die wahrheit: Trick 17 mit Selbstüberlistung

Den Schwiegervater einer Freundin, Büroangestellter, man hat ihn sich als moderat feisten, regelmäßigen Schlipsträger …

… mit eindeutig fortgeschrittener Platte vorzustellen, drängte die Eitelkeit zu einem Toupet. Die waren in den Sechzigern noch viel auffälliger, glänzender und hartgesprühter als heute. Der Mann kam also auf die Idee, sich am ersten Tag, an dem er das Toupet auf dem spärlichen Resthaar festgeklammert hatte, ins Büro statt des Schlipses einfach mal eine Fliege umzubinden.

Auf die erstaunten Blicke der Kollegen hin, auf das verwirrte "Irgendwie siehst du anders aus …" konnte er dann selbstbewusst posaunen: "Ja, ich trage heute Fliege!" Welch ein reizender und harmloser Trick. Er übernimmt in der Toilettenfehlerliste ab sofort die Poleposition vor dem Trick aus den "Fabulous Baker Boys", sich die beginnende Tonsur vor jeder Öffentlichkeitsbegehung mit ein bisschen Sprühschuhcreme einzufärben.

Ebenfalls hübsch sind zusammengetackerte Nähte, und wenn es noch nickelfreie Heftklammern dazu geben würde, wüsste man nicht, wozu man sich mit diesen dämlichen Fäden und diesen blöden Nadelöhren, durch die andauernd Kamele gehen, überhaupt noch abgeben sollte. Das soeben extra im Erhobener-Zeigefinger-Wirtschaftswunder-Nimbus getextete "Willst du mit der Mode gehen - musst du tackern anstatt nähen!" klingt ohnehin besser und weniger sexistisch als "Langes Fädchen - faules Mädchen".

Passé ist, das muss in diesem Zusammenhang leider mit einem (wenn auch nur durch Konjunktivitis) tränendem Auge angemerkt werden, auch die Sitte, Strumpfhosen mit Laufmaschen nicht als Räubermasken weiterzuverwenden, sondern der einzigen Dame Berlins anzuvertrauen, die die letzte Laufmaschenstopfnadel besaß, und diese vor ein paar Jahren leider mit ins Grab genommen hat, in das sie vermutlich "Falke", "Kunert" oder "nur die" hineingestoßen haben.

Nylonfetischismus gibt es allerdings, glaubt man der Pornoindustrie, immer noch. Er ist eine reizend retroeske Spielart der Sexualität, die bestimmt zusammen mit ihren Betroffenen aussterben wird, genauso schnell wie Fernsehen und Musikkassetten. Oder gibt es tatsächlich Nylonfetischisten unter 40? Die keine Österreicher sind?

Man könnte allein aus Mitleid fast überlegen, wieder mit dem "Perle"- und "Teint"-Strumpfhosen-Tragen anzufangen, das die USA-Diktatur seit ein paar Jahren bei allen Frauen (außer gewissen Sekretärinnen, die müssen sich sogar in hochglänzende Pantys wursteln) aus dem täglichen Erscheinungsbild weggedrängt hat.

Das Einzige, was immer abgrundtief pervers, zu unvorstellbar, geradezu monströs bleiben wird, ist hoffentlich der unaussprechliche Legginsfetischismus. Wenn man sich eines Tages aus Versehen aus dem Internet Bilddateien mit Namen wie "Horny blonde w / striped leggins" oder "big bust - tight leggings" runtergeladen hat, dann ist vielleicht tatsächlich die Zeit gekommen, mit dem Sex ganz aufzuhören.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.