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Die WahrheitDas dämonische Pferd

Neues aus Westfalen: Wie die Gemeinde Nottuln die Kirmes erfand.

Alljährlich am 1. März findet nun dieses Spektakel - die Nottulner Kirmes - auf dem Marktplatz statt. Bild: ap

An einem grauen und vernieselten Märztag im Jahre 1993 waren die grobschlächtigen und am ganzen Körper mit dichten, verfilzten Haaren bedeckten Bewohner des kleinen Dörfchens Nottuln in Westfalen einmal in heller Aufregung. Ihre quadratischen Köpfe und aufgequollenen Bäuche waren schon seit den frühen Morgenstunden randvoll gefüllt mit Fußpils, jenem berüchtigten Gebräu aus dem, was sich die Nottulner einmal im Jahr bei dem gemeinsamen Bad im Dorfbottich unter den langen, gelblichen, gekrümmten Zehennägeln hervor- und von den verhornten Fußballen abschaben, und dem getrübten Badewasser, in dem sie ihre faulige Ernte dann ein paar Wochen gären lassen.

"Nottuln" bedeutet im älteren Sprachgebrauch ungefähr "Ort der etwas anderen Menschen und Tiere", und in der Tat gibt es allerhand seltsame Geschichten von diesem gottverlassenen Fleckchen zu erzählen, wie zum Beispiel die Geschichte vom dämonischen Donnerpferd, die sich am 1. März des eingangs schon erwähnten Jahres 1993 zutrug.

Es begab sich also, dass an jenem trüben Tage - wie alle Tage in diesem verregneten und gottverlassenen Nest gleichsam eben trübe sind - der Dorfweise Jupp Hoffschulte, der schon zweimal in seinem Leben das nebenan gelegene Havixbeck bereist und dort sogar beinahe einen Schulabschluss erlangt hatte, dass ebenjener Dorfweise also schon in den frühen Morgenstunden seinen Gang über die umliegenden Felder absolviert hatte, bei denen er sich allmorgendlich in der philosophischen Frage erging, wie denn wohl seine Dorfgemeinschaft darüber denken würde, wenn er eines fernen Tages einfach seinen Gang über die umliegenden Felder und seine daraus resultierenden philosophischen Gedanken lassen und stattdessen gemütlich im Bett bleiben und weiter schnarchen würde wie alle anderen auch.

An besagtem Morgen also hörte der Dorfweise plötzlich ein bedrohliches Getöse, das direkt aus der Hölle zu kommen schien, und in der Morgendämmerung sah er voller Entsetzen schemenhaft die Umrisse eines Reiters in unfassbarem Tempo auf einem schauderhaften, kaum zu beschreibenden dämonischen Donnerpferd, das unentwegt grässliches Geschrei von sich gab, die Straße entlangfliegen. Und weil der Dorfweise noch nie zuvor einen betrunkenen Havixbecker, der mit seinem frisierten Mofa in den frühen Morgenstunden von einem entfernten Landjugendfest auf dem Weg nach Hause ist, gesehen hatte, so musste er die Erscheinung für nichts Geringeres als den Leibhaftigen persönlich halten.

Schreiend und mit den Armen wild fuchtelnd lief er zum Marktplatz und läutete stürmisch die Feuerglocke, bis alle Nottulner mit ihren sackartigen Schlafwämsen an den groben Leibern und Gummistiefeln unter den Armen herbeigelaufen kamen und sich - nachdem der Dorfweise die unfassbare Geschichte berichtet hatte - jammernd und klagend auf dem schlammigen Boden wälzten. Der Bürgermeister Josef Schalau drehte sich vor lauter Ratlosigkeit unentwegt um sich selbst und der Dorfweise Jupp Hoffschulte walkte nachdenklich sein Kinn. Dann verkündete er, etwas Ähnliches wie das dämonische Donnerpferd habe er schon mal bei einer seiner Reisen nach Havixbeck gesehen. Dort würden sich die Bürger einmal jährlich versammeln und in entsetzlich lärmenden Foltermaschinen, die sie Karussells nannten, immerzu im Kreis fahren, um den Leibhaftigen zu besänftigen. Man täte gut daran, fuhr der Dorfweise fort, es den Havixbeckern gleichzutun und auf der Stelle eine Karussellfahrt zu veranstalten, um Übel von der Dorfgemeinde abzuwenden.

Bei dieser schönen Gelegenheit, erklärte der Dorfpfarrer Huber - und eine purpurne Röte ergriff dabei seine pockige Nase -, bei dieser Gelegenheit also könne man doch auch Hühner bei lebendigem Leibe essen und mit zuckenden Gliedmaßen ein Feuer umtanzen, denn er glaubte, irgendwo gelesen zu haben, dass man das bei Karussellfahrten halt so mache.

Begeistert warfen die klobigen Bürger unter lautem Jubel ihre Gummistiefel in die Höhe, die ihnen dann schmerzhaft auf die Quadratköpfe knallten. Und alsbald sah man die Frauen von Nottuln allesamt huckepack auf ihren Männern sitzen, welche diese unter lauten Rufen, wie beispielsweise "Brumm, Brumm!" oder "Rabatz, Rabatz!", bis in die späten Abendstunden im Kreis um das eiligst entfachte, hell lodernde Feuer trugen, bis sie erschöpft von der Plackerei und betäubt vom Fußpils in ihre kotigen Koben fielen und so laut zu schnarchen begannen, dass man es noch im weit entfernten Münster hören konnte.

Und alljährlich am 1. März findet nun dieses Spektakel - die Nottulner Kirmes - auf dem Marktplatz statt. Nur von den Nottulner Hühnern ist zu dieser Zeit nicht das winzigste Federchen zu sehen.

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2 Kommentare

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  • JM
    Johannes Monse

    Lustig! Lustig soll es nur sein, alles andere scheint egal. Ja ist die WAHRHEIT denn eine Witzeseite? Herrgottnochmal. Eine sorgsam recherchierte ethnologische Dokumentation hat verdammt nochmal andere Sorgen, als immerfort und einzig und allein lustig zu sein. Und Nottuln ist eigentlich ganz und gar nicht lustig. Zumindest nicht, wenn man von da wech kommt - womit ich natürlich nicht für mich spreche.

    Weil ich aber nicht da wech komme, kann ich allen Nörglern und Nottulnern sagen: Ganz schön lustig! Frau Stegemann, lassen Sie sich nicht beirren! Klären Sie weiter auf, die Geschichte wird Ihnen Recht geben.

  • S
    speysen

    öhm ja...hm...könnte lustiger sein.

     

    corinna stegemann, kommt mir irgendwie bekannt vor...

    senden oder münster?

    egal