Bezirk gegen Zigarettenplakat: Zu jung zum Werben
Ein Tabakkonzern wirbt mit Modellen, die nicht eindeutig älter als 30 aussehen. Das müssten laut Werbekodex der Konzerne aber. Nach einer Anzeige will nun der erste Bezirk dagegen vorgehen.
Das Plakat könnte für jede beliebige Zigarettenmarke werben: Die Silhouette einer Stadt im Hintergrund, davor die Packung, die wie ein überdimensioniertes Fahrzeug über den Boulevard rasen soll. Darüber, in der Ecke, das stilisierte Gesicht einer jungen Frau oder eines jungen Mannes, je nach Plakat. Und deswegen gibt es Ärger.
"Das ist ein Verstoß gegen Paragraph 22 des Tabakgesetzes", sagt Damian Nowak, Leiter der zuständigen Lebensmittelaufsicht in Steglitz-Zehlendorf. Er kündigte an, auf eine Ende März erstattet Anzeige hin "ordnungsbehördlich tätig" zu werden. Theoretisch könnte das auf ein Bußgeldverfahren oder ein Abhängen der Plakate hinaus laufen. Absender der Anzeige: Johannes Spatz vom Forum Rauchfrei.
Im Paragraph 22 geht es um Werbeverbote. Darin heißt es: "Es ist verboten, im Verkehr mit Tabakerzeugnissen oder in der Werbung für Tabakerzeugnisse allgemein oder im Einzelfall Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen zu verwenden, (...) die ihrer Art nach besonders dazu geeignet sind, Jugendliche oder Heranwachsende zum Rauchen zu veranlassen."
Spatz erklärt: "Zur Auslegung wird die Selbstverpflichtung der Zigarettenindustrie heran gezogen." Das bestätigt der Deutsche Zigarettenverband. In dem Kodex verpflichten sich die Hersteller, nicht mit Modellen zu werben, die unter 30 Jahre alt sind oder jünger als 30 wirken. So soll vermieden werden, dass Jugendliche sich animiert fühlen, zur Zigarette zu greifen. Patrick Rössler, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt, bezeichnet diese Regelung als "Minimalkonsens aus Sicht der Gesellschaft". "Erforderlich wäre eigentlich eine viel stärkere Werbebeschränkung, weil der gesundheitliche und gesellschaftliche Schaden durch das Rauchen so groß ist."
Kerstin Jüngling, Leiterin der Fachstelle für Suchtprävention, sagt: "Man weiß aus klinischen Studien mit Alkoholwerbung, dass diese Bilder imagebildend für junge Menschen wirken." Dabei komme es nicht darauf an, ob die Altersgrenze bei 30 oder bei 25 liege, sondern dass die Werbung ein Lebensstil vermittele, der das Rauchen für junge Menschen attraktiv mache.
Heike Maria Lau von Japan Tobacco International zeigte sich erstaunt über die Vorwürfe. Bislang sei noch keine Behörde auf das Unternehmen zugegangen, man bemühe sich nun selbst um eine Kontaktaufnahme. Grundsätzlich werde aber darauf geachtet, dass nur Models über 30 für die Kampagnen gebucht würden, das optische Alter werde meist über interne Umfragen eingeschätzt. "Wir halten uns an die Regeln", ist sich Lau sicher.
Rössler, der sich die Plakate angesehen hat, sieht das anders: "Durch die ganze Anmutung wird der Eindruck erweckt, dass es sich um Personen aus der jüngeren Generation handelt, bei der Frau durch die Gesichtszüge, bei dem Mann durch die Frisur." Kritisch sieht er aber nicht nur die Werbung selbst, sondern auch die Berichterstattung: "Die Währung von Werbung ist Aufmerksamkeit, und die kann nicht nur durch die Werbung selbst generiert werden, sondern auch durch die mediale Resonanz."
"Wenn Plakate abgehängt werden, ist das eine Premiere", sagt Spatz. In der Vergangenheit habe nicht nur die Verwaltung zu langsam reagiert, sondern auch die Werbetreibenden zu schnell: Eine normale Kampagne hänge nur sehr kurz. Da es sich bei der vorliegenden Plakatwerbung aber um eine Kampagne für ein neues Produkt handele, sei zu erwarten, dass die Tafeln mehrere Wochen hängen sollen.
Was die Pläne der Behörde angeht, will sich Nowak nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Zunächst sei der Verantwortliche ermittelt worden, dieser werde schriftlich kontaktiert. Nowak stellt aber klar: "Nur die Aufforderung zum Abhängen von Plakaten würde uns nicht reichen." Der "Rechtsverstoß in der Öffentlichkeit" müsse beseitigt werden und zwar so wirksam, dass er sich nicht wiederhole.
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