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Sanktionen für ArbeitsloseHartz IV-Kürzungen nur mit Ansage

Wer regelmäßig Termine im Jobcenter verpasst und Arbeit ablehnt, muss damit rechnen, dass er weniger Sozialgeld bekommt. Aber die Sanktionen kommen nicht automatisch.

"Ziel des Jobcenters ist nicht, jemanden zu sanktionieren", so Pressesprecher Uwe Mählmann. Bild: dpa

BERLIN taz | Schnee schippen, Laub harken, Regale bepacken - es gibt viele Ideen, wenn es darum geht, "faule" Hartz-IV-EmpfängerInnen zur Arbeit zu zwingen. Dabei gibt es jetzt schon eine Vielzahl von Sanktionen.

Die Maßnahmen reichen von der Kürzung bis hin zur kompletten Streichung des Regelsatzes. Ausgenommen aus dem Kürzungskanon sind Miet- und Heizungskosten. Die Höhe einer Sanktion hängt vom "Verstoß der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen" ab, sagt Anja Huth, Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Wer zum Beispiel Termine im Jobcenter regelmäßig nicht einhält, muss damit rechnen, dass der Regelsatz um zehn Prozent gekürzt wird. Eine alleinstehende Person erhält dann statt der 359 Euro nur noch 323,10 Euro. Wer sich weigert, eine "zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen", wie es in einem Papier der BA heißt, muss mit einer Kürzung um 30 Prozent rechnen.

Auch wenn jemand eine vom Jobcenter vermittelte Weiterbildung ablehnt, werden die Zuwendungen um 30 Prozent gekürzt. Ebenso, wenn jemand "Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit" abbricht.

"Ziel des Jobcenters ist nicht, jemanden zu sanktionieren", sagt Uwe Mählmann, Pressesprecher der Agenturen für Arbeit in Berlin: "Es gibt immer die Möglichkeit, miteinander zu reden." Hartz IV wird also nicht automatisch und sofort gekürzt, sondern "nachdem die Maßnahmen besprochen und angekündigt" worden seien. Notwendig für eine Kürzung sei auch, dass "kein wichtiger Grund" für eine Arbeitsverweigerung vorliege.

Eine Kombination aus Sanktion und Hilfe ist die sogenannte assistierte Begleitung: MitarbeiterInnen von Bildungsträgern begleiten im Auftrag der Jobcenter Bedürftige zu Bewerbungsgesprächen oder zu Arbeitgebern. Damit soll verhindert werden, dass sich jemand so präsentiert, dass ihn der Arbeitgeber ablehnt.

"Über solche Maßnahmen entscheidet jedes Jobcenter selbst", sagt Anja Huth: "Begleitungen gibt es nur für ,Härtefälle' und müssen auf den individuellen Bedarf abgestimmt sein."

Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum eine Arbeit abgelehnt werden kann. Alleinerziehenden sind beispielsweise keine Jobs zuzumuten, bei denen die Arbeitszeiten außerhalb von Kitaöffnungszeiten liegen oder wenn es erst gar keine Kitabetreuung gibt. Halten Alleinerziehende dagegen ständig ihre Termine mit dem Jobcenter nicht ein, kann auch ihnen der Regelsatz gekürzt werden.

Von Januar bis Oktober 2009 wurden deutschlandweit insgesamt rund 600.000 Sanktionen ausgesprochen. Das entspricht einer Quote von 2,5 Prozent. In Bayern ist die Sanktionsquote mit 3,2 Prozent am höchsten, in Sachsen und Bremen mit 2 Prozent am geringsten. Ursache hierfür ist der Arbeitsmarkt: Sanktionen greifen nur dort richtig, wo es mehr Jobs gibt.

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19 Kommentare

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  • D
    Dona

    Es gab vor ein paar Jahren Statistiken, die belegten, dass eine große Gruppe von Menschen einfach nicht mehr die Unterlagen für Hartz-IV beibringen konnte. Und so ist das System aufgebaut: Alles ist kryptisch, die Arbeitslosen können sich an x Stellen selber ins Bein schießen, weil sie falsche Angaben machen können. Wer auch nur einen Bausparvertrag, ein PKW und eine geringfügige Beschäftigung hat, der darf ordentlich Unterlagen dahin bringen.

