POLITJARGON
: Arsch hochkriegen

Der Frau neben mir ist das alles zu viel theoretisches Blabla

Jetzt treibt mich die Gentrifizierung schon bei Minustemperaturen aus der warmen Wohnung. Der Stadtsoziologe Andrej Holm spricht über sie, wie mir ein Freund vertraulich steckt, und zwar im Südblock am Kottbusser Tor. Aber wie immer bin ich schlecht informiert, was ja nicht grundsätzlich schlecht ist, denn dann bietet das Leben doch auch ab und zu eine Überraschung.

Andrej Holm spricht nämlich gar nicht über Gentrifizierung, sondern moderiert nur ein Gespräch über die City Tax. Und ich frage mich die ganze Zeit, wie das Bundeskriminalamt jemals auf die Schnapsidee kommen konnte, diesen netten, gemütlichen und strahlenden Menschen jemals für ein Mitglied in einer kriminellen Vereinigung zu halten und ihn einzusperren. Die Sprecher der auf dem Podium vertretenen Initiativen beklagen sich darüber, dass sie überlastet seien, die Leute ihren Arsch nicht hochkriegen würden und die Politiker alles an sich abperlen ließen. Man müsse sich einfach noch mehr vernetzen und zusammen eine neue Sprache finden. Sollte es sich um die handeln, die auf dem Podium gesprochen wird, dann finde ich die gar nicht so neu. Sie hört sich zum Teil ein bisschen nach Politjargon an, wie er in Verhandlungen mit den Senatsstellen vermutlich ganz nützlich ist.

Der Frau neben mir ist das alles zu viel theoretisches Blabla. Sie tut was Nützliches. Sie sorgt dafür, dass die Mieten im NKZ, dem Wohnblockmonstrum gegenüber, erschwinglich bleiben. Nur noch 35 Prozent Türken wohnen da. Viele ziehen weg. Vermutlich wird es ihnen zu bunt, denn der Rest sind EU-Ausländer und ein paar Deutsche. Die Frau sagt, dass sie den Bewohnern immer wieder rät, mal miteinander zu reden, wenn ihnen was nicht passt. Dann würden sie sich vielleicht besser kennenlernen. Ich glaube nicht, dass jemand von den NKZ-Bewohnern heute Abend seinen Arsch hochgekriegt hat. KLAUS BITTERMANN