Soldaten-Auslandsdelikte: Nach Leipzig wegen Raserei in Kundus

Die Justizministerin will eine zentrale Staatsanwaltschaft für Militärdelikte im Ausland schaffen. Bei solchen Verfahren wie dem von Oberst Klein ist weiter die Bundesanwaltschaft zuständig.

Gesehen in der Helmand-Provinz: Ziviles Auto und US-Militärfahrzeug. : reuters

Für Straftaten, die Soldaten im Auslandseinsatz begehen, soll grundsätzlich die Justiz in Leipzig zuständig sein. Dies sieht ein Referentenentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor. Die wichtigen Fälle bleiben aber in Karlsruhe bei der Bundesanwaltschaft.

Der Entwurf, der der taz vorliegt, wurde jetzt an die Bundesländer und Verbände zur Anhörung versandt. Er sieht keine in die Bundeswehr eingegliederte Militärjustiz vor, sondern eine spezialisierte Zuständigkeit normaler Richter und Staatsanwälte.

Die Leipzig-Regel soll als neuer Paragraf 11a in die Strafprozessordnung eingefügt werden. Zur Begründung für die Zentralisierung heißt es: Verfahren gegen Soldaten im Auslandseinsatz sollten "mit besonderer Fachkompetenz zügig bearbeitet werden". Die Soldaten, die einer "latenten Gefahr für Leib und Leben" ausgesetzt seien, sollen nicht durch langwierige Ermittlungsverfahren unnötig psychisch belastet werden. Zeitweise gab es Unmut in der Truppe, weil jeweils die Staatsanwaltschaft am Heimatstandort des Soldaten zuständig war. Deshalb mussten sich immer wieder neue Ermittler in die Situation in Afghanistan einarbeiten.

Inzwischen ist aber für alle politisch relevanten Fälle bereits die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe zuständig. Dabei soll es auch bleiben. Wenn deutsche Soldaten von Taliban erschossen werden, ist die BAW wegen ihrer Anti-Terror-Zuständigkeit gefordert. Wenn deutsche Soldaten in Afghanistan Zivilisten töten, ermittelt die BAW, weil im "bewaffneten Konflikt" das Völkerstrafgesetzbuch anzuwenden ist. Die Fälle werden in Karlsruhe geprüft und in aller Regel ohne Anklage beendet, weil den Soldaten kein Vorsatz für (Kriegs-)Verbrechen nachzuweisen ist.

Mitte April haben die Bundesanwälte das Verfahren gegen Oberst Klein eingestellt, der in Kundus den Befehl zum Bombenabwurf auf entführte Tanklaster und eine Menschenmenge gab. Außerdem werden in Karlsruhe noch rund ein halbes Dutzend Fälle aus Afghanistan geprüft, bei denen deutsche Soldaten an Kontrollstellen Zivilisten erschossen oder verletzt haben.

Furcht vor Kumpanei

Für die Leipziger Staatsanwälte bleiben vor allem banale Fälle wie Kameradendiebstahl oder Fehlverhalten im Straßenverkehr übrig. Für Tötungsdelikte wären die Ermittler in Leipzig nur zuständig, wenn im Einsatzland gerade kein bewaffneter Konflikt herrscht. Allerdings erschießt die Bundeswehr bei eher friedlichen Einsätzen wie in Mazedonien so gut wie keine Zivilisten.

Ursprünglich war Potsdam als zentraler Standort für soldatische Auslandsstrafverfahren diskutiert worden, weil im benachbarten Geltow das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sitzt. Kritiker befürchteten jedoch, dass die räumliche Nähe schnell in Kumpanei umschlagen könnte.

Das Bundesjustizministerium sagte dazu nur: "Wir haben uns für Leipzig entschieden, nicht gegen Potsdam." Leipzig sei schon jetzt ein "hervorgehobener Gerichtsstandort", immerhin sitze dort das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Wehrsenaten. Der Deutsche Anwaltverein kritisierte den Gesetzentwurf. Ein "Sonderrecht für Soldaten" sei überflüssig.

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