Ende des Schweigekartells!
: Kommentar von Hannah Pilarczyk

So besonders das Geschäft, so besonders die Reaktion: Lang schwieg das Kartellamt zur geplanten Übernahme der Sendergruppe ProSiebenSat.1 durch die Axel Springer AG. Was augenscheinlich ist, konnten wohl auch die Bonner Kartellwächter nicht ignorieren: Wenn so viel Meinungsmacht zusammenkommt, wie Springer mit Bild, BamS und Glotze unter einem Dach vereinigen würde, dann hat dem selbst eine pluralistische Medienlandschaft wie die hiesige kaum etwas entgegenzusetzen.

Deshalb jetzt die Kehrtwende: Erstmals betrachtet die Aufsichtsbehörde den Medienmarkt insgesamt. Springers dominierende Stellung auf dem Printmarkt wird mit seiner möglichen dominierenden Stellung auf dem Fernsehmarkt verrechnet. Der Sinneswandel kommt reichlich spät. Um die anstehende Übernahme zu verhindern, aber hoffentlich nicht zu spät.

Das Kartellamt hinkt der Entwicklung in der Medienbranche seit langem hinterher. Spätestens seit Bertelsmann sich im Jahr 2001 mit der RTL-Group seine eigene Fernsehsparte dazukaufte, gilt für Medienkonzerne die Suche nach zusätzlichen Geschäftsfeldern als Mussstrategie. Antworten darauf hatten die Kartellwächter bisher nicht.

Damit sind sie nicht allein. Die Debatte über Springers Einfluss, Interessen und Absichten hätte viel früher geführt werden müssen. Als im Januar erste Gerüchte über den Kauf von ProSiebenSat.1 aufkamen, war die Aufregung zunächst groß. Doch bis das Geschäft im August dann besiegelt wurde, war davon nicht mehr viel übrig.

Das liegt zum einen an Springer selbst. Nach wie vor steht der Konzern für geringstmögliche Meinungsvielfalt nach innen wie nach außen. Mitarbeiter werden durch die so genannten Essentials auf konservative Wertelinie gebracht. In Springers Zeitschriften und Zeitungen wird Angela Merkel ausgiebig gelobt. Zum anderen zahlt sich das gute Verhältnis zu anderen Häusern wie Spiegel und FAZ aus: In den wenigsten Medien findet Kritik an Springer und dem Fernsehdeal statt. Und die Politik schweigt beredt. Schön, dass das Kartellamt hier dazwischenfunkt. Schade, dass diese Kontrollfunktion nicht schon längst Politik und Medien erfüllt haben.