Vor der Landtagswahl in NRW: Rüttgers' neue Spendenaffäre
Der Ministerpräsident von NRW gerät wegen dubioser Spenden erneut unter Druck: Ein Wahlkampfhelfer soll Firmen zur Steuerhinterziehung angestiftet haben.
Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers droht nach der Sponsoring-Affäre um seine verkauften Gespräche jetzt ein Spendenskandal: Vertrauliche Mails aus der CDU-Parteizentrale rücken Rüttgers in die Nähe der Steuerhinterziehung.
Im Mittelpunkt des neuerlichen Skandals steht die CDU-nahe Initiative "Wähler für den Wechsel", die 2005 für eine Ablösung der seit Jahrzehnten in NRW regierenden Sozialdemokraten trommelte. Initiativen-Organisator Tim Arnold brachte nicht nur 100 Unternehmer zusammen, die in großen Anzeigen für Rüttgers warben - er sammelte auch fleißig Spenden: So unterstützte der in Nordrhein-Westfalen ansässige Automobilzulieferer Hella die Aktion mit 10.000 Euro.
Eine Spendenquittung aber konnte Arnold nicht ausstellen. Schließlich sammelte er das Geld zumindest offiziell nicht für die CDU, sondern im Namen seiner Initiative - und die war vom Finanzamt nicht als gemeinnützig anerkannt. Von der Steuer absetzen konnte Hella die Spende damit nicht. Der persönlich haftende Gesellschafter des Zulieferers, Jürgen Behrend, soll daraufhin massiv verärgert reagiert und die Unterstützung zurückgefordert haben.
Abonnieren Sie die Digitaz und lesen Sie abends schon die komplette taz von morgen. Direkt auf Ihrem Computer. Einen Monat lang. Für nur 10 Euro.
Doch Arnold wusste Rat: Es sei ihm gelungen "mit der Steuerabteilung von Hella" eine "Einigung zu erzielen", schrieb der einstige Manager des ebenfalls aus NRW stammenden Medienkonzerns Bertelsmann nach Rüttgers Wahlsieg an dessen engen Berater Boris Berger. "Sie verbuchen den Betrag nun als Kosten und nicht als Spende", heißt es in einer Mail vom 1. Juni 2005, die wohl aus der CDU-Landesgeschäftsstelle an den Blog "Wir in NRW" des ehemaligen WAZ-Vizechefredakteurs Alfons Pieper lanciert wurde - die Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße gilt seit Langem als "Intrigantenstadl", dessen Mitarbeiter sich gegenseitig heftig bekämpfen.
Selbst Hella aber fürchtet mittlerweile, sich mit der vom CDU-Wahlkampfhelfer Arnold unterstützten Fehlbuchung der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben: "Der Vorgang" werde nun doch als "steuerlich nicht abzugsfähig betrachtet", erklärt das Unternehmen. "Eine entsprechende Erklärung wurde beim Finanzamt eingereicht."
Rüttgers Berater Berger, der nach einem Gastspiel als Leiter der Abteilung für politische Planung in der Düsseldorfer Staatskanzlei heute den Wahlkampf des Regierungschefs organisiert, interessierte die mögliche Steuerhinterziehung dagegen nicht: "Super! Vielen Dank …", schrieb er stattdessen aus Freude über die doch noch erhaltene Spende an Arnold zurück.
SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek spricht deshalb schon heute von einer "neuen CDU-Spendenaffäre" und erklärt Arnolds "Wähler für den Wechsel" zur "CDU-Tarnorganisation": Unklar sei, ob über die Hella-Spende hinaus noch weiteres Geld für den CDU-Wahlkampf geflossen sei. Auch die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger fordert Aufklärung von Jürgen Rüttgers: Schließlich könne die Initiative "noch andere Unternehmen dazu angestiftet" haben, "Spenden als Betriebskosten auszuweisen".
Rüttgers Christdemokraten dagegen weisen die Kritik zurück. "Verleumderisch" seien die Vorwürfe der Opposition, findet CDU-General Andreas Krautscheid. Zwischen der Wähler-Initiative und der CDU habe es keine finanziellen Verbindungen gegeben, behauptet er - dabei ist in Arnolds Mail von einem "CDU-Konto Wähler für den Wechsel" die Rede.
Gelohnt haben dürfte sich die Aktion trotzdem - für Arnold: Der CDU-Unterstützer wurde von Rüttgers nach seinem Wahlsieg prompt eingestellt - und leitet seit 2006 die Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Berlin.
***
Dieser Artikel ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.
Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos