Kommentar Bundespräsidenten-Kür: Alles Merkel

Die Person des früheren Stasibeauftragten Gauck eignet sich perfekt, um Kanzlerin Merkels rein taktisch motivierte Kandidatenkür in ein schlechtes Licht zu rücken.

Überparteilich sollte er sein. Ein präsidialer Typus mit Autorität und glaubwürdiger Biografie, der die ein oder andere Stimme aus dem Regierungslager herüberziehen kann. Ein Kandidat, der SPD und Grüne nicht in neuerliche Diskussionen über das Für und Wider einer Kooperation mit der Linkspartei stürzt. Der die nötige Eitelkeit mitbringt, um für dreieinhalb Wochen im Rampenlicht eine letztlich aussichtslose Bewerbung in Kauf zu nehmen.

Das Profil des Präsidentschaftskandidaten, nach dem die beiden Oppositionsparteien fahndeten, passt geradezu perfekt auf Joachim Gauck. Dass der Kandidat den Favoriten Christian Wulff in der Bundesversammlung ernsthaft in Gefahr bringt, ihn auch nur in einen zweiten Wahlgang zwingt, ist zwar unwahrscheinlich: Die Lage der Koalition ist zu ernst, als dass allzu viele Abgeordnete von Union und FDP den Chaosfaktor noch vergrößern wollten. Aber die Person des früheren Stasibeauftragten eignet sich perfekt, um Merkels rein taktisch motivierte Kandidatenkür in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.

Das ist, wie so oft bei Merkel, vergleichsweise einfach. Denn um des bloßen Glanzes willen hat die Kanzlerin machtpolitische Fragen noch nie zurückgestellt. So sieht sie in der Präsidentenfrage wieder einmal sehr schlecht aus und geht doch gestärkt daraus hervor. Innerhalb weniger Wochen haben sich jene drei Rivalen aus der CDU-Spitze verflüchtigt, die Merkel einst als stellvertretende Parteivorsitzende einbinden musste. Jürgen Rüttgers wird in Nordrhein-Westfalen wohl zugunsten einer großen Koalition abtreten müssen, Roland Koch will aus der Politik aussteigen, Wulff wird nun ins Präsidialamt weggelobt. In der Regierung bleiben die Vertreter des Modernisierungskurses hingegen auf Schlüsselpositionen, nicht zuletzt Ursula von der Leyen, die als Arbeitsministerin den größten Anteil des Etats verwaltet.

Wenn sich die CDU im November in Karlsruhe zum Parteitag trifft, dann ist sie endgültig eine andere Partei. Es liegt jetzt an Merkel, was sie daraus macht. Das ist eine Herausforderung, die größer ist als die Kandidatur Joachim Gaucks.

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