Fraktionsübergreifende Resolution: Vier Chefs gegen linke Gewalt

Die Fraktionschefs von SPD, CDU, Linkspartei und Grünen einigen sich auf eine Resolution gegen linke Gewalttaten. Nur die FDP macht nicht mit.

Seltenes Nebeneinander: Briefkopf der gemeinsamen Erklärung Bild: SPD, CDU, Linke, Grüne

Mit einer gemeinsamen Resolution haben die Fraktionschef von SPD, CDU, Linkspartei und Grünen am Donnerstag auf Anschläge mit mutmaßliche linksextremistischen Hintergrund reagiert. Unter dem Titel "Brandanschläge sind kriminell und kein Ausdruck politischen Handelns" verurteilen sie auch Angriffe auf Polizeistationen, Jobcenter und Baustellen "aufs Schärfste". Sie forderten zudem "alle politisch Aktiven, Verbände, Organisationen und Parteien" auf, sich ebenfalls klar davon zu distanzieren. Für gesellschaftliches Engagement gebe es friedliche Demonstrationen oder Bürgerbegehren.

Laut SPD-Fraktionchef Michael Müller ist eine solche fraktionübergreifende Resolution zu tagespolitischen Themen äußerst ungewöhnlich. Ihm sei jedenfalls kein ähnlicher Fall bekannt. Ursprünglich sollte sich auch die FDP beteiligen. Die hatte jedoch darauf bestanden, dass das Papier nicht nur von den Fraktionsvorsitzenden, sondern auch von allen Abgeordneten sowie den Landesverbänden der Parteien mitgetragen werde. Ein erster Entwurf für die Resolution war bereits im Januar verfasst worden. Er wurde dann aber auf Eis gelegt, weil die Welle der Autobrände deutlich nachgelassen hatte. Seit Jahresbeginn zählte die Polizei neun Fahrzeuge, die ihrer Einschätzung nach politisch motivierten Anschlägen zum Opfer fielen - rund 80 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Die taz dokumentiert die Resolution der vier Fraktionschef im Wortlaut:

"Brandanschläge sind kriminell und kein Ausdruck politischen Handelns

In den letzten Monaten ist es in unserer Stadt zu einer Reihe von Anschlägengekommen, von denen eine Vielzahl dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen ist. Mit großer Besorgnis stellen wir fest, dass die Zahl der aus diesem Spektrum stammenden Straftaten von 2008 auf 2009 enorm angestiegen ist. Neben brennenden Autos gab es u.a. Angriffe auf Polizeistationen, Jobcenter und Baustellen. Nur durch Glück sind über Sachschäden hinaus dabei bisher keine Menschen verletzt worden.

Die im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke verurteilen diese Straftaten auf das Schärfste. Wir fordern alle politisch Aktiven, Verbände, Organisationen und Parteien auf, solche Straftaten zu verurteilen und sich klar davon zu distanzieren. Nicht nur wir als Mandatsträger, sondern alle politisch Verantwortlichen sollten ein Zeichen setzen und dafür sorgen, dass jeder Anschein von Sympathie oder Unterstützung für Straftaten vermieden wird.

Brandanschläge – sei es auf Wohnprojekte, Baustellen oder auch Kraftfahrzeuge - sind kriminell und kein Ausdruck politischen Handelns. Sie dürfen weder akzeptiert noch gerechtfertigt werden. Kein brennendes Auto, kein Anschlag auf ein neues Gebäude löst ein einziges Problem dieser Stadt. Im Gegenteil: Gewalt ist kontraproduktiv und erschwert den notwendigen politischen Dialog über soziale Verantwortung in den Stadtteilen. Wer sozialen Zusammenhalt will, muss Gewalt ablehnen. Ein soziales und zukunftsfähiges Berlin ist ein gemeinsames Anliegen unserer Fraktionen – auch wenn sich unsere politischen Ansätze im Einzelnen unterscheiden.

Wir werden gemeinsam dafür Sorge tragen, dass auch Brandanschläge, bei denen sich die Täter auf angeblich politische Motive berufen, mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt werden. Appelle allein aber reichen nicht. Wir werden Polizei und Justiz dabei in ihrer wichtigen Arbeit für die Innere Sicherheit in unserer Stadt unterstützen.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass diejenigen, die ihr kriminelles Handeln politisch verbrämen, keine Möglichkeit zur Legitimation und Rechtfertigung haben. Berlin darf nicht zum Schauplatz für gewaltsame politische Aktionen werden. Wer sich anmaßt, anderen vorzuschreiben, wo und wie sie in unserer Stadt zu leben haben, wird im gesamten demokratischen Spektrum auf entschiedene Ablehnung stoßen.

Wir bieten an und laden dazu ein, die Probleme der Stadt mit uns gemeinsam zu bewältigen. Unser Ziel ist, einem sozialen Auseinanderdriften der Gesellschaft entgegenzuwirken und uns für ein friedliches Miteinander in einer lebenswerten Stadt einzusetzen.

Berlin bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren. Dazu gehört auch die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen. Die Bürgerinnen und Bürger können heute mehr denn je aktiv an der Gestaltung ihres Wohnumfeldes teilhaben, etwa durch Beteiligungsrechte bei der Bebauungsplanung.

Mit den neu gestalteten Bürger- und Volksbegehren gibt es sowohl in der Landespolitik, als auch in jedem einzelnen Bezirk Instrumente, sich wirksam in die politische Willensbildung jenseits der Wahlen einzumischen. Dazu möchten wir alle Berlinerinnen und Berliner ermuntern."

Den jetzigen Veröffentlichungstermin begründete Müller unter anderem mit dem bevorstehenden 1. Mai. Noch am Donnerstagnachmittag war jedoch unklar, ob das Papier überhaupt öffentlich präsentiert würde, weil auch die CDU Änderungswünsche hatte. Die schlagen sich im endgültigen Text aber nur in Nuancen nieder.

Die FDP hatte im Abgeordnetenhaus einen eigenen Antrag zum Thema eingebracht. Darin fordert sie den Senat auf, "linke Gewalt endlich wirksam und konsequent zu bekämpfen". Neben vielen anderen Maßnahmen forderte die FDP auch Sicherheitspartnerschaften der Polizei mit den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), um "linke Gewalt im ÖPNV zu reduzieren" - auch wenn eine entsprechende Tat selbst der FDP nicht bekannt ist.

Ungewöhnlich scharf distanzieret sich CDU-Fraktionchef Frank Henkel von der FDP. Die habe versucht, sich mit ihrem Alleingang auf unangemesse Weise zu profilieren. Stattdessen lobte Henkel Grüne und Linke. Er sei sehr zufrieden, dass diese so deutliche Positionen mittragen.

Die Vorsitzenden von Grünen und Linken, Volker Ratzmann und Udo Wolf, betonten, dass es auch weiterhin politische Differenzen mit der CDU beim Thema innere Sicherheit geben werde. "Doch Gewalt ist in jedem Fall zu ächten", sagte Wolf. Es sei reines Glück, dass bei den Anschlägen bisher keine Menschen zu Schaden gekommen seien. Und Ratzmann ergänzte: "Es muss klar sein: Leute an diesem Punkt ist Schluss."

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