„Man wird leicht manipuliert“

UNABHÄNGIG Ärzte der Organisation Mezis verzichten auf Geschenke und Besuche von Pharmavertretern. Damit macht man sich nicht nur Freunde, sagt der Hannoveraner Orthopäde Ulrich Göhmann

■ 61, betreibt in Hannover eine Praxis für Orthopädie und Kinderorthopädie. Der Mediziner ist seit Jahren Mitglied der Organisation Mezis.

taz: Herr Göhmann, Pharmakonzerne laden Ärzte gern samt ihrer Partner zur kostenlosen Fortbildung in Vier-Sterne-Hotels ein oder verschenken zu Weihnachten teure Weine. Warum lehnen Sie das ab?

Ulrich Göhmann: Seit 15 Jahren empfange ich keine Pharmavertreter mehr, nehme keine kostenlosen Musterpackungen an und ignoriere Studien, die von Pharmakonzernen gesponsert wurden. Ich schließe auch keine Verträge mit Sanitätshäusern ab. Natürlich bin ich kein Heiliger. Aber ich versuche, mich auf die wesentlichen Dinge meiner täglichen Arbeit zu konzentrieren. Und wenn man mit der Pharmaindustrie und Sanitätshäusern nichts mehr zu tun hat, spart man viel Zeit und kann unabhängig von den eigenen wirtschaftlichen Interessen beraten und behandeln.

Was sagen Ihre Kollegen dazu?

Man hört schon öfter Sprüche wie „Wenn du die Auster nicht isst, dann esse ich sie halt“. Die meisten Kollegen haben keine Lust, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen und sind davon überzeugt, dass man sie nicht manipulieren kann. Das ist aber leider ein Irrtum. Pharmavertreter und andere Anbieter im Gesundheitswesen – dazu können auch Kliniken oder Operationszentren gehören – versuchen ja eben ganz bewusst, eine freundschaftliche Beziehung zum Arzt aufzubauen und der will sich dann wiederum revanchieren.

Wie läuft sowas ab?

Sanitätshäuser mieten etwa zu Fantasiepreisen Praxisräume an, in denen sie ihre Bandagen oder Einlagen anpassen – und das wiederum führt dazu, dass der Arzt seinen Patienten genau diese Produkte verschreibt.

Laut einer Untersuchung, die an der Fachhochschule Regensburg durchgeführt wurde, bekommt ein Arzt im Schnitt jeden Tag Besuch von einem Pharmareferenten. Wie wird noch versucht, auf die Mediziner Einfluss zu nehmen?

Pharmakonzerne bezahlen beispielsweise Software mit eingeblendeter Werbung, durch die ihre Medikamente bei der Verordnung automatisch an erster Stelle stehen. Ihre Werbung in Form von Kugelschreibern, Notizzetteln, Plakaten und Kalendern findet sich überall, sodass man sie schon gar nicht mehr bewusst wahrnimmt. Es hat Wochen gedauert, bis ich in meiner Praxis alles entdeckt und aussortiert habe.  INTERVIEW: JOACHIM GÖRES

Bundesweit haben sich 450 Mediziner unter dem Motto „Mein Essen zahl‘ ich selbst“ zusammengetan. Auf www.mezis.de sind Ärzte zu finden, die im Norden mitmachen.