PRESS-SCHLAG
: Hätte man doch die Finger davon gelassen!

EUROPA LEAGUE Einst waren die Partien im Uefa-Pokal ein Ritterschlag für Flutlichtspiele

2009 schufen die reformfreudigen Funktionäre der Uefa die Europa League. Das bedeutete das Ende der klassischen Europapokal-Nacht

Es gab Zeiten, da hatte der Terminus „Europapokal-Nacht“ einen besonderen Klang. Etwas ebenso Magisches wie Mythisches lag in dem Wort. Ein Ritterschlag für das Flutlichtspiel. Der Begriff stand für die Hoffnung, irgendein David – sagen wir mal aus Deutschland – möge einen übermächtigen Goliath – beispielsweise spanischer Herkunft – niederringen.

Ganze Schul- und Arbeitstage waren in diese seltsame Stimmung getaucht, bis der Ball endlich in Mailand, Gladbach oder Madrid rollte. Und bevor nun die Früher-war-alles-besser-Apologien die romantischen Erinnerungen zerschießen, hier nun eine Lebensweisheit des Kabarettisten Jochen Malmsheimer: „Es gab Sachen, die waren früher gut und sie wären es auch heute noch – wenn man die Finger davon gelassen hätte.“ Zu diesen Dingen gehört der Uefa-Pokal, der 1971 den Messepokal beerbte. Analysiert hat den Wettbewerb wohl am sympathischsten der Duisburger Bernhard „Enartz“ Dietz in der Zeit: „Das war nichts Besonderes. Plötzlich durftest du auch mittwochs spielen.“

Dietz stand 1979 als Aktiver mit dem MSV im Halbfinale. Er schied gegen den späteren Sieger Borussia Mönchengladbach aus. Drei deutsche Teams hatten damals die Runde der letzten vier erreicht: Hertha BSC unterlag Roter Stern Belgrad. Ein Jahr später kamen alle Halbfinalisten aus der Bundesliga. Den silbernen, achteckigen Pokal holte Eintracht Frankfurt gegen den amtierenden Titelträger vom Niederrhein. Die Bayern und der VfB Stuttgart hatten vorher bereits den Kürzeren gezogen. Es folgten viele große Nächte: Werder-Fans erzählen heute noch gerührt, wie Uli Borowka 1989 Diego Maradona in der dritten Runde abmeldete. Bremen gewann beim SSC Neapel und deklassierte den haushohen Favoriten im Weser-Stadion dann mit 5:1.

Und es gibt Gelsenkirchner Ehefrauen, die ihre sonst nüchternen Gatten nie wieder so hemmungslos weinend erlebt haben wie nach dem Schalker Triumph 1997 im Mailänder San Siro. Über die Jahre hinweg wurde der Uefa-Pokal erst ein Sammelbecken für Spitzenteams, während der Landesmeister-Cup eben nur die tabellarisch Besten aufeinander losließ. Klar, da musste die Uefa reagieren – mit der Erfindung der Champions League. Weil damit das Interesse an der Konkurrenzveranstaltung sank, die 1999/2000 als Trostpflaster den Pokal der Pokalsieger einverleibt bekam, erbarmten sich 2009 nochmals die reformfreudigen Funktionäre und schufen die Uefa Europa League und damit das Ende der klassischen Europapokal-Nacht.

Spätestens seitdem ist der Begriff „Cup der Verlierer“ gerechtfertigt. Am Donnerstag sahen Stuttgart, Hannover und ein bisschen auch Leverkusen dies offenbar als Verpflichtung an. Dennoch, generell gucken mag das Wirrwarr aus Gruppenphase (anfangs gab es sogar zwei davon), Zwischen- und Endrunde kaum ein Mensch mehr. Verzweifelt werden zur Niveausteigerung mittlerweile sogar die erfolgloseren Champions-Leagisten in die Europa League eingespeist.

Wo läuft die Resteverwertung eigentlich? Als Imageprojekt beim Münchner Spartenkanal Kabel 1. Da vertraut die Smartphone-Generation eher dem Liveticker. Gut, dass sich wenigstens die traditionsbewussten Gladbacher am Donnerstag mühten, gegen Lazio Rom so etwas wie „europäisches Flair“ auf den Platz zu zaubern – mit drei Elfmetern und einem an alte Sternstunden erinnernden 3:3. Zumindest, da die Quote stimmte, am späten Abend. So hat Borussia Mönchengladbach einen Konkurrenzwettbewerb ausgestochen – die deutsche Qualifikation für den Eurovision Song Contest. JAN SCHEPER