Jugenddienste: Laras Vermächtnis

40 neue Stellen sind seit 2005 bei den Allgemeinen Sozialen Diensten geschaffen worden. Den dort Beschäftigten wächst die Arbeit aber weiter über den Kopf.

Kindheit in Beton: Wird ein Kind vernachlässigt, ist das ein Fall für den Allgemeinen Sozialen Dienst. Bild: dpa

Anlässlich des Hungertods der kleinen Lara vor einem Jahr macht Ver.di auf die Arbeitssituation der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) in den Bezirken aufmerksam. "Die Situation ist immer noch katastrophal", sagt Sprecherin Sieglinde Friess. Zwar habe die Sozialbehörde seit 2005 etwa 40 neue Stellen in den Jugendämtern geschaffen. Gleichzeitig habe sich aber auch der bürokratische Aufwand erhöht. So sei unter anderem die Dokumentationspflicht immens gestiegen. Außerdem würden den ASD-MitarbeiterInnen immer mehr Fälle gemeldet, denen sie kaum noch hinterher kommen könnten, sagt Friess.

Im Bezirksamt Wandsbek beklagt eine MitarbeiterIn etwa, dass sich die Arbeit durch den personellen Notstand "stark nach hinten verschiebt". Vor allem die Abteilung für Asylbewerber, die sich um Familien und unbegleitete Minderjährige in Wandsbek kümmert, sei mittlerweile "nicht mehr arbeitsfähig". Von sechs ASD-MitarbeiterInnen seien die beiden mit Vollzeitstellen schwanger. Bald müssten deshalb die verbleibenden TeilzeitkollegInnen die doppelt zu besetzende 38-Stunden-Woche alleine schaffen. "Das ist technisch nicht mehr machbar", sagt die ASD-MitarbeiterIn, die anonym bleiben will. Sie mag lieber nicht daran denken, was passiert, wenn in dieser Situation noch jemand krank wird, in Urlaub geht oder eine Fortbildung macht.

Laut Auskunft des Bezirksamts Wandsbek vom Juni 2009 ist der Anteil der Dokumentationsarbeit im ASD "seit 2005 deutlich gewachsen". Während dieser Zeit sind aus allen ASD-Abteilungen des Bezirks elf Überlastungsanzeigen eingereicht worden. Wie in anderen Bezirken ist die Fluktuation der MitarbeiterInnen auch hier hoch. "Bis zu 30 Prozent der Neueingestellten gehen innerhalb von kurzer Zeit wieder", sagt Ver.di-Sprecherin Friess. Der Grund sei die unverhältnismäßige Bezahlung.

Einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zufolge, empfinden ASD-Mitarbeiter bestimmte Aufgaben als besonders belastend:

Die öffentliche Wahrnehmung: Viele Mitarbeiter verspüren einen hohen Druck durch die Medien. Auch glauben sie, dass ihre Arbeit nicht genug anerkannt wird.

Interne Entwicklungen: Die Fallzahlen steigen, ebenso der bürokratische Aufwand. Hinzu kommt eine finanzielle Unterausstattung.

Besonders schwere Fälle: Zum Beispiel Kindeswohlgefährdungen, Missbrauch und Misshandlungen sowie psychisch kranke oder suchtkranke Elternteile.

"Es ist schwer, die Stellen, die wir haben, auch zu besetzen", bestätigt Lars Schmidt, Sprecher des Bezirks Mitte. SozialarbeiterInnen würden im Umland besser bezahlt, sagt Schmidt, da könne der Bezirk nichts machen. Wegen des Falls der toten Lara stand Mitte monatelang im Mittelpunkt der Berichterstattungen. Neun zusätzliche ASD-Stellen wurden seitdem im Bezirk geschaffen, alleine sieben davon in Wilhelmsburg.

Viel zu wenig, kritisiert die Gewerkschaft Ver.di. "Wir fordern ad hoc mehr Stellen", sagt Friess. Außerdem solle das Einstiegsgehalt höher sein, um AnfängerInnen nicht wieder zu vertreiben. Vor allem aber müsse endlich ein System der Personalbemessung eingeführt werden, sagt Friess. Auf diese Weise sei es möglich, eine Höchstfallzahl pro ASD-MitarbeiterIn zu errechnen. Laut Ver.di kümmert sich eine MitarbeiterIn derzeit um durchschnittlich 80 Fälle. Einer Studie des Bezirksamts Harburg zufolge dürfte jedoch die Zahl von 30 nicht überschritten werden, um jeden Fall überschaubar zu bearbeiten.

Weitere Aufstockungen in den Bezirken sind laut Sozialbehörde vorerst jedoch nicht geplant. Dafür habe man mit einer "umfassenden Neugestaltung der Allgemeinen Sozialen Dienste" begonnen, sagt Behördensprecherin Julia Seifert. Dazu zählten eine neue Software sowie die Einführung eines Instruments, das "eine spezielle Methode zum Erkennen, Beurteilen und Handeln in Kinderschutzfällen beinhaltet". Außerdem würden alle MitarbeiterInnen des ASD regelmäßig fortgebildet, heißt es in der Sozialbehörde. Unterbesetzten Abteilungen allerdings wird diese "Neugestaltung" wohl keine Arbeit abnehmen.

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