    Und genau mit diesen Unterlagen kann dann die ARGE Kürzungen vornehmen. Ich würde platt sagen, dass es sich lohnt, gegen jeden Bescheid erst Mal einen Widerspruch einzulegen - und wenn es nur drei EURO sind ...

    Ansonsten gibt es wissenschaftlich keine einzige Studie die zeigt, dass der Mensch pariert, wenn er stark gezwungen wird. Weitaus eher ist das Gegenteil der Fall: Ohne Motivation macht niemand einen Schritt und hat auch niemand ein positives Bild einer Arbeit. Zeitarbeit muss nicht immer falsch und schlecht sein, aber wenn ein Arbeitsloser dies nicht will, bringt es eben nichts, ihm eine Stelle in Bayern bei so einer Firma anzubieten, wenn er in Oldenburg lebt.

    Aber solche Fälle sind auch eher selten, eigentlich wird an dieser Stelle wenig gekürzt und sanktioniert, weil viele Arbeitgeber gar nicht mitspielen.

    Würden die im Stille der ARGE die Arbeitslosen auch noch anschwärzen, dann sehe es wohl anders aus. Aber wer eine Stelle frei hat, sucht eben vor allem eine Arbeitskraft. Deswegen hat die ARGE pech, aber ansonsten kann man ja Briefe maximal knapp versenden oder während irgendwelcher Post-Streiks viele Klienten einladen, die Chance dabei ein oder zwei zu sanktionieren, wird definitiv wahrgenommen.

    Der Hintergrund ist wohl unschwer zu erraten: In Ermangelung irgendwelcher echter Erfolge müssen eben Sanktionen her, die dann belegen, wie aktiv und durchsetzungsfähig ein ARGE-Mitarbeiter ist oder sein kann.

    Auf gut Deutsch: Die ARGE will Sanktionierungen, weil es spart und alles, spart, ist gut. So einfach die Logik. Nur die wahren Aufgaben dieser Behörde werden gar nicht erbracht: Weder findet eine echte Betreuung, noch eine Vermittlung statt. Auch sind die Jobcenter inzwischen vielerlorts Mittwochs und Freitags geschlossen für die Berattung und Vermittlung. Dass an nur drei Wochentagen großartig vermittelt werden kann, glaubt wohl niemand, zumal die ARGE pünkltlich um 15.30 Uhr zu ist.

    Das hat wohl arbeitsrechtliche und tarifverträgliche Gründe, aber viele Arbeitslose müssen in Internetcafes Stellen suchen und gegen 0,10 Cent ausdrucken. Solche Dienstleistungen erbringt die ARGE nämlich auch nicht, zumal das ja Geld kosten würde: Papier, Drucker, IT, Betreuung etc. Aber genau das wurde am Anfang der Reform ja versprochen: Nah am Kunden, lange Öffnungszeiten und große Angebote für die Arbeitslosen.

    Ich kann nur jedem Arbeitslosen raten, immer extrem früh zur ARGE aufzubrechen und lieber dort 20 Minuten zu sitzen, als am Ende eine 10-Prozent-Kürzung wegen Nix einzukassieren.

  • DG
    Der Geharzte

    Wolfgang... du hast völlig recht... es ist schon eine sauerei wie die uns arbeitslosen behandeln.... als währen wir Verbrecher. Ich selber schreibe im monat an die 5-6 bewerbungen aber auch nur da wo es sich wirklich lohnt. und ich sage zeitarbeit lohnt sich nicht. man bekommt im durchschnitt nur 5-6 euro die stunde und muss in 3-schichtsystem arbeiten. wenn man miete strom usw. zu zahlen hat kommnt man da vom regen in die traufe. aber das siet das arbeitsamt nich... im gegenteil...

