor gestellt, aber Mokhtari schoss selbst. Daneben. Es war eine Szene, die am Samstagabend garantiert bei vielen Kölnern für Schlaflosigkeit sorgte. „Ich war zu überhastet, wollte das Tor selber machen“, sagte Mokhtari traurig. Es war der Schlüsselmoment des Spiels, zu dem Rapolder erklärte: „Der Junge muss jetzt einen Aufsatz über Teamgeist, soziale Kompetenz und Altruismus schreiben.“

Der stark verbesserte Lukas Podolski scheint diese Lektion gerade gelernt zu haben, er ackerte leidenschaftlich für die Mannschaft, ohne allerdings individuell zu glänzen. „Poldi hat gezeigt, dass er sich jetzt hier als Teamplayer sieht“, meinte Manager Andreas Rettig zufrieden. Über Mokhtari lässt sich das nach diesem Spiel gewiss nicht sagen. „Wenn der quer spielt, hätte er das Spiel entschieden“, meinte auch Schalkes Fabian Ernst, was für die Kölner weitaus mehr gewesen wäre als nur ein Sieg. „Wenn wir jetzt 13 Punkte hätten, hätten wir den Wendepunkt erreicht“, sagte Rapolder. Aber wie das so ist mit den Konjunktiven im Leben, Ebbe Sand köpfte kurz vor Ende noch den Ausgleich, und so taumeln der Klub und sein Trainer weiter bedenklich nah am Abgrund. Der MSV Duisburg hat am kommenden Wochenende die Möglichkeit, Kölns Fußballwelt nach ein paar ruhigeren Wochen wieder erdbebenartig zu erschüttern.

Den Schalkern droht das schon am Mittwoch. Denn dann spielt Ralf Rangnicks Team in der Champions League gegen den PSV Eindhoven, wo es auf keinen Fall verlieren darf, will es eine realistische Chance aufs Achtelfinale wahren. Die Stimmung, die man aus dem Wochenende mitbrachte, ist allerdings alles andere als beflügelnd. In der ersten Halbzeit habe man es versäumt „den Gegner abzuschießen“, formulierte Rangnick. Sein Team hat im 13. Spiel zum 7. Mal unentschieden gespielt. Fabian Ernst verweigerte daher auch den Blick auf die Tabelle, „da schaue ich erst wieder drauf, wenn wir nächste Woche Bremen geschlagen haben“, sagte der Nationalspieler. DANIEL THEWELEIT