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Kommentar zur Kandidatin der LinkenDie Notlösung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei hat Luc Jochimsen als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt nominiert. Doch: Sie verkörpert so gar keine Idee. Das ist ärgerlich.

D ie Linkspartei ist noch immer das Schmuddelkind unter den hiesigen Parteien. Deshalb fällt es ihr nicht leicht, jemand mit überparteilichem Renommee als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl zu gewinnen. Die Kandidaturen von Uta Ranke-Heinemann 1999 und Peter Sodann im Jahr 2009 bewegten sich hart an der Grenze zum Unernsten. Bei Luc Jochimsen, der Ex-Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks, ist das nicht anders.

Ihre große Zeit als linksliberale Journalistin liegt schon mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Dass die Linksparteiführung seit Tagen Joachim Gauck als Mann der Vergangenheit kritisiert und nun eine 74-Jährige aufstellt, an deren Heldentaten sich nur Ältere erinnern, zeigt, dass diese Kandidatur aus purer Not geboren ist.

Weil SPD und Grüne - durchaus gezielt gegen die Linkspartei - Gauck ins Rennen schicken, fühlt sich die Linkspartei bemüßigt, ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren. Das wirkt nicht wie eine souveräne Geste, sondern wie ein Pawlowscher Reflex. Warum also diese Kandidatin? Jochimsen ist seit fünf Jahren für die Linkspartei im Bundestag, ohne dabei weiter aufgefallen zu sein.

taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er befasst sich insbesondere mit der "Linken".

Offenbar reichen dies und ihr ausgeblichenes publizistisches Renommee, um sie für diese Kandidatur zu qualifizieren. Die Partei will auf Nummer sicher gehen. Jemand aus den eigenen Reihen zu nominieren mindert die Gefahr, dass das Ganze in einem unkontrollierbaren PR-Desaster endet. Aber das ist keine Antwort auf die Frage, ob diese Kandidatur nötig und sinnvoll ist. Natürlich ist es völlig legitim, auch jemand ins Rennen zu schicken, der keine Chance hat. Es widerspricht der viel zitierten Würde des Amtes nicht, diese Wahl zu nutzen, um einer Idee Öffentlichkeit und symbolische Repräsention zu verschaffen. Aber mit Verlaub: Welche nach vorne drängende Idee verkörpert Luc Jochimsen?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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15 Kommentare

 / 
  • DP
    Daniel Preissler

    @vic

    auch wenn ich sonst meistens eine ähnliche Meinung vertrete wie du, muss ich hier mal einschreiten, wenn du sagst "die Linke (würde sich) zum Komplizen eines menschenunwürdigen Systems machen", wenn sie Gauck wählt. Die Linke (die ich auch schon gewählt habe) ist die Partei (beziehungsweise zu Teilen die Nachfolgepartei derjenigen Partei), dich sich tatsächlich schon zum Komplizen eines menschenunwürdigen Systems gemacht hat. Wenn du jetzt deinen Satz so hier reinstellst, ist das entweder deutlich zu kurz gedacht oder eine halb bewusste Provokation - der Grünwähler hauptsächlich, andere lesen ja kaum die taz oder halten die Linke eh für einen Haufen von Staatsfeinden. Diese Denke greifst du hier auf (sorum dann die des "Feindstaates") - auch traurig. Wenn du dich mal in der Welt umguckst, wirst du allerdings feststellen, dass es einen besseren Staat als die BRD überhaupt nicht gibt. Und zum Thema Gauck: Natürlich ist dieser Mann kein Linker, natürlich ist seine Nominierung ohne Absprache mit der Linken eine dämlich Provokation, seine Verdienste bei der Aufarbeitung der Geschichte des SED Staates darf man aber dennoch würdigen: Ja, die DDR war schlecht! d;-)

    Man darf trotzdem die Linke wählen, wenn die politisch ursprünglich intergereren Grünen tagespolitisch mehr Unsinn anstellen.

    Beste Grüße und bis bald

    d

  • V
    vic

    Warum sollte sich die Linke zum Komplizen eines menschenunwürdigen Systems machen und einem von zwei nicht wählbaren Kandidaten ihre Stimme geben?

    Warum sollten sie nicht darauf hinweisen wie egal diese Personalie ist, indem sie ihren eigenen chancenlosen Bewerber aufstellen?

    Ist es etwa nicht vermessen eine Null wie Wulff zu präsentieren?

