Journalistensünden

„Washington Post“ rügt ihren Starautor Bob Woodward, weil er Kontakte zum Weißen Haus verschwieg

WASHINGTON taz ■ Fordert die Affäre um die illegale Enttarnung einer CIA-Agentin nach New-York-Times-Reporterin Judith Miller ein weiteres prominentes Journalistenopfer? Seitdem Bob Woodward, berühmtester US-Journalist und leitender Redakteur der Washington Post, ausgesagt hat, seit Juni 2003 aus Regierungskreisen über die Tätigkeit der später enttarnten Geheimagentin Valerie Plame informiert gewesen zu sein, hagelt es zumindest Kollegenschelte. „Wenn ich Bob interviewen könnte, würde ich ihn zu gerne fragen: Bob, wie soll ich das alles meinen Journalistenschülern erklären, die ich jeden Donnerstag in Medienethik unterrichte“, schrieb ein entsetzter Redakteur der Post im Intranet des renommierten Hauses.

Als diese Kritik schließlich am Freitag in Internet-Blogs kolportiert wurde, sah sich die Ombudsfrau der Post, Deborah Howell, gezwungen, die blattinterne Kritik auch öffentlich zu formulieren. Woodward habe eine „sehr schwere Sünde“ begangen, indem er dem Blatt jahrelang seine Verwicklung in die Affäre im Weißen Haus verschwiegen habe, schrieb Howell am Sonntag auf der Meinungsseite der Zeitung. Trotz seines Ruhms, den er durch die Enthüllung der Watergate-Affäre erlangt habe, müssten für ihn dieselben Regeln wie für andere Journalisten des Blattes gelten, forderte Howell. Durch sein Verhalten habe Woodward der Glaubwürdigkeit der Zeitung einen Schlag versetzt. Zahlreiche Leser hätten eine Entlassung oder Maßregelung Woodwards gefordert.

Howell kritisierte Woodward außerdem für eine „weitere journalistische Sünde“: Er habe den Fall Plame öffentlich kommentiert, ohne seine Kenntnisse offen zu legen. Woodward hatte seinem Arbeitgeber offenbar erst vor kurzem mitgeteilt, dass ein hoher Regierungsvertreter bereits Mitte Juni 2003 mit ihm über die Tätigkeit der Ehefrau des regierungskritischen Exbotschafters Joseph Wilson gesprochen habe. Woodward war damit wohl der erste Journalist, der aus Regierungskreisen – absichtlich oder nicht – unterrichtet wurde. Die Identität seines Gesprächspartners gab Woodward eigenen Angaben nach gegenüber dem Sonderermittler im Plame-Fall nicht preis. Es handle sich aber nicht um den in dieser Sache bereits angeklagten Ex-Stabschef von US-Vizepräsident Dick Cheney, Lewis „Scooter“ Libby.

Dies macht die Affäre nur brisanter, da offenbar mehrere Mitarbeiter der Regierung versuchten, Wilson zu schaden. Libby wird im Zusammenhang mit der Enttarnung Plames Meineid, Falschaussage und Behinderung der Justiz vorgeworfen. Die Identität Plames war an die Medien verraten worden, nachdem ihr Ehemann sich in der Kontroverse um den Irakkrieg gegen die Regierung gestellt hatte. AW