Mitarbeiterschutz à la Bundesregierung: Abschreckung per Kamera
Innenminister De Maizière will sich für Datenschutz von Beschäftigten einsetzen. Doch Arbeitgeber dürfen künftig häufiger Videokameras einsetzen.
Arbeitnehmer sollen im Betrieb "nicht wild überwacht" werden. Dies sagte gestern Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Er will deshalb endlich den Datenschutz von Beschäftigten gesetzlich regeln. Gestern stellte er die Eckpunkte eines Gesetzentwurfs vor, der vor allem Rechtssicherheit schaffen soll. Allerdings können Arbeitgeber künftig auch häufiger Videokameras einsetzen und innerbetriebliche Rasterfahndungen durchführen.
Die Reform hat einen Grundgedanken: Daten der Beschäftigten dürfen nur erhoben, gespeichert und verarbeitet werden, soweit dies für Zwecke des konkreten Arbeitsverhältnisses "erforderlich" ist. So soll der Arbeitgeber bei der Einstellung nur nach Dingen fragen, die für die konkrete Tätigkeit von Belang sind.
"Wer sich auf eine Stelle als Buchhalter bewirbt, darf nach Vorstrafen wegen Unterschlagung gefragt werden, aber nicht nach Körperverletzungen", erläuterte de Maizière. Auch gesundheitliche Untersuchungen sollen nur zulässig sein, um die Eignung für eine konkrete Tätigkeit festzustellen. So soll ein Chirurg etwa auf eine Aids-Infizierung geprüft werden können, nicht aber ein Bankberater.
Das Prinzip der Erforderlichkeit ist im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht neu und galt bisher schon in diversen Generalklauseln. Auf dieser Grundlage mussten bislang die Arbeitsgerichte Antworten auf Datenschutz-Konflikte geben. De Maizière will jetzt ein neues Kapitel im BDSG einführen. Dabei soll im Kern die bisherige Rechtsprechung aufgenommen und vereinheitlicht werden.
Heimliche Videoüberwachung soll, wie schon das Bundesarbeitsgericht entschied, nur möglich sein, um den konkreten Verdacht einer Straftat zu klären. Offene Videoüberwachung in Betrieben wird dagegen im Gesetzentwurf "zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen" erlaubt. Kameras wären dann, so de Maizière, zum Schutz von Wertsachen in einem Briefverteilzentrum der Post möglich. Bisher erklärte allerdings das Bundesarbeitsgericht die interne Videoüberwachung bloß zur Abschreckung für unzulässig.
Auch die Rasterfahndungen in Betrieben würde durch den Gesetzentwurf erleichtert. Dabei dürfen bereits vorliegende Daten der Beschäftigten zum Beispiel zur Korruptionsbekämpfung abgeglichen werden. Unternehmen wie die Bahn prüften so - bisher exzessiv und unzulässigerweise -, ob ein Lieferant die gleiche Kontonummer wie der betriebliche Auftragsvergeber hat. Der Koalitionsvertrag sieht eine solche "verlässliche Regelung für den Kampf gegen Korruption" ausdrücklich vor. De Maizière will dies aber auf alle Vertragsverletzungen, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten ausweiten - "im Rahmen strikter Verhältnismäßigkeit", wie der Minister betonte.
Leser*innenkommentare
myrna
Gast
schon witzig, vor etwa 20 Jahren während meiner Ausbildung hatten wir mal eine Veranstaltung zum Thema Mitbestimmung. Es ging darum, ob Videoüberwachung von Mitarbeitern zulässig sei. Einhellige Meinung war, dass so etwas völlig absurd sei und auch niemals vorkommen werde. Auch der Veranstalter erklärte, er habe den Fall nur fiktiv gewählt, um zu verdeutlichen, wie weitgehend in die Persönlichkeitsrechte eine betriebliche Mitbestimmung theoretisch gehen könne.
Heute sind die Personalräte durch die Landesregierungen quasi zur Bedeutungslosigkeit degradiert worden und Videoüberwachung im öffentlichen Leben ist so selbstverständlich geworden, dass eine Beteiligung der Bevölkerung bei Entscheidungen darüber grundsätzlich ausgeschlossen und nur noch eine jederzeit manipulierbare Gesetzeslage relevant ist.
BlindeKuh
Gast
April April
Friedrich
Gast
Die Stasi wurde besigt, doch gleichzeitig wurden 100tausende neue Stasis geschaffen. Es ist entsetzlich. Großbetribe in Westdeutschland haben sich gleich die richtigen STASI-Ofiziere geschnapt- und seditdem wird jeder überwacht, besser als die Stasi es je konnte.
Die Betriebe in Westdeutschland waren doch sehr erfolgreich ohne Überwachung. Die Entmündigung des Bürgers geht seinen Gang.