  • H
    Heiner

    Herr Reinecke hat schon vor Tage die Nominierung Gaucks als u.a. gegen die LINKE gerichtetes Manöver beschrieben. Heute kritisiert er die Nominierung von Luc Jochimsen. Ich halte beide Kommentar für recht plausibel.

    Wer jedoch meint, dass sich daraus umstandslos ergibt, dass die LINKE Gauck wählen sollte, handelt im Hinblick auf die Präsidentenwahl oberflächlich-wahltaktisch. Gauck ist das Schicksal der vielen Millionen prekär Beschäftigten und Langzeitarbeitslosen herzlich egal. Mindestlöhne, Stärkung der Binnennachfrage, höhere Steuern für Konzerne und die Oberschicht - die Voraussetzung zur Finanzierung öko-sozialer Reformpolitik - sind ihm schnuppe. SPD und Grüne wissen das. Sie wollen in Wahrheit auch eiserne Sparpolitik treiben und die Steuern für Reiche nur symbolisch erhöhen, weil der Mainstream in den Mittelschichten das zur Zeit will. Sie wollen keinen Politikwechsel durchsetzen. Sie wollen lediglich das Regierungslager durcheinanderwirbeln und die LINKE ebenfalls verunsichern und spalten. Eine zynisch berechnete Kurzzeit-Taktik auf Kosten aller, die auf einen wirklichen Politikwechsel hoffen.

  • C
    cdchianti

    Eins zeigt die Aufstellung einer linken Kandidatin jedenfalls: Die LINKE ist keine linke SPD, sondern bleibt ein Haufen unversöhnlicher Altkommunisten.

  • W
    wauz

    Wer die Diskussion verfolgt, merkt sofort eines: es geht garnicht wirklich um die Kandidaten. Qualifikation und persönliche Eigenschaften werden überhaupt nicht bemerkt. Es ist die gesamte politische Situation, die das jetzige Problem bestimmt.

    Rot-grün ist abgewählt. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht mehr ändern.

    Schwarz-Gelb wird gerade abgewählt. Auch da ist keine Trendwende in Sicht.

    Schwarz-rot geht auch nicht mehr, die SPD kann da nichts mehr beisteuern.

    Es wird darauf hinauslaufen, dass sich wieder ein Drei-Parteien-System etabliert. Schwarz-grün-rot. Wobei rot für die Linkspartei steht. Die SPD ist es, die sich Herrn Gauck zum Trotz gerade überflüssig macht.

  • K
    KlugChekka

    Da wird einerseits wieder einmal völlig unreflektiert auf die LINKE eingedroschen.

    Auf der anderen Seite ebenso unreflektiert ein Herr Gauck hochgejubelt.

     

    Ja, ja, ich hab von den angeblich so glorreichen Verdiensten des Herrn Gauck gelesen.

    Aber mal ehrlich, jenseits des medialen Hypes, der mich in seiner Inszenierung doch an eine zentrale Propagandaparolenausgabestelle denken läßt: was qualifiziert Herrn Gauck eigentlich wirklich?

    Es gibt eine Seite der Person 'Gauck', von der geschwiegen wird. Diese ist keineswegs Präsidiabel. Zumindest nicht, wenn die Grundlage dieses Staates weiterhin, zumindest offiziell, die seit 1949 existierende FDGO sein soll.

    Meines Wissens ist Recherche trotz einer von mir vermuteten Existenz einer geheimen Zensurbehörde noch erlaubt.

     

    Bleibt die Frage: "Aber mit Verlaub: Welche nach vorne drängende Idee verkörpert..." Herr Reinecke?

  • HH
    Hans-Hermann Hirschelmann

    Erwartungsgemäß köhlert die Linke auch nur herum und schmollt irgend eine "eigene" Kandidatin hervor. Immerhin benutzten die Genossen diesmal keinen Fernsehkommentardarsteller für ihre Ohnmachtsdemonstration. Hätte sie aber politischen Witz, etwas Mumm und hinreichend Verantwortungsgefühl im Rückblick auf Mielkes "Sozialismusversuch" würde sie Gauck unterstützen.

     

    Schade. Auch wenn Martin Unfrieds Ökosex Vorschlag zugegebener Maßen noch zukunftsgerichteter gewesen wäre.

