Schlaf, Liebe, Sex

PERFORMANCE Die vier Schweizerinnen von Les Reines Prochaines besingen in ihrem Programm „Blut“ die großen Lebensthemen. Feministisch, kollektiv, antihierarchisch

„Uns geht es um Herzblut, Heißblütigkeit, Menstruationsblut, die Tränen der heiligen Mutter Maria, Blutwurst und ums Echauffiertsein“

SUS ZWICK

VON RADEK KROLCZYK

Das Programm, mit dem die Schweizer Performancegruppe Les Reines Prochaines am Montag in der Schwankhalle gastiert, trägt den knappen Titel „Blut“. Eine Show über Verkehrsunfälle, Krankenhäuser oder Vampirismus?

„Weder noch und sowohl als auch“, sagt Sus Zwick von den „zukünftigen Königinnen“, wie die Band auf Deutsch heißt. „Uns interessiert am Blut mehr sein Charakter als Lebenssaft, als Elixier, dass uns Kraft und Lebendigkeit verleiht. Uns geht es um Herzblut, Heißblütigkeit, Menstruationsblut, die blutigen Tränen der heiligen Mutter Maria, Blutwurst und ums Echauffiertsein.“

Es geht also um eine ganze Menge. Vielleicht sogar um alles: „Wir besingen die großen Stränge des Lebens: Schlaf, Liebe, Sex, die Windungen so mancher Biografie und fragen uns: Warum ist der Kreisel rund? Warum ist es nur so warm im Bett? Ist die Farbe Grau ein Synonym für rauschende Schönheit? Wohin fließt all das Monatsblut? Aus welchen Teilen besteht der Mensch?“, ergänzt Sus Zwick, und man ahnt: Als „zukünftige Königinnen“ lassen sich die Musikerinnen nicht mit einem Kuchen abspeisen – sie wollen die ganze Bäckerei. Ihre Statements klingen stets wie Manifeste. Und wie Manifeste sind auch ihre Auftritte: mit lauten Stimmen, bunten Kostümen und äußerst selbstbewusst, wie es sich eben für echte „Königinnen“ gehört. Name und Auftreten sind im Grunde auch Ausdruck ihrer feministischen Überzeugung, ein performativer Akt der Selbstermächtigung, untermalt von Tango und Synthieklängen.

Seit 25 Jahren sind die „Prochaines“ als Kollektiv organisiert, streng antihierarchisch. Sus Zwick, Muda Mathis, Fränzi Madörin und Michèle Fuchs verstehen sich, ähnlich wie andere Bands ihrer Generation, wie The Ex oder Chumbawamba, als politisches Projekt. Wobei auch das Private explizit politisch verstanden wird: „Politik ist vor allem auch Alltag. Wir sind Frauen, die im Kollektiv arbeiten, kochen, spielen, diskutieren, lehren, putzen und so weiter. Dabei entwickeln wir unser Sensorium für die Gemeinschaft. Wir wissen, dass wir uns im Austausch um künstlerische oder familiär-alltägliche Prozesse unterstützen können, und lernen bei Bedarf auch zu handeln und Missstände beim Namen zu nennen“, erzählt Michèle Fuchs.

Politisch und antihierarchisch ist auch ihre Organisationsweise als Musikgruppe. Eine Leadsängerin, die im Vordergrund steht und die Gruppe repräsentiert, gibt es nicht. Grundsätzlich macht jede alles. Die Instrumente werden von Song zu Song getauscht, von Song zu Song wechseln die Zuständigkeiten, jede der Damen tritt mal als Autorin, mal unterstützend in Erscheinung. „Jede von uns wird bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt und dient im Gegenzug den anderen bei der Realisierung ihrer Stücke“, erklärt Fuchs.

Als politisch begreifen die Musikerinnen auch das Umfeld, in dem sie arbeiten. Die Schweiz gilt allgemein als eher konservativ: Man denkt an Banken, Käse und Ausländerfeinde. Aber auch die Alpenrepublik hat ihre alternativen Szenen. In den 80er-Jahren gab es in Zürich und Basel eine Hausbesetzerszene. Und die „Reines Prochaines“ waren ein Teil davon.

Trotz ihrer Bekanntheit sind sie der alternativen Baseler Kunstszene bis heute verbunden. Ein Beispiel dafür ist das VIA, das Gemeinschaftsatelier, das sie sich mit unterschiedlichen Künstlern und Künstlerinnen teilen. Denn die „Prochaines“ sind nicht nur musikalisch, sondern auch als bildende Künstlerinnen aktiv.

Die ehemalige „Prochaine“ Pipilotti Rist ist heute sogar eine der geschätztesten Videokünstlerinnen weltweit. Mit ihr als Vokalistin wurde die Band Anfang der 90er bekannt, als sie Chris Isaaks Liebesballade „Wicked Game“ interpretierte und Männerträume in einen weiblichen Gegenstandpunkt übersetzte.

■ Montag, 18.30 Uhr, Schwankhalle