piwik no script img

Berichterstattung über Ski-WMAlle sind verdächtig

Vor der Alpinen Ski-WM 2011 müssen sich Journalisten einer "Zuverlässigkeitsüberprüfung" unterziehen. Wer dieser nicht einwilligt, bekommt keine Akkreditierung.

Die Alpine Ski-WM 2011: Keine "Zuverlässigkeitsüberprüfung", keine Akkreditierung für Journalisten. Bild: reuters

Wenn am 11. Juni um 16 Uhr die Fußball-WM in Südafrika angepfiffen wird, werden auch die deutschen Sportjournalisten auf den Tribünen sitzen und berichten. Zumindest die, die eine Akkreditierung bekommen haben. Dafür müssen Journalisten immer mehr über sich ergehen lassen: "Die Akkreditierung setzt eine Zuverlässigkeitsüberprüfung voraus. Der Veranstalter wird im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Sicherheitsbehörden (Polizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst) bei der Durchführung des Akkreditierungsverfahrens unterstützt."

Das ist kein Absatz aus den Regeln zur Fußball-WM – auch wenn dem Weltfußballverband Fifa Ähnliches zuzutrauen ist – sondern zu den Alpinen Ski-Weltmeisterschaften 2011. Die finden in Garmisch-Partenkirchen statt. Veranstalterin ist eine GmbH des Deutschen Ski-Verbandes. Die Akkreditierungsphase ist gerade angelaufen.

Die Parallelen zur Leichtathletik-WM 2009 in Berlin sind frappierend. Damals hatte die taz-Sportredaktion nicht in die Überprüfung eingewilligt – und keine Zugangsberechtigung zu den Wettkämpfen bekommen. Die taz boykottierte daraufhin die Veranstaltung. Bei der Ski-WM müssen die Berichterstatter neben persönlichen Daten nun wieder eine Einwilligung zur "Zuverlässigkeitsüberprüfung" abgeben. Vollkommen freiwillig natürlich. "Sollten Sie diese allerdings verweigern, kann eine Akkreditierung nicht erfolgen", heißt es in der "Datenschutzinformation". Wie gesagt: vollkommen freiwillig.

"Das ist ganz klar eine Zwangslage", sagt Benno Pöppelmann, Justitiar beim Deutschen Journalistenverband (DJV) – und damit nicht zulässig. Denn Journalisten hätten grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Akkreditierung. Außerdem müssten etwaige Sicherheitsbedenken der Behörden rechtzeitig den Journalisten direkt offenbart werden, um Gelegenheit zu geben, solche Bedenken auszuräumen.

Wer 2011 von der Pressetribüne aus über die Ski-Olympiasiegerinnen Maria Riesch und Viktoria Rebensburg berichten will, wird zuvor vom Bundeskriminalamt (BKA), dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) und dem Landesamt für Verfassungsschutz überprüft. Wer aus dem Ausland kommt, wird vom Bundesnachrichtendienst (BND) durchleuchtet.

Dabei können nicht nur Verurteilungen und laufende Ermittlungen, sondern auch eingestellte Ermittlungsverfahren zu einer Ablehnung führen – genau wie ein Eintrag in der Datei "Gewalttäter Sport". Obwohl die Verwaltungsgerichte Hannover, Lüneburg und Karlsruhe unisono feststellten, dass es der Datensammlung an einer ausreichenden rechtlichen Grundlage fehle.

Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken nennt das Verfahren "sicherheitspolitischen Unfug" und rät allen Journalisten, die Bedingungen nicht zu akzeptieren. Anders als bei der Leichtathletik-WM 2009, als die taz aus Sicht der anderen Redaktionen zu spät auf das Problem aufmerksam machte, sei jetzt noch die Chance, die Veranstalter der Alpinen Ski-WM zu einem Umdenken zu bewegen, betont Konken. Nach der taz-Initiative befasst sich seit 2009 auch ein juristischer Arbeitskreis von Journalisten- und Verlegerverbänden sowie ARD, ZDF und den Privatsendern mit der Problematik. Er will im Juni einen Forderungskatalog vorlegen.

Parallelen gibt es auch zum G-8-Gipfel von Heiligendamm: Damals hatte der Journalist Friedrich Burschel keinen Persilschein von den Sicherheitsbehörden bekommen – und somit auch keine Akkreditierung. Trotz seiner späteren Zulassung klagte Burschel in der Folge gegen den Negativbescheid des Verfassungsschutzes und bekam vom Verwaltungsgericht Köln Recht: Das Nein des Verfassungsschutzes war rechtswidrig. Die Urteilsbegründung verweist sogar explizit auf die Fußball-WM 2006, wo ein solches Verfahren erstmals lief. Dass es auch beim G-8-Gipfel eingesetzt wurde, belege, so das Gericht wörtlich, eine "Wiederholungsgefahr".

Nun kommt es abermals zum Einsatz. Auf einer taz-Podiumsdiskussion zum Boykott der Leichtathletik-WM sagte Claudio Catuogno, Sportredakteur der Süddeutschen Zeitung, anno 2009: "Der Boykott hat insofern etwas Gutes, dass wir uns beim nächsten Mal viel früher um das Problem kümmern." Das nächste Mal ist jetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • R
    Redbranch

    Skandalöses Geschehen.

     

    2009 hat sich die taz im Alleingang geweigert, diese Unsäglichkeiten mitzumachen. Richtig so!

     

    Wünschenswert wäre, wenn es diesmal gelingen könnte, den ein oder anderen Top-Sportjournalisten mit ins Boot zu bekommen. Diese sollten genügend Einfluss haben, den notwendigen Druck auf Veranstalter und auch auf den eigenen Arbeitgeber ausüben zu können.

     

    Da das moderne golden Kalb für sämtliche Medien nun mal Auflage und Einschaltquote heißt, werden die großen überregionalen Zeitungen sowie Fernseh- und Rundfunk keinen Fall auf die WM-Berichterstattung verzichten wollen. Deren angestellte und freie Journalisten dürften daher wohl leider mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, sollten sie auf die Akkreditierung verzichten wollen.

  • UM
    Ullrich Mies

    Die Herrschaftskaste soll sich ihre monströsen Sportveranstaltungen mit monströser Überwachung in die Haare schmieren.

     

    Das BKA, die Geheimdienste, sollen die "Berichterstattung" selbst übernehmen. Vielleicht stellen sie zukünftig auch die Sportler, wie wärs?

     

    Das wären doch echte neue Aufgaben für diese Staatsapparate.

     

    Sagen wir, das BKA oder der BND richteten zukünftig die Sportveranstaltungen selbst aus. Das wär etwas für's nationale Herz jenseits globalisierter Verwahrlosung.

     

    Deutschland macht richtig Freude - ganz einfach ein tolles Land.

    Und weil das so ist, verlassen unter dem Strich auch immer mehr Menschen das Land, als reinwollen.

  • M
    Makeze

    Hey ihr Journalisten sagt doch mal, stehen hier nicht insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen in der Pflicht? Die Privaten haben doch eh schon ihre Seele bei der Wok-WM verkauft!

     

    Die Redakteure der privaten Medienanstalten verhuren sich doch zum größten Teil für zuschauerzahlenabhängige Werbeeinnahmen. Die lassen doch für ein paar (millionen) Dollar alles über sich ergehen. Die haben sich doch schon vor ewigkeiten von jeglichem journalistischen Ehrencodex verabschiedet, da kann man von ihnen doch keinen moralischen Druck erwarten, oder?