     

    Hans-Hermann Hirschelmann, Berlin

  • RM
    Rolf Mueller

    Ich verstehe nicht, warum die aussichtslose Kandidatur von Luc Jochimsen ein Problem ist, die von Joachim Gauck aber nicht. (Beide haben keine reelle Chance.)

    Gauck steht für eine bürgerliche Freiheit, die Ungerechtigkeit als Teil der Freiheit akzeptiert. Jochimsen steht für einen sozialistischen Freiheitsbegriff, für den Gerechtigkeit die Voraussetzung für Freiheit ist.

    Das ist für mich eine klare politische Alternative und keine Notlösung. Vielleicht kann die taz auch mal nachdenken und nicht immer nur dem oberflächlichen Mainstream hinterherhecheln.

  • Z
    Zulu

    Aktionen wie diese bestärken mich in der Meinung, dass die Linke nicht wählbar ist.

    Hätte die Linke den Vorschlag von SPD und Grünen mitgetragen, hätten sie sich unglaublich viel Respekt verschafft und gezeigt, dass sie gegen die StaSi und das Unrecht in der DDR sind.

    Mir ist klar, dass Gauck nicht gerade linke Positionen vertritt sondern eher in dem rechtsliberalen Lager anzuordnen ist. Eine kluge, fähige Linkspartei hätte ihn dennoch mitgetragen.

    Ich würde gerne eine Partei links der SPD wählen aber diese Linke ist einfach ein verdrehter, dummer Haufen und - auch wenn ich mir damit hier Feinde mache - man muss imho schon reichlich blöd sein sie zu wählen.

  • R
    Roger

    Eine traurige Bestätigung: Die Linkspartei traut nur einem Parteikader, der für sie schon einmal in einem Parlamentsaß.

    Mit einem unabhängigen und unbequemen Kopf wie Gauck, dem die Freiheit enorm wichtig ist und der dafür auch harte Konflikte eingeht, kam und kommt sie nicht zu Rande, bis heute.

    Mir erscheint die Linke mal wieder wie eine konservative, bewegungsunfähige Partei der Linken, strukturell kaum anders als die Rechtskonservativen.

     

    Also dann, vorwärts in die Vergangenheit.

  • T
    Thom

    Reincke (Fuchs) hat wohl überhaupt keine andere Aufgabe mehr bei der taz als Linken-Bashing zu betreiben. Das ist nicht schlimm. Auf seine journalistischen Leistungen kann man, ohne jedes Opfer zu bringen, verzichten.

  • C
    claudia

    >>Welche nach vorne drängende Idee verkörpert Luc Jochimsen?

  • B
    Begriffsstutzig

    Gauck als Bundespräsident eröffnet "die Chance einer Möglichkeit die Bürger auf die Straße zu holen"? – Das hätte ich von dem Beobachter gerne einmal erklärt.

  • D
    dissenter

    Die Linkspartei hätte auf eine eigene Kandidatur verzichten und sich mindestens im ersten Wahlgang enthalten sollen - nicht weil Luc Jochimsen keine respektable Persönlichkeit wäre, sondern weil sie keine Chance hat gewählt zu werden und das Schielen auf zwei oder drei Abweichler bei SPD und Grünen doch das ist, was wir alle verabscheuen: Parteitaktik.

    Auf der anderen Seite macht die Kandidatur aber deutlich, was vor lauter Gauck-Besoffenheit untergegangen ist: Mit Gauck und Wulff tritt das "bürgerliche Lager" gegen sich selbst an, assistiert von SPD und Grünen, die alles sein wollen, nur nicht mehr links, und die nur zu gern bei Mutti mitregieren würden.

    Im Übrigen plädiere ich noch einmal dafür, dass Amt des Bundespräsidenten abzuschaffen und seine Befugnisse auf den jeweiligen Bundesrats-Präsidenten zu übertragen. Mir ist jedenfalls in den letzten acht Tagen nicht aufgefallen, dass Köhler nicht mehr da ist.

  • B
    Beobachter

    Natürlich ist für die LINKE ein Untoter der Inquisition nicht wählbar.

    Die Wahl von Gauck wäre ein Opfergang, der die Chance einer Möglichkeit die Bürger auf die Straße zu holen eröffnet.

    Genau wie die Sozis schießen sich die selbsternannten Linken lieber ein Loch ins Knie, als eine wahrhaft linke Position die von der Straße kommt durchzusetzen.

    Oder andersrum: Die LINKE fürchtet das Volk mehr als Gauck und ist deshalb zu feige sich zu stellen.