Verdacht auf Nötigung: Polizei verhindert Zwangsheirat

Beamte retten eine 15-Jährige aus einer Berliner Wohnung. Ihre Eltern wollten sie am 1. Mai mit einem Serben verheiraten. Das Mädchen schickte Hilferufe über das Internet.

Gegen die Eltern wird ein Verfahren wegen Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht eingeleitet. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Berliner Polizei hat am Donnerstag eine 15jährige Hamburgerin vor einer Zwangsheirat mit einem 19jährigen Serben bewahrt. Sie wurde aus einer Berliner Wohnung befreit, in der sie festgehalten wurde. "Die Heirat sollte am 1. Mai stattfinden", sagte Andreas Schöpflin, der Sprecher der Hamburger Polizei. Wie NDR 90,3 berichtete, hatte sie übers Internet Hilferufe wie "Ich komm hier nicht weg, ich werde eingeschlossen" versandt.

Die gebürtige Serbin besucht in Hamburg ein Gymnasium und hatte sich vor einigen Tagen Mitschülerinnen und einem Lehrer anvertraut. Sie fürchte, von der Familie verstoßen zu werden, falls sie sich den Wünschen der Mutter widersetzt, berichtete der Lehrer. Als sie am Dienstag nicht zur Schule kam, informierte dieser Lehrer die Polizei und erstattete Anzeige. "Wir haben dann die Berliner Kollegen informiert", sagte Schöpflin. Es habe der Verdacht der Nötigung und Vergewaltigung im Raum gestanden, da mit der Hochzeit auch der Geschlechtsverkehr vollzogen werden sollte. Polizeisprecher Schöpflin sagte: "Soweit ist es nicht gekommen".

Das Mädchen wurde zunächst vom Kinder- und Jugendnotdienst betreut, dort jedoch am Freitag von seinen Eltern abgeholt. Laut Schöpflin geschah dies auf eigenen Wunsch. Die Eltern hätten die Tochter zuvor auch nach Berlin gebracht. Gegen sie werde ein Verfahren wegen Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht eingeleitet.

Denkbar wäre in einem solchen Fall auch eine Inobhutnahme wegen Kindeswohlgefährung. Allerdings fühlen sich Mädchen in Heimen oft nicht wohl. "Dies ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der auch die Mädchen angehört werden", erklärte Sozialbehördensprecherin Julia Seifert. Aus Gründen des Personenschutzes wollte sie sich zu dem aktuellen Fall nicht äußern.

Nach dem Fall der im Mai 2008 in Hamburg von ihrem Bruder ermordeten Morsal O., die auch vom Zwansgheirat bedroht war, sind die Jugendämter angewiesen, schärfer hinzusehen, wenn es um Mädchen aus traditionell patriarchalen Familien geht. Auch wenn Sie zu ihrer Familie zurück wollen, muss ein "Worst-Case-Szenario" bedacht werden, wonach sie durchaus gefährdet sind. Bereits ein halbes Jahr später, im Oktober 2008, waren bei der Sozialbehörde bereits 15 Meldungen eingegangen, die nach diesem Kriterien als kindeswohlgefährdend eingeschätzt wurden.

Zwangheiraten kommen häufig vor. Bei den beiden Hamburger interkulturellen Beratungstellen LALE und i.bera meldeten sich von der Eröffnung im Mai 2007 bis Ende 2008 zusammen 98 Frauen und 13 Männer, die unmittelbar von Zwangsheirat bedroht waren. Wie viele von ihnen minderjährig waren, ist nicht bekannt. Eine ältere in Hamburg durchgeführte Studie aus dem Jahr 2006 ergab, dass in rund 60 Beratungsstellen der Stadt 210 Fälle von erfolgter oder drohender Zwangsheirat gemeldet worden waren. Darunter waren 42 so genannte "Ferienverheiratungen" von Schülerinnen. Mit dem Wohnprojekt Zuflucht wurde in Hamburg inzwischen ein neues Hilfsangebot für von Zwangsheirat bedrohte Frauen geschaffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.