Orangen gegen Kenias Top-Banane

Die Bevölkerung stimmt über eine Verfassung ab, die die Macht des Präsidenten nicht wie geplant beschneidet

NAIROBI taz ■ Heute findet in Kenia ein Referendum über eine neue Verfassung statt. Die bisherige stammt aus dem Unabhängigkeitsjahr 1963. Weil sie dem Präsidenten sehr viel Macht einräumt, war die Forderung nach einer Verfassungsreform ein alter Wunsch der demokratischen Opposition. Auch Mitglieder der heutigen Regierung von Mwai Kibaki bestanden darauf – vor 2002, als sie noch in der Opposition waren. Ein neues Grundgesetz mit weniger Macht für den Staatschef war damals auch das Wahlversprechen von Kibaki.

Aber die Machtverteilungsgespräche innerhalb der Opposition vor den Wahlen 2002 sorgten dafür, dass daraus nichts wurde. Eigentlich war vereinbart, dass bei einem Sieg des Oppositionsbündnisses „Nationale Regenbogenkoalition“ (Narc) Kibaki als Vertreter der größten Ethnie, des Kikiyu-Volkes, Präsident wird und Raila Odinga als Vertreter der zweitgrößten Ethnie, der Luo, Premierminister. Das galt als historischer Kompromiss. Beide Volksgruppen waren zuvor von der Macht ausgeschlossen und ihre Führer befehdeten einander.

Deswegen wurde die Frage, ob der Präsident oder der Premierminister aus einer Verfassungsreform gestärkt hervorgehen würde, stark politisiert. Über ein Jahr arbeitete eine Verfassungskonferenz an einem Entwurf für eine Reform. Am Schluss kam ein Konzept heraus, das dem Präsidenten viel Macht nimmt und dem Premierminister zuschlägt. Das gefiel Präsident Kibaki nicht. Er und seine engsten Minister lehnten den Reformvorschlag ab und bestanden auf einer Überarbeitung durch das Parlament. Dort wurde das Dokument so verwässert, dass der Präsident doch wieder der Mächtigste blieb. Und das wiederum führte zu einer Spaltung der Regierung, mit Kikuyu-Ministern auf der präsidialen Seite und Vertretern anderer Völker auf der anderen.

Der Wahlkampf für das Referendum über den verwässerten Verfassungsentwurf hat Kenia nun also in ethnischen Streit gestürzt. Von Aufklärung über den Inhalt der Verfassung ist keine Rede. Gewalt hat bereits neun Tote gefordert. Am Samstag gingen etwa 12.000 Anhänger und 30.000 Gegner in Nairobi auf die Straße. Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften richtete eine Pufferzone ein, damit die Kontrahenten nicht aufeinander stießen. Zu den befürchteten Ausschreitungen kam es nicht.

Wangari Maathai, Vizeumweltministerin und Trägerin des Friedensnobelpreises 2004, hat als einzige hohe Politikerin nicht Partei ergriffen. Maathai, selbst eine Kikuyu-Frau, nennt die Abstimmung eine „Farce“ und sagt: „Was wir hier erleben, ist ein Szenario, in dem auf beiden Seiten eine kleine Clique versucht, ihre Meinung der Bevölkerung aufzudrängen. Es ist egal, wer gewinnt, aber sicher ist, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis die Wunden von jetzt geheilt sind.“

Weil viele Kenianer nicht lesen und schreiben können, wird beim Referendum zwischen Symbolen abgestimmt. Für das Ja zur neuen Verfassung steht eine Banane, für das Nein eine Orange. In dieser Obstschlacht hat die Ja-Truppe unter Führung von Präsident Kibaki schamlos versucht, die Kenianer zu kaufen. Dorfchefs bekamen eine Lohnerhöhung, Lehrern wurde dies versprochen, und der Amboseli-Wildpark wurde den Maasai-Bewohnern des Umlands geschenkt.

Unzuverlässige Prognosen prophezeien einen Sieg der Orangen, also des Nein. Sicherer scheint, dass die zerstrittene Regierungskoalition nach der Volksabstimmung auseinander fällt. Dann drohen vorgezogene Neuwahlen. ILONA EVELEENS