    die wollen mich bundesweit vermitteln gegen meinen willen. ich habe dort schon mit konzepten für weiterbildung vorgesprochen um meine changse auf dem arbeitsmarkt zu verbessern aber ich sties bisher nur auf ablehnung. dabei dachte ich immer dies gehöre zu deren grundaufgaben. die wollen ein beschäftigen auf biegen und brechen. so nach dem motto hauptsache arbeit und wenn diese umsonst ist. ich habe den gärtner gelernt und finde nichts. bin zeit einanhalb jahren arbeitslos. und lebe mit 22 jahren in der sogenanten bedarfsgemeinschaft mit meinen vater. wir haben im monat zusammen nur knapp 900 euro zur ferfügung und davon müssen 2 haushalte finanziert werden komplett mit allem drum und drann. ich selber habe nur 80% vom regulähren regelsatz und mus gezwungener mahßen auf kosten von mein vater leben. ich versuche ja aus eigenem antrie aus der lage zu kommen aber ich habe das gefühl das a-amt arbeitet gezielt gegen mich.

  • M
    Maindl

    Ich habe so eine Sanktion mal abbekommen und das war wegen eines einzigen Termins, den ich sogar noch ein paar Minuten vorher telefonisch absagen wollte, aber da kam ich nicht durch. Und das ist es: Bei der ARGE läuft das mit der Kommunikation nicht, gleichwohl haben die das Recht und die Möglichkeiten, zehn Prozent zu kürzen.

    Und danach war das Verhältnis zu meinem Berater extrem gereizt. Er fühlte sich sehr gut, denn in seiner kleinen Welt hatte er dieses Mal wenigstens was machen können - gegen mich. Seine ansonsten wenig erbaulichen und meist aus dem Zusammenhang stehenden Aussagen (Jobvermittlung existierte nicht) waren bei mir ja nicht angekommen bzw. hatten nichts gebracht, sprich ich war immer noch arbeitslos und suchte Arbeit.

    Also nervte ich und dann kam dieser Morgen und ich war krank, erinnerte mich, versuchte die ARGE zu erreichen. Und ich schrieb auch einen Widerspruch und hätte am Ende klagen müssen. Das war mir dann zuviel und so beliess ich es dabei. Aber ich hatte noch weniger Geld als sonst und mich stellte auch niemand ein. Also lieh ich mir geld und schulde es immer noch.

    Die Sanktionen beim ALGII sind meiner Meinung nach kontraproduktiv, weil sie nur Druck erhöhen, der sowieso schon besteht. Also, wozu noch mehr Druck, noch mehr Arbeitssuche, noch weniger Geld in der Tasche? Ich denke, dass gerade die Sanktionen viel eher einem negativen Menschenbild entsprechen, als wirklich einen Sinn haben. In meinem Fall ging es ja um Macht und das Ausnutzen einer Situation, wahrscheinlich sehen das die Controller und Vorgesetzten einfach gerne, wenn die Leute etwas GEGEN die Arbeitslosen durchsetzen können. Aber was bringt das konkret? Dadurch habe ich auch keine Arbeit gefunden und mein Vermittler ist bei der ARGE jetzt auch raus, weil er einen Zeitvertrag hatte.

