Mit Papstbier fing es an

Marktl am Inn war ein Ort, den man gerne übersah. Beschaulich, ein bisschen langweilig, nicht unsympathisch – ein oberbayerisches Dorf eben. Das änderte sich am 19. April 2005 schlagartig. „Wir sind Papst!“ titelte die Bild-Zeitung, für die Menschen in Marktl war es ein WIR in Großbuchstaben. Der neue Papst aus unserem Dorf? Unglaublich.

Ich war zu dieser Zeit Student in Regensburg. An den Wochenenden fuhr ich regelmäßig nach Hause in meine Heimatstadt Burghausen (zehn Kilometer von Marktl entfernt). Die Route führte mich dabei direkt durch den Papst-Ort. Und was ich dort nach der Wahl Ratzingers beobachten konnte, war schon verblüffend. Denn die Marktler hatten nach der ersten Euphoriestarre schnell ihren Geschäftssinn entdeckt.

Jedes Wochenende begrüßten mich neue krakelig beschriebene Tafeln, auf dem all das angepriesen wurde, was ein echter Papstfreund eben so braucht: Mit dem Papstbier (gleiches Bier, anderes Etikett) fing es an, es folgten der Papstkuchen, die Papstsemmel oder die Papstwurst. Und das improvisierte Papstmerchandising fand seine Abnehmer. Konnte ich vor Ratzingers Wahl noch ungebremst über den Marktplatz fahren, musste ich nun verstärkt aufpassen, dass mir kein Papst-Geburtshaus-Tourist vor das Auto lief.

Der improvisierte Geschäftssinn der Marktler wurde dann schnell in geordnete Bahnen gelenkt. Es entstanden ein Busparkplatz für die Reisegruppen, eine Touristeninformation auf dem Marktplatz und schließlich wurde das Papstgeburtshaus als Museum für Besucher geöffnet. Die sind auch gekommen. Nicht viele zwar und mit den Jahren immer weniger, aber immerhin. Doch die große Aufregung ist längst einer entspannten Routine gewichen. Marktl ist auf dem besten Wege, wieder das zu werden, was es eigentlich immer war – ein Ort, den man gern übersieht. Beschaulich, ein bisschen langweilig, nicht unsympathisch.

Dominik Schweighofer, 30, ist Pressesprecher in Passau