Späte Liebe zum Stadtschloss?

FASSADENWERKSTATT OFFEN

Das Stadtschloss ist nicht die Frauenkirche

Es sind nicht die Putten und Engel, die in der Schlossbauhütte in Spandau faszinieren, sondern die Hingabe, mit der Bildhauer und Restaurateure an ihnen werkeln. Hier ein zarter Pinselstrich, dort ein prüfender Blick. Es ist, als sei die Zeit stehen geblieben am Askanierring. Als sei man zurückgebeamt worden ins 18. Jahrhundert, in dem das alte Berliner Schloss peu à peu zum Preußenschloss aus- und umgebaut wurde. Schlossbau als Handwerkskunst – das passt gar nicht so sehr zum gängigen Bild von der Fassadenkopie.

Es war ein kluger Schachzug der Stiftung Berliner Schloss –Humboldt-Forum, die Werkstatt Schlossbauhütte auch für das Publikum zu öffnen. Natürlich ist da auch Kalkül im Spiel. Geschäftsführer Manfred Rettich betont, dass das Spendenaufkommen wachsen werde, wenn erst der Rohbau stehe: Dann hofft er natürlich auch darauf, dass sich das Faszinosum, das sich bislang auf die Schlossbauhütte beschränkt, im öffentlichen Raum der Stadt ausbreitet.

Vielleicht spekuliert Rettig ja sogar auf den Dresdeneffekt. Dort verstummten selbst glühende Kritiker des Wiederaufbaus der Frauenkirche, als sichtbar wurde, welche Bedeutung der barocke Kirchenbau samt Kuppel für das Stadtbild Dresdens hatte. Es war, als sei diese zerstörte Stadt wieder etwas heiler geworden.

Allerdings gibt es einen großen Unterschied. An der Elbe war der Wiederaufbau ein Werk der Stadtbürger. Es war ihr Geld, und es wurde ihre Kirche. An der Spree zahlt der Bund für das Humboldt-Forum. Die Bürger können sich lediglich mit 80 Millionen Euro an der Rekonstruktion der Fassade beteiligen.

Spekuliert der neue Berliner Schlossherr also vergeblich auf den Dresdeneffekt? Vermutlich wird es eine Nummer kleiner sein. Eher werden sich die Kritiker an den Bau gewöhnen oder sich mit ihm arrangieren. Zu ihrem wird er aber kaum.

Das hat auch mit der Nutzung zu tun. Außen Preußen, innen Ausstellung: Gut möglich, dass sich die einen schnell ins Humboldt-Forum flüchten, um der Fassade zu entfliehen. Und die anderen bleiben draußen, um sich sattzusehen an der guten alten Zeit. Berlin bleibt gespalten.

UWE RADA