  • JA
    Jörg Awe

    Es ist erschreckend, wie die Gesetzgebung, sprich Bundesregierung mit dem Grundgesetz umgeht. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung, usw. Mit Einführung der sogenannten Harz4 Gesetze, Agenda 2010 haben alle regierenden, Rot Grün, später Schwarz Rot, und nun Schwarz Gelb ihren Beitrag geleistet um diesen Anspruch nicht gerecht zu werden. Es werden Handlungsanweisungen vom Bundesminesterium für für Arbeit und Soziales erlassen die so skuriel sind und sich nicht mehr mit dem Gesetzen decken. So spricht eine Handlungsanweisung gegen das Gesetz SGBII §31 Wer sich weigert eine Zielvereinbarung zu unterschreiben WIRD sanktioniert. Nicht kann sondern wird. Die Zielvereinbarung selber ist ein öffentl. rechtl. Vertrag die die Interessen beider Parteien würdigen soll. Dies war in vielen Fällen aber nicht der Fall, sondern es wurde viel zu oft einseitig die EGV diktiert und mit Sanktion gedroht. Dies ist schon strafrechtlich relevant und geht in den Besreich der Nötigung. NUN hat selbst das Ministerium für Arbeit Soziales in ihren handlungsanweisungen eingeräumt das nicht mehr sofort sanktioniert werden darf, sondern die EGV zu Not per Verwaltungsakt festgelegt wird. Das heißt MAN ERLÄST EINE ANWEISUNG DIE DAS GESETZ UNTERLÄUFT. In diesen fall zum Gusten des Hilfebedürftigen. Im Umkehrschluss tut sich die Frage auf, das ein apstraktes Instrument ein rechtsfrage würdigen § (31SGBII) aushebeln kann. Sollte ein Anwalt gegen diesesn Paragraphen Verfassungsklage einreichen, wären die Chansen gegen die willkürlich verhängten Sanktionen rückwirkend bis zu 4 Jahre dagegen vor zu gehen. Medien, Politiker und Richter schauen beflissend weg statt den Tatsachen ins Auge zu blicken. 600 Tausend offene Stellen zu 6,5 Mio harz4 Empfänger, Verzicht auf Mindestlöhne, Streichung von Sozialleistungen, Aufbauschen von 2% Sozialmissbrauchsfällen im Vergleich zu 33% von falschen Bescheiden die vor dem Sozialgerichten gewonnen werden von den Hilfeempfängern. Die Arbeitsministerin äußert sich ungefähr wie folgt dazu.,, Wir müssen mehr sanktionieren (bei 2 % Misbrauchsfällen)." Die frage der falschen und durchgeklakten Bescheide abeantwortet Sie wie folgt:,, Fehler pasieren!." und geht mit keiner Silbe mehr auf diesen Fakt ein. Salopp gesagt, wird von den eigentlichen Problem abgelenkt, statt ihren Saustahl in Ordnung zu bringen. Solange aber ranghohe Politiker die Bevölkerung auspielen mit Hilfe von medien wird es so wohl weitergehen. Mühnte als ehem. Arbeitsminister sagte:,, Wer nicht arbeitet soll auch nichts zu essen haben." dies bei 600 Tausend offenen Stellen und 3,5 Mio Arbeitslose. Sollen nun ca. 3 Mio Arbeitslose verhungern, das die regierung ihr Ziel, Senkung der Arbeitslosenzahlen zu verwirklichen??? Der Meinung Hrn.Geißlers, seine Antwort zu dekadente Verhältnisse wie im alten Rom, geäußert vom Ausenminster Westerwelle kann ich mir nur anschließen:,, Wir haben seid 100 Tagen einen Esel als Außenminister!" Die Esellei zeigt sich im FDP Sparbuch, Leistung soll sich lohnen,(wohlbemerkt nur für leistungsträger, deren leistung darin besteht Kapital zu besitzen und Steuerhinterziehung in Millardenhöhe ihr Hauptberuf ist. es müssen Baken gerettet werden Verluste mit Steuergelder subvesiuniert werden Gewinne am Fiskus vorbeigeschleust werden und Lobiisten gestärkt werden (Hotels 7% Steuern)ABER EINEN SOZIALSTAAT KÖNNEN WIR UNS NICHT LEISTEN; DIES WÄRE ALTRÖMISCH DEKADENT. Wie boniert ist solche ESELLEI

  • F
    Farbenseher

    Das Video, von dem Tjark spricht, nennt sich "Die Armutsindustrie" und zeigt eindringlich die Entwicklung des Phantomarbeitsmarktes auf, der sich rund um HIV entwickelt hat. Absolut schockierend, auch wenn man (realistischer Weise) mit dem Schlimmsten gerechnet haben sollte.

     

    Unbedingt bei youtube ansehen und weiterempfehlen.

  • S
    Sonja

    Michi Hartmann:

     

    Deine Erfahrung kann ich nur bestätigen. Du kannst machen was du willst, sobald dir der kleinste Fehler unterläuft, wirst du behandelst wie ein oberfauler Depp und Schmarotzer, gerade dann, wenn du dich bemühst eine ausweglos scheinende Situation zu beenden und dein Leben in den Griff zu kriegen und dabei vielleicht ein paar eigene Ideen entwickelst.

     

    Die wollen halt einfach nur ein Heer von dumpfen Almosenempfängern schaffen, die jederzeit als Prügelknaben der Nation herhalten sollen.

  • Q
    Quax

    Die Autorin kennt offenbar den Unterschied zwischen Sozialgeld und Arbeitslosengeld II nicht. Ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, wie es so schön im Amtsdeutsch heißt, bekommt Arbeitslosengeld II und nicht Sozialgeld.

     

    Weiter schreibt sie: „Ausgenommen aus dem Kürzungskanon sind Miet- und Heizungskosten.“ Das ist unzutreffend. Wahr ist vielmehr, daß sämtliche Leistungen gestrichen werden können, einschließlich der Unterkunftskosten. Und was die Situation für die von Kürzungen Betroffenen noch etwas dramatischer macht ist der Umstand, daß in dieser Zeit auch keine ergänzende Sozialhilfe beansprucht werden kann.

     

    Dann schreibt die Autorin: "Wer zum Beispiel Termine im Jobcenter regelmäßig nicht einhält, muss damit rechnen, dass der Regelsatz um zehn Prozent gekürzt wird.“

     

    Hier sollte man vielleicht erwähnen, daß der Gesetzgeber eine Kürzung schon nach nur einem einzigen Termin vorsieht, den man ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen hat. Man hat hier also nicht quasi mehrere Versuche frei bis es zu einer Kürzung kommt, wie das obige Zitat vermuten lassen könnte.

     

    Die assistierte Begleitung stellt für mich eine halbe Entmündigung der Betroffenen dar. Man unterstellt den Arbeitslosen damit, daß sie sich erst gar nicht richtig vorstellen können oder wollen. Daß diese Begleitung nicht von den Jobcenter-Mitarbeitern selbst, sondern von Mitarbeitern von Bildungsträgern durchgeführt wird, macht die Sache nicht besser.

  • O
    ooops

    Warum heißt es wohl Existenzminimum?

    Weil da noch Platz zum kürzen ist?

     

    Auf dieser Basis könnte die FDP (früher oder später wird sie es) behaupten:

    Siehe Deutschland H4 Bezieher überleben auch mit einer 30% Kürzung. Folgerichtig wollen wir diese Kürzung flächendeckend einführen.

    Flankiert von Bild und Arbeitgeberverband wird das sicherlich einige Stimmen bringen.

    Geht bloß wählen!!

    http://www.einewahl.de

  • M
    Miriam

    Die Kommentare der Leser zum etwas zu beschönigenden taz-Artikel werden auch durch einen Beitrag in der aktuellen Verdi Zeitung bestätigt. Online nachzulesen unter http://publik.verdi.de/2010/ausgabe_01_02/gesellschaft/gesell/seite-9/A0

  • G
    glasbruch

    Wie kann man eigentlich ein Existenzminimum noch kürzen? Ob Sanktionen in seltenen Einzelfällen gerechtfertigt sind oder nicht sei dahingestellt, es ändert nichts daran, daß die Menschen ein Grundlage für ihre blosse Existenz brauchen.

    Mal abgesehen davon: Papa hat einen Termin beim Arbeitsamt verpennt. Betraft wird dann in guter alter deutscher Sippenhafttradition die ganze Familie, samt Ehepartner und Kindern.

  • T
    Tjark1982

    Die "taz" ist nur noch enttäuschend. Der Artikel klärt zwar sachlich über die gesetzlichen Grundlagen des sog. "Sanktionenparagraphen" auf, stellt aber die Frage nicht, ob ein solcher überhaupt legitim ist.

     

    Ist es legitim, von Menschen zu verlangen, sinnlosen Eingliederungsmaßnahmen und 1-Euro-Jobs zuzustimmen?

     

    Ist es legitim, sie in unterbezahlte Arbeit zu zwingen und somit die Zahl der sog. "Aufstocker" zu erhöhen?

     

    Was damit erreicht wird ist v.a. ein durch das staatliche Sanktionensystem quasi "befeuerter", lebending wachsender Markt unterbezahlter Arbeit.

     

    Schlimmer noch: Wie ein Dokumentarfilm unlängst aufgedeckt hat, gibt es Fälle wie den folgenden: Ein Trampolinhersteller hat von der Arbeitsargentur Arbeitskräfte vermittelt bekommen, die übliche Produktionsarbeiten zum Nulltarif für diesen erledigen. Auf die Frage, ob er nicht auch reguläre Arbeitsplätze schaffen könnte, grinste er nur vielsagend-zynisch und meinte, diese Frage könne er "nicht qualifiziert" beantworten...

     

    --> Daher gilt: Hartz IV in seiner jetzigen Form sollte nicht erklärt, sondern SEHR kritisch hinterfragt werden!

  • MH
    Michi Hartmann

    Von wegen keine Sanktionen, nicht nur das, sondern die pure Willkür... ich habe mich mit ALG II selbstständig gemacht und musste jeden Monat meine Einnahme-Überschussrechnung abgeben. Die Form meiner Buchhaltung genügte dem Amt aber nicht, also bekam ich nach ein paar Monaten ein Schreiben, dass ich das anders aufschlüsseln muss mit Abgabefrist und 18 (!!!) verschiedenen Posten, die alle gesondert ausgerechnet werden mussten jeweils mit allen Belegen (132 Kopien). Also hinsetzen, den ganzen Sonntag lang die Buchführung komplett neu berechnen für mehrere Monate, eine Woche vor Ablauf der Frist eingereicht, persönlich abgegeben mit Eingansstempel, trotzdem das ALG komplett (!!!) gestrichen... wenn das keine Willkür ist, dann weiss ich es auch nicht. Nur um das Geld für die Miete zu bekommen, musste ich regelrecht betteln. Die haben es geschafft, dass ein gestandener Mensch von 47 Jahren da vor Wut heulend rausgegangen ist. Und das geschah mir, obwohl ich hart gearbeitet habe, um möglichst schnell vom Amt weg zu kommen, ich habe jeden Termin wahrgenommen und alle Auflagen erfüllt... danke, Jobcenter Berlin Pankow, f... y...! Zum Glück bin ich auf die nicht mehr angewiesen und mir tun alle echt leid, die es immer noch sind.

  • J
    Joe

    "Ziel des Jobcenters ist nicht, jemanden zu sanktionieren", sagt Uwe Mählmann, Pressesprecher der Agenturen für Arbeit in Berlin: "Es gibt immer die Möglichkeit, miteinander zu reden." Hartz IV wird also nicht automatisch und sofort gekürzt, sondern "nachdem die Maßnahmen besprochen und angekündigt" worden seien.

     

    Das ist Schönfärberei. Ich habe es anders erlebt: Der Sachbearbeiter hat sich blind und taub gestellt, und hat durchsanktioniert. Erst als eine Anwältin sich eingeschaltet hat, hat die Rechtsabteilung innerhalb von Tagen den Kürzungsbescheid widerrufen; die Willkür des Sachbearbeiters war einfach zu offensichtlich, ein Prozess aussichtslos für die ArGe.

     

    Wer jetzt "bedauerlicher Einzelfall" denkt (die Standard-Ausrede überführter PR-Sprecher), sollte überlegen, warum wohl der Begriff "Verfolgungsbetreuung" aufgekommen ist. Meine Antwort: Weil das Schikanieren von Hartz-IV-Empfängern so regelmäßig vorkommt, dass die Beteiligten einen Fachterminus dafür brauchen.

  • S
    skilliard

    Diese Aussagen sind glatt gelogen. Es wird sehr wohl gekürzt, BEVOR es irgendeine Anhörung gegeben hat, rechtmäßig hin oder her. Zum Teil liegt das an der fachlichen und menschlichen "Qualität" des Personals, aber auch an dem Druck, der von der Spitze nach unten ausgeübt wird, um Geld zu sparen und die Statistik zu schönen.

    Es ist ein Märchen, dass jeder in Deutschland das Existenzminimum erhält, das ihm zusteht. Außerdem werden Sanktionen von 100% ausgesprochen, die auch die Miete beinhalten: Wohnungsverlust droht. Gerade für unter 25jährige ist das im Gesetz ausdrücklich so vorgesehen. Viele Angebote der Arbeitsagentur sind sinnlose Geldvernichtungsaktionen, die nichts bringen und die nur die Schulungsinstitute unterhalten und die Statistik schönen.

    Es heißt dann so schön, eine "zumutbare Beschäftigung" würde abgelehnt. Was heutzutage als zumutbar gibt, ist leider in viel zu vielen Fällen menschenverachtend und dient allein dem Erhalt des Verwaltungsapparates.

  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Existenzminimum kann nicht gekürzt werden

    ----------------------

     

     

    Eine Kürzung des soziokulturellen Existenzminimums verstößt ebenso gegen das Grundgesetz wie auch eine durch HARTZ IV begründete Arbeitspflicht.

     

    Durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht zu HARTZ IV wurde ein neues Grundrecht: "ein konstitutionelles Anrecht auf ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen" (Lord Ralf Dahrendorf) geschaffen, das sich aus Artikel 1 GG, der Würde des Menschen, ableitet.

     

    Die Politik ignoriert diesen Sachverhalt und die Presse ist blind - die taz eingeschlossen.

     

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist ein Grundrecht und kann deshalb nicht an eine Arbeitspflicht geknüpft werden.

     

    In diesem Zusammenhang ist auch Artikel 12 unseres Grundgesetzes zu sehen:

     

    Artikel 12 GG

     

    (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

     

    (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

     

    (3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

     

    Fazit: Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) kann über die persönliche Steueridentnummer ausgezahlt bzw. mit der zu zahlenden Einkommensteuer und sonstigen Sozialtransfers verrechnet werden.

     

    Eigentlich wäre dies ein Thema für die Bündnisgrünen, die ja ein BGE schon in den 1980er Jahren gefordert haben und für die wirklich Liberalen in der FDP im Sinne eines sozialen Liberalismus.

     

    L.P. Häußner, Karlsruhe

     

    Mitglied im GRÜNEN Netzwerk Grundeinkommen

  • H
    Heinrich

    Entschuldigt, aber ich habe selten einen solchen Dummfug gelesen.

     

     

     

    Kürzungen gibt es schon bei kleinsten Verfehlungen, das Geld muß man sich mittels Widerspruch und Klagen vorm Verwaltungsgericht mühsam wieder "erarbeiten".

     

    Aber es fehlt halt monatelang.

  • HK
    H. Krill

    Sehr gut, denn wie wir alle wissen legt die Armutsagentur größten Wert auf Wahrung und Nichtverletzung von Rechten und Pflichten gegen Arbeitslose und nutzt in keinem Fall etwa ihre höhere Position aus, weil sie am liebsten will, dass nicht sie selbst höher steht in der asymmetrischen Beziehung zum Klienten, sondern das der Klient höher steht in dieser Beziehung und also zu achten und zu würdigen ist.

     

    Schön, dass das Problem jetzt endlich behoben ist. Endlich, endlich. Sehr schön alles.

    Auch alles so schön bunt hier!

    Nanu...?

  • MM
    Marion Manneck

    Laut dem Leitfaden zum Arbeitslosengeld II und dem § 31 SGB II kann die Leistung um 100 % gekürzt werden was auch die Einstellung der Unterkunfstkosten für drei Monate beinhaltet. Es können Lebensmittelgutscheine ausgestellt werden.

    Bis heute habe ich noch nirgendwo lesen können, wieviele Menschen in die Obdachlosigkeit sanktioniert wurden, wieviele verhungert sind und wieviele den Suizid gewählt haben.

    Für das alles wollen die Politiker von CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne das Grundgesetz ändern. Nach dem Motto was nicht passt wird passend gemacht.

  • W
    Wolfgang

    Es wäre weitaus erfolgreicher, wenn sich die Jobcenter auf die ARBEITSWILLIGEN konzentrierten und näher fragen, welche Arbeit ein Kunde verrichten möchte.

    Früher hat jeder Vermittler bei sich eine Kartei gehabt, auf der jeder Beruf ausführlich beschrieben wurde. In den Jobcentern hocken jedoch Bedienstete, die vom Inhalt der Berufe überhaupt keine Ahnung haben.

    Das ist das Problem. Sanktionen verhängen kann